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Beatus, Georg: Amphitheatrvm Naturae, Schawplatz Menschlicher Herzlichkeit. Frankfurt, 1614.

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vnd mögen alsdann Kläger vnd beklagten Redner haben/ die vor sie dz Wort thun. Wenn nun der Raht solche zu beyden Seyten angehört/ fellen sie dz vrtheil nach den gesetzen/ welche sie zwar nit studirt haben/ sondern es gibts jhnen zum theil die vernunfft/ zum Theil auch die gewonheit: gleichfals geschichts auch in Bürgerlichen Sachen: ohn daß der Keyser in etlichen angezogen wird/ in etlichen aber nit. Doch sind fast in allen Reichsstetten vnd gemeine Burger. Die gemeine gehen mit Kauffmanschafft vnnd Handthierungen vmb. Die Geschlechter aber leben von jhren Renten vnd Zinsen / vnd halten sich wie die vom Adel. Wenn ein Bürgersman reich wird / vnnd sich vnder sie mengen will/ nehmen sie jhn nicht an/ daher nun lange zeit ein jeder Standt in seinem werth blieben/ doch ist die vermeldung deß gemeinen Nutzens bey den Graden zugelassen worden: so ist jhnen auch das gemeine Volck nit zu dienen verpflichtet / sondern sind frey/ vnd mag ein jeder thun was er will/ so fern er sich sonsten nach den Stat-Ordnungen verhelt/ vnd denen gemeß lebet. In gemein wird die Gerechtigkeit durch die gantze Landtschafft von vngelehrten Leuten verwaltet/ dann es sind in einer jeden Statt oder in jedem Dorff zwölff Mann/ die jhres ehrlichen wandels vnnd auffrichtigkeit halben einen guten Namen haben/ erwehlet/ daß sie vber zweispältige oder sonst fürfellige Sachen müssen Richter seyn/ vnd in diesem fall sihet man nit dahin/ ob sie etwas studirt oder nit. Solche vrtheilen vber gerichtliche sachen / haben nichts dauon ohn die Ehr/ vnd lassen all jhr geschefft ligen / schweren/ auch daß sie einen richten wölten/ nach dem sie es bedünckt billich vnd recht zu seyn/ vnsere Vorfahren haben von jhren gefellten vrtheilen nit appellirt/ dann es bedaucht sie vnbillich seyn/ daß man deren Vrtheil sich widersetzen solte/ welche vmb sonst zu Gericht sassen/ zu dieser Zeit aber appellirt man fleissig von jhnen. Die Bürger leben ehrlich vnd freundtlich vnder einander treiben in gemein vnd insonderheit Kauffmanschafft/ Zechen/ Spielen/ vnd halten Gesprech mit einander/ deßgleichen grüssen sie einander/ im begegnen. Alle Teutschen leben gemeiniglich auff die Wercktagen in Essen/ trincken/ vnd Kleydungen sparlich/ auff die Feyertäge aber etwas besser. Die Arbeitsleuth Essen deß Tages viermal/ die aber in Ruhe leben/ zweymahl. Die Männer tragen gewöhnlich Wüllen Kleydung/ vnnd die Weiber Leinen: Solche sind aber so vnderschiedlich von Farben vnd gestalt/ daß bald keiner wie der ander gekleidt gehet/ sonderlich aber haben sie Lust zu newer Gattung/ zu Italienische/ Frantzösischer/ Engellendischer vnd anderer Landtschafften art/ daß sie nicht wol zu beschreiben. Wenn sie leydt tragen/ kley-

vnd mögen alsdann Kläger vnd beklagten Redner haben/ die vor sie dz Wort thun. Wenn nun der Raht solche zu beyden Seyten angehört/ fellen sie dz vrtheil nach den gesetzẽ/ welche sie zwar nit studirt habẽ/ sondern es gibts jhnẽ zum theil die vernunfft/ zum Theil auch die gewonheit: gleichfals geschichts auch in Bürgerlichen Sachen: ohn daß der Keyser in etlichen angezogen wird/ in etlichẽ aber nit. Doch sind fast in allen Reichsstetten vñ gemeine Burger. Die gemeine gehen mit Kauffmanschafft vnnd Handthierungen vmb. Die Geschlechter aber leben von jhren Renten vñ Zinsen / vñ haltẽ sich wie die vom Adel. Weñ ein Bürgersman reich wird / vnnd sich vnder sie mengen will/ nehmen sie jhn nicht an/ daher nun lange zeit ein jeder Standt in seinem werth blieben/ doch ist die vermeldung deß gemeinen Nutzens bey den Graden zugelassen worden: so ist jhnen auch das gemeine Volck nit zu dienen verpflichtet / sondern sind frey/ vnd mag ein jeder thun was er will/ so fern er sich sonsten nach dẽ Stat-Ordnungen verhelt/ vnd denen gemeß lebet. In gemein wird die Gerechtigkeit durch die gantze Landtschafft von vngelehrten Leuten verwaltet/ dann es sind in einer jeden Statt oder in jedem Dorff zwölff Mann/ die jhres ehrlichen wandels vnnd auffrichtigkeit halben einen guten Namen haben/ erwehlet/ daß sie vber zweispältige oder sonst fürfellige Sachen müssen Richter seyn/ vñ in diesem fall sihet man nit dahin/ ob sie etwas studirt oder nit. Solche vrtheilẽ vber gerichtliche sachen / habẽ nichts dauon ohn die Ehr/ vñ lassen all jhr geschefft ligẽ / schweren/ auch daß sie einen richten wölten/ nach dem sie es bedünckt billich vñ recht zu seyn/ vnsere Vorfahren habẽ von jhren gefellten vrtheilẽ nit appellirt/ dañ es bedaucht sie vnbillich seyn/ daß man derẽ Vrtheil sich widersetzen solte/ welche vmb sonst zu Gericht sassen/ zu dieser Zeit aber appellirt man fleissig von jhnẽ. Die Bürger leben ehrlich vnd freundtlich vnder einander treiben in gemein vnd insonderheit Kauffmanschafft/ Zechen/ Spielen/ vnd halten Gesprech mit einander/ deßgleichen grüssen sie einander/ im begegnen. Alle Teutschen leben gemeiniglich auff die Wercktagen in Essen/ trincken/ vnd Kleydungen sparlich/ auff die Feyertäge aber etwas besser. Die Arbeitsleuth Essen deß Tages viermal/ die aber in Ruhe leben/ zweymahl. Die Mäñer tragen gewöhnlich Wüllen Kleydung/ vnnd die Weiber Leinen: Solche sind aber so vnderschiedlich von Farben vnd gestalt/ daß bald keiner wie der ander gekleidt gehet/ sonderlich aber haben sie Lust zu newer Gattung/ zu Italienische/ Frantzösischer/ Engellendischer vnd anderer Landtschafften art/ daß sie nicht wol zu beschreiben. Wenn sie leydt tragen/ kley-

