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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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hin, zitternd und bebend, und sagte nichts, als "Sohn! Sohn!" -- Nicht schildern kann ich den Eindruck, den diese Worte und der Zustand des alten Mannes auf mich machten; sein Gesicht sah tief verstört aus, es war, als habe diese unselige Viertelstunde ihn ein Jahrzehnt älter gