Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:
<< vorherige Seite
Psychosophia.

Zweytens/ ist auch sehr viel daran gelegen/
daß der Mensch auff seine Seele Achtung gebe/
und ja zusehe/ daß sie von dem Leib und Gemüth
nicht in Passionen verführt und verwirret werde/
dann eine solche unruhige Seele plagt und betrübt
hernach ihren eigenen Leib/ worwider hernach Do-
ctor und Medicinen wenig etwas richten können/
wie viel sind aus Lieb und Hoffart/ Narren und im
Sinn verrückt worden? wie viel haben durch Zorn
die hinfallende Kranckheit bekomme? Ja/ schwan-
gere Weiber die Frucht in Mutter Leib ertödtet/ wie
viel sind durch Betrübnuß und Kümmerniß aus-
gezehret/ verdorret und gestorben/ wie vielen hat
Kummer und Sorgen graue Haar gemacht/ wie
mancher hat vor Rachgier und Neid nicht schlaf-
fenkönnen/ sondern ein Schwindfieber bekom-
men und daran gestorben. Solche Kranckhei-
ten nun deß Gemüths seyn viel schlimmer zu curi-
ren als des Leibs/ eine wohl geschickte Seel aber/
wird sich darinnen selbst zu helffen wissen/ wann
sie die Psychosophie oder ihr eigene Natur wol
ergründet/ und dieses Absehen auff GOtt macht/
von welchem sie bestrahlet wird/ in dessen Willen
sie sich in allem zu begeben hat; beyneben dienet
auch viel darzu/ daß die Seel betrachte/ daß alles/
was nicht zu ihrem contento dienet/ vergeblich
und vergänglich/ ja derselben mehr verhinderlich
als beförderlich sey/ derentwegen weder zu ver-

langen/
Pſychoſophia.

Zweytens/ iſt auch ſehr viel daran gelegen/
daß der Menſch auff ſeine Seele Achtung gebe/
und ja zuſehe/ daß ſie von dem Leib und Gemuͤth
nicht in Paſſionen verfuͤhrt und verwirret werde/
dann eine ſolche unꝛuhige Seele plagt und betruͤbt
hernach ihren eigenen Leib/ worwider hernach Do-
ctor und Medicinen wenig etwas richten koͤnnen/
wie viel ſind aus Lieb und Hoffart/ Narren und im
Sinn verꝛuͤckt woꝛden? wie viel haben durch Zorn
die hinfallende Kranckheit bekomme? Ja/ ſchwan-
geꝛe Weiber die Fꝛucht in Mutter Leib ertoͤdtet/ wie
viel ſind durch Betruͤbnuß und Kuͤmmerniß aus-
gezehret/ verdorret und geſtorben/ wie vielen hat
Kummer und Sorgen graue Haar gemacht/ wie
mancher hat vor Rachgier und Neid nicht ſchlaf-
fenkoͤnnen/ ſondern ein Schwindfieber bekom-
men und daran geſtorben. Solche Kranckhei-
ten nun deß Gemuͤths ſeyn viel ſchlimmer zu curi-
ren als des Leibs/ eine wohl geſchickte Seel aber/
wird ſich darinnen ſelbſt zu helffen wiſſen/ wann
ſie die Pſychoſophie oder ihr eigene Natur wol
ergruͤndet/ und dieſes Abſehen auff GOtt macht/
von welchem ſie beſtrahlet wird/ in deſſen Willen
ſie ſich in allem zu begeben hat; beyneben dienet
auch viel darzu/ daß die Seel betrachte/ daß alles/
was nicht zu ihrem contento dienet/ vergeblich
und vergaͤnglich/ ja derſelben mehr verhinderlich
als befoͤrderlich ſey/ derentwegen weder zu ver-

