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Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895.

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zu sehen, wie sich vom Jahre 1849 an bei den verschiedenen Wahlen, die Wähler-
zahl prozentual auf die drei Wählerklassen vertheil en. Darnach hatten:

18491855185818611863186618671888 1893
1.Klasse:4,725,024,804,734,464,204,283,623,52pCt.
2. "12,5913,8613,4213,4912,7812,3412,1810,8212,06"
3."82,6981,0981,7881,7782,7683,5483,5485,5684,42"

Der Vergleich ergiebt, daß die Zahl der Wähler 1. Klasse in diesem Zeit-
raum von 4,72 pCt. in 1849 auf 3,52 pCt. in 1893, die Wähler 2. Klasse von
12,59 pCt. in 1849 auf 12,06 in 1893 sanken, daß dagegen die Wählerschaft
der 3. Klasse von 82,69 pCt. in 1849 auf 84,42 pCt. in 1893 wuchs.

Die angegebenen Zahlen repräsentiren das Ergebnis, des Durchschnittes
in der Monarchie
. Die Wählerschaft ist aber in jedem Wahlbezirk eine
andere
; je nachdem die Einkommensverhältnisse der einzelnen Wahlkreise be-
schaffen sind, je nachdem ein Wahlkreis ein ländlicher oder ein industrieller oder
städtischer sc. ist, je nachdem er eine dünne, mittlere oder dichte Bevölkerung hat,
ändert sich die Eintheilung. Ein Wähler 1. oder 2. Klasse in einem Wahlkreis
hat keineswegs die Sicherheit, ein Wähler 1. oder 2. Klasse in einem Nachbar-
kreise oder in einem beliebigen anderen Wahlkreise zu sein. Wer in dem Wahl-
kreis A Wähler 1. Klasse ist, kann im Wahlkreis B, C u. s. w. Wähler 3. Klasse
sein. Und ein Wähler 3. Klasse im Wahlkreise E kann Wähler 1. Klasse sein,
wenn er im Wahlkreise F wohnt.

Das System des Dreiklassen-Wahlsystems ist, kein System zu sein. Der
Zufall entscheidet.

Die Willkürlichkeiten und Zufälligkeiten des Systems sind aber noch gesteigert
worden, nachdem seit 1890 durch die Gesetzgebung angeordnet wurde, daß die Be-
rechnung der einzelnen Steuerklassen nicht mehr nach dem Steuerbetrag des ganzen
Wahlkreises
, sondern nach dem der einzelnen Urwahlbezirke, von denen der
einzelne mindestens 750 und höchstens 1749 Seelen umfassen darf, vorgenommen werden.

Hatte früher z. B. ein Wahlkreis einen direkten Staatssteuerbetrag von
300000 Mk. aufzubringen, so entfielen auf jede der drei Klassen 100000 Mk.
Steuern. Besaß die 1. Klasse 30 Wähler, die 2. Klasse 85 und die 3. Klasse
750 Wähler, so war sicher, daß die 30 reichsten Leute die 1. Wählerklasse, die
85 Nächstreichen die 2. Klasse und die 750 Minderwohlhabenden oder Nichts-
besitzenden des Wahlkreises die 3. Wählerklasse bildeten. Darin lag noch ein ge-
wisses System für den einzelnen Wahlkreis. Durch die Drittelung der Steuer in
den Urwahlbezirken werden aber die größten Absurditäten herbeigeführt, sogar
innerhalb des einzelnen Wahlkreises. Hing nach der früheren Eintheilung für
einen großen Theil der Wähler die Wählerklasse von dem Wahlkreis ab, dem
sie angehörten, so hängt sie jetzt ab von dem Urwahlbezirk, in dem sie wohnen,
d. h. es kommt darauf an, in welchem Ort, in welcher Straße eines bestimmten
Ortes, ja in welcher Hausnummer einer bestimmten Straße sie wohnen. End-
lich hängt bei dem ganzen System für den Einzelnen auch oft von dem Buch-
staben des Alphabets ab, mit dem sein Name beginnt, ob er in die 1. oder 2.,
in die 2. oder 3. Klasse kommt.

Hätte man eine Prämie darauf gesetzt, ein Wahlsystem zu erfinden, das
durch seine Komplizirtheit wie durch seine Widersprüche und Systemlosigkeit sich
auszeichnete und geeignet sei, zum öffentlichen Spotte zu werden, der preußi-
schen Regierung und den preußischen Kammern gebührte der Preis
.