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[159/0179] vnd mögen alsdann Kläger vnd beklagten Redner haben/ die vor sie dz Wort thun. Wenn nun der Raht solche zu beyden Seyten angehört/ fellen sie dz vrtheil nach den gesetzẽ/ welche sie zwar nit studirt habẽ/ sondern es gibts jhnẽ zum theil die vernunfft/ zum Theil auch die gewonheit: gleichfals geschichts auch in Bürgerlichen Sachen: ohn daß der Keyser in etlichen angezogen wird/ in etlichẽ aber nit. Doch sind fast in allen Reichsstetten vñ gemeine Burger. Die gemeine gehen mit Kauffmanschafft vnnd Handthierungen vmb. Die Geschlechter aber leben von jhren Renten vñ Zinsen / vñ haltẽ sich wie die vom Adel. Weñ ein Bürgersman reich wird / vnnd sich vnder sie mengen will/ nehmen sie jhn nicht an/ daher nun lange zeit ein jeder Standt in seinem werth blieben/ doch ist die vermeldung deß gemeinen Nutzens bey den Graden zugelassen worden: so ist jhnen auch das gemeine Volck nit zu dienen verpflichtet / sondern sind frey/ vnd mag ein jeder thun was er will/ so fern er sich sonsten nach dẽ Stat-Ordnungen verhelt/ vnd denen gemeß lebet. In gemein wird die Gerechtigkeit durch die gantze Landtschafft von vngelehrten Leuten verwaltet/ dann es sind in einer jeden Statt oder in jedem Dorff zwölff Mann/ die jhres ehrlichen wandels vnnd auffrichtigkeit halben einen guten Namen haben/ erwehlet/ daß sie vber zweispältige oder sonst fürfellige Sachen müssen Richter seyn/ vñ in diesem fall sihet man nit dahin/ ob sie etwas studirt oder nit. Solche vrtheilẽ vber gerichtliche sachen / habẽ nichts dauon ohn die Ehr/ vñ lassen all jhr geschefft ligẽ / schweren/ auch daß sie einen richten wölten/ nach dem sie es bedünckt billich vñ recht zu seyn/ vnsere Vorfahren habẽ von jhren gefellten vrtheilẽ nit appellirt/ dañ es bedaucht sie vnbillich seyn/ daß man derẽ Vrtheil sich widersetzen solte/ welche vmb sonst zu Gericht sassen/ zu dieser Zeit aber appellirt man fleissig von jhnẽ. Die Bürger leben ehrlich vnd freundtlich vnder einander treiben in gemein vnd insonderheit Kauffmanschafft/ Zechen/ Spielen/ vnd halten Gesprech mit einander/ deßgleichen grüssen sie einander/ im begegnen. Alle Teutschen leben gemeiniglich auff die Wercktagen in Essen/ trincken/ vnd Kleydungen sparlich/ auff die Feyertäge aber etwas besser. Die Arbeitsleuth Essen deß Tages viermal/ die aber in Ruhe leben/ zweymahl. Die Mäñer tragen gewöhnlich Wüllen Kleydung/ vnnd die Weiber Leinen: Solche sind aber so vnderschiedlich von Farben vnd gestalt/ daß bald keiner wie der ander gekleidt gehet/ sonderlich aber haben sie Lust zu newer Gattung/ zu Italienische/ Frantzösischer/ Engellendischer vnd anderer Landtschafften art/ daß sie nicht wol zu beschreiben. Wenn sie leydt tragen/ kley-

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Zitationshilfe: Beatus, Georg: Amphitheatrvm Naturae, Schawplatz Menschlicher Herzlichkeit. Frankfurt, 1614, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beatus_amphitheatrum_1614/179>, abgerufen am 17.05.2024.