langen/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0246" n="188"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">P&#x017F;ycho&#x017F;ophia.</hi> </fw><lb/>
            <p>Zweytens/ i&#x017F;t auch &#x017F;ehr viel daran gelegen/<lb/>
daß der Men&#x017F;ch auff &#x017F;eine Seele Achtung gebe/<lb/>
und ja zu&#x017F;ehe/ daß &#x017F;ie von dem Leib und Gemu&#x0364;th<lb/>
nicht in Pa&#x017F;&#x017F;ionen verfu&#x0364;hrt und verwirret werde/<lb/>
dann eine &#x017F;olche un&#xA75B;uhige Seele plagt und betru&#x0364;bt<lb/>
hernach ihren eigenen Leib/ worwider hernach Do-<lb/>
ctor und Medicinen wenig etwas richten ko&#x0364;nnen/<lb/>
wie viel &#x017F;ind aus Lieb und Hoffart/ Narren und im<lb/>
Sinn ver&#xA75B;u&#x0364;ckt wo&#xA75B;den? wie viel haben durch Zorn<lb/>
die hinfallende Kranckheit bekomme? Ja/ &#x017F;chwan-<lb/>
ge&#xA75B;e Weiber die F&#xA75B;ucht in Mutter Leib erto&#x0364;dtet/ wie<lb/>
viel &#x017F;ind durch Betru&#x0364;bnuß und Ku&#x0364;mmerniß aus-<lb/>
gezehret/ verdorret und ge&#x017F;torben/ wie vielen hat<lb/>
Kummer und Sorgen graue Haar gemacht/ wie<lb/>
mancher hat vor Rachgier und Neid nicht &#x017F;chlaf-<lb/>
fenko&#x0364;nnen/ &#x017F;ondern ein Schwindfieber bekom-<lb/>
men und daran ge&#x017F;torben. Solche Kranckhei-<lb/>
ten nun deß Gemu&#x0364;ths &#x017F;eyn viel &#x017F;chlimmer zu curi-<lb/>
ren als des Leibs/ eine wohl ge&#x017F;chickte Seel aber/<lb/>
wird &#x017F;ich darinnen &#x017F;elb&#x017F;t zu helffen wi&#x017F;&#x017F;en/ wann<lb/>
&#x017F;ie die <hi rendition="#aq">P&#x017F;ycho&#x017F;ophie</hi> oder ihr eigene Natur wol<lb/>
ergru&#x0364;ndet/ und die&#x017F;es Ab&#x017F;ehen auff GOtt macht/<lb/>
von welchem &#x017F;ie be&#x017F;trahlet wird/ in de&#x017F;&#x017F;en Willen<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich in allem zu begeben hat; beyneben dienet<lb/>
auch viel darzu/ daß die Seel betrachte/ daß alles/<lb/>
was nicht zu ihrem <hi rendition="#aq">contento</hi> dienet/ vergeblich<lb/>
und verga&#x0364;nglich/ ja der&#x017F;elben mehr verhinderlich<lb/>
als befo&#x0364;rderlich &#x017F;ey/ derentwegen weder zu ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">langen/</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0246] Pſychoſophia. Zweytens/ iſt auch ſehr viel daran gelegen/ daß der Menſch auff ſeine Seele Achtung gebe/ und ja zuſehe/ daß ſie von dem Leib und Gemuͤth nicht in Paſſionen verfuͤhrt und verwirret werde/ dann eine ſolche unꝛuhige Seele plagt und betruͤbt hernach ihren eigenen Leib/ worwider hernach Do- ctor und Medicinen wenig etwas richten koͤnnen/ wie viel ſind aus Lieb und Hoffart/ Narren und im Sinn verꝛuͤckt woꝛden? wie viel haben durch Zorn die hinfallende Kranckheit bekomme? Ja/ ſchwan- geꝛe Weiber die Fꝛucht in Mutter Leib ertoͤdtet/ wie viel ſind durch Betruͤbnuß und Kuͤmmerniß aus- gezehret/ verdorret und geſtorben/ wie vielen hat Kummer und Sorgen graue Haar gemacht/ wie mancher hat vor Rachgier und Neid nicht ſchlaf- fenkoͤnnen/ ſondern ein Schwindfieber bekom- men und daran geſtorben. Solche Kranckhei- ten nun deß Gemuͤths ſeyn viel ſchlimmer zu curi- ren als des Leibs/ eine wohl geſchickte Seel aber/ wird ſich darinnen ſelbſt zu helffen wiſſen/ wann ſie die Pſychoſophie oder ihr eigene Natur wol ergruͤndet/ und dieſes Abſehen auff GOtt macht/ von welchem ſie beſtrahlet wird/ in deſſen Willen ſie ſich in allem zu begeben hat; beyneben dienet auch viel darzu/ daß die Seel betrachte/ daß alles/ was nicht zu ihrem contento dienet/ vergeblich und vergaͤnglich/ ja derſelben mehr verhinderlich als befoͤrderlich ſey/ derentwegen weder zu ver- langen/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/246
Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/246>, abgerufen am 21.11.2024.