Wie die plutokratische Wirkung des Wahlsystems bewirkte, daß die Zahl
der Wähler 1. Klasse stetig sank, die der 3. stetig wuchs, mögen weiter einige
Angaben aus einzelnen Städten und Orten beweisen:

Berlin hatte Wahlberechtigte in der
1. Abtheilung2. Abtheilung3. Abtheilung
1849   2350 = 3,1 pCt.7232 = 9,4 pCt.67375 = 87,5 pCt.
1893   5930 = 1,7 "28233 = 8,2 "347782 = 90,1 "

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zu sehen, wie sich vom Jahre 1849 an bei den verschiedenen Wahlen, die Wähler-
zahl prozentual auf die drei Wählerklassen vertheil en. Darnach hatten:

18491855185818611863186618671888 1893
1.Klasse:4,725,024,804,734,464,204,283,623,52pCt.
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3.82,6981,0981,7881,7782,7683,5483,5485,5684,42

Der Vergleich ergiebt, daß die Zahl der Wähler 1. Klasse in diesem Zeit-
raum von 4,72 pCt. in 1849 auf 3,52 pCt. in 1893, die Wähler 2. Klasse von
12,59 pCt. in 1849 auf 12,06 in 1893 sanken, daß dagegen die Wählerschaft
der 3. Klasse von 82,69 pCt. in 1849 auf 84,42 pCt. in 1893 wuchs.

Die angegebenen Zahlen repräsentiren das Ergebnis, des Durchschnittes
in der Monarchie
. Die Wählerschaft ist aber in jedem Wahlbezirk eine
andere
; je nachdem die Einkommensverhältnisse der einzelnen Wahlkreise be-
schaffen sind, je nachdem ein Wahlkreis ein ländlicher oder ein industrieller oder
städtischer sc. ist, je nachdem er eine dünne, mittlere oder dichte Bevölkerung hat,
ändert sich die Eintheilung. Ein Wähler 1. oder 2. Klasse in einem Wahlkreis
hat keineswegs die Sicherheit, ein Wähler 1. oder 2. Klasse in einem Nachbar-
kreise oder in einem beliebigen anderen Wahlkreise zu sein. Wer in dem Wahl-
kreis A Wähler 1. Klasse ist, kann im Wahlkreis B, C u. s. w. Wähler 3. Klasse
sein. Und ein Wähler 3. Klasse im Wahlkreise E kann Wähler 1. Klasse sein,
wenn er im Wahlkreise F wohnt.

Das System des Dreiklassen-Wahlsystems ist, kein System zu sein. Der
Zufall entscheidet.

Die Willkürlichkeiten und Zufälligkeiten des Systems sind aber noch gesteigert
worden, nachdem seit 1890 durch die Gesetzgebung angeordnet wurde, daß die Be-
rechnung der einzelnen Steuerklassen nicht mehr nach dem Steuerbetrag des ganzen
Wahlkreises
, sondern nach dem der einzelnen Urwahlbezirke, von denen der
einzelne mindestens 750 und höchstens 1749 Seelen umfassen darf, vorgenommen werden.

Hatte früher z. B. ein Wahlkreis einen direkten Staatssteuerbetrag von
300000 Mk. aufzubringen, so entfielen auf jede der drei Klassen 100000 Mk.
Steuern. Besaß die 1. Klasse 30 Wähler, die 2. Klasse 85 und die 3. Klasse
750 Wähler, so war sicher, daß die 30 reichsten Leute die 1. Wählerklasse, die
85 Nächstreichen die 2. Klasse und die 750 Minderwohlhabenden oder Nichts-
besitzenden des Wahlkreises die 3. Wählerklasse bildeten. Darin lag noch ein ge-
wisses System für den einzelnen Wahlkreis. Durch die Drittelung der Steuer in
den Urwahlbezirken werden aber die größten Absurditäten herbeigeführt, sogar
innerhalb des einzelnen Wahlkreises. Hing nach der früheren Eintheilung für
einen großen Theil der Wähler die Wählerklasse von dem Wahlkreis ab, dem
sie angehörten, so hängt sie jetzt ab von dem Urwahlbezirk, in dem sie wohnen,
d. h. es kommt darauf an, in welchem Ort, in welcher Straße eines bestimmten
Ortes, ja in welcher Hausnummer einer bestimmten Straße sie wohnen. End-
lich hängt bei dem ganzen System für den Einzelnen auch oft von dem Buch-
staben des Alphabets ab, mit dem sein Name beginnt, ob er in die 1. oder 2.,
in die 2. oder 3. Klasse kommt.

Hätte man eine Prämie darauf gesetzt, ein Wahlsystem zu erfinden, das
durch seine Komplizirtheit wie durch seine Widersprüche und Systemlosigkeit sich
auszeichnete und geeignet sei, zum öffentlichen Spotte zu werden, der preußi-
schen Regierung und den preußischen Kammern gebührte der Preis
.

Wie die plutokratische Wirkung des Wahlsystems bewirkte, daß die Zahl
der Wähler 1. Klasse stetig sank, die der 3. stetig wuchs, mögen weiter einige
Angaben aus einzelnen Städten und Orten beweisen:

Berlin hatte Wahlberechtigte in der
1. Abtheilung2. Abtheilung3. Abtheilung
1849   2350 = 3,1 pCt.7232 = 9,4 pCt.67375 = 87,5 pCt.
1893   5930 = 1,7 〃28233 = 8,2 〃347782 = 90,1 〃

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[19/0023] zu sehen, wie sich vom Jahre 1849 an bei den verschiedenen Wahlen, die Wähler- zahl prozentual auf die drei Wählerklassen vertheil en. Darnach hatten: 1849 1855 1858 1861 1863 1866 1867 1888 1893 1. Klasse: 4,72 5,02 4,80 4,73 4,46 4,20 4,28 3,62 3,52 pCt. 2. 〃 12,59 13,86 13,42 13,49 12,78 12,34 12,18 10,82 12,06 〃 3. 〃 82,69 81,09 81,78 81,77 82,76 83,54 83,54 85,56 84,42 〃 Der Vergleich ergiebt, daß die Zahl der Wähler 1. Klasse in diesem Zeit- raum von 4,72 pCt. in 1849 auf 3,52 pCt. in 1893, die Wähler 2. Klasse von 12,59 pCt. in 1849 auf 12,06 in 1893 sanken, daß dagegen die Wählerschaft der 3. Klasse von 82,69 pCt. in 1849 auf 84,42 pCt. in 1893 wuchs. Die angegebenen Zahlen repräsentiren das Ergebnis, des Durchschnittes in der Monarchie. Die Wählerschaft ist aber in jedem Wahlbezirk eine andere; je nachdem die Einkommensverhältnisse der einzelnen Wahlkreise be- schaffen sind, je nachdem ein Wahlkreis ein ländlicher oder ein industrieller oder städtischer sc. ist, je nachdem er eine dünne, mittlere oder dichte Bevölkerung hat, ändert sich die Eintheilung. Ein Wähler 1. oder 2. Klasse in einem Wahlkreis hat keineswegs die Sicherheit, ein Wähler 1. oder 2. Klasse in einem Nachbar- kreise oder in einem beliebigen anderen Wahlkreise zu sein. Wer in dem Wahl- kreis A Wähler 1. Klasse ist, kann im Wahlkreis B, C u. s. w. Wähler 3. Klasse sein. Und ein Wähler 3. Klasse im Wahlkreise E kann Wähler 1. Klasse sein, wenn er im Wahlkreise F wohnt. Das System des Dreiklassen-Wahlsystems ist, kein System zu sein. Der Zufall entscheidet. Die Willkürlichkeiten und Zufälligkeiten des Systems sind aber noch gesteigert worden, nachdem seit 1890 durch die Gesetzgebung angeordnet wurde, daß die Be- rechnung der einzelnen Steuerklassen nicht mehr nach dem Steuerbetrag des ganzen Wahlkreises, sondern nach dem der einzelnen Urwahlbezirke, von denen der einzelne mindestens 750 und höchstens 1749 Seelen umfassen darf, vorgenommen werden. Hatte früher z. B. ein Wahlkreis einen direkten Staatssteuerbetrag von 300000 Mk. aufzubringen, so entfielen auf jede der drei Klassen 100000 Mk. Steuern. Besaß die 1. Klasse 30 Wähler, die 2. Klasse 85 und die 3. Klasse 750 Wähler, so war sicher, daß die 30 reichsten Leute die 1. Wählerklasse, die 85 Nächstreichen die 2. Klasse und die 750 Minderwohlhabenden oder Nichts- besitzenden des Wahlkreises die 3. Wählerklasse bildeten. Darin lag noch ein ge- wisses System für den einzelnen Wahlkreis. Durch die Drittelung der Steuer in den Urwahlbezirken werden aber die größten Absurditäten herbeigeführt, sogar innerhalb des einzelnen Wahlkreises. Hing nach der früheren Eintheilung für einen großen Theil der Wähler die Wählerklasse von dem Wahlkreis ab, dem sie angehörten, so hängt sie jetzt ab von dem Urwahlbezirk, in dem sie wohnen, d. h. es kommt darauf an, in welchem Ort, in welcher Straße eines bestimmten Ortes, ja in welcher Hausnummer einer bestimmten Straße sie wohnen. End- lich hängt bei dem ganzen System für den Einzelnen auch oft von dem Buch- staben des Alphabets ab, mit dem sein Name beginnt, ob er in die 1. oder 2., in die 2. oder 3. Klasse kommt. Hätte man eine Prämie darauf gesetzt, ein Wahlsystem zu erfinden, das durch seine Komplizirtheit wie durch seine Widersprüche und Systemlosigkeit sich auszeichnete und geeignet sei, zum öffentlichen Spotte zu werden, der preußi- schen Regierung und den preußischen Kammern gebührte der Preis. Wie die plutokratische Wirkung des Wahlsystems bewirkte, daß die Zahl der Wähler 1. Klasse stetig sank, die der 3. stetig wuchs, mögen weiter einige Angaben aus einzelnen Städten und Orten beweisen: Berlin hatte Wahlberechtigte in der 1. Abtheilung 2. Abtheilung 3. Abtheilung 1849 2350 = 3,1 pCt. 7232 = 9,4 pCt. 67375 = 87,5 pCt. 1893 5930 = 1,7 〃 28233 = 8,2 〃 347782 = 90,1 〃 2*

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-10-30T15:09:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-10-30T15:09:45Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bebel_sozialdemokratie_1895/23>, abgerufen am 21.11.2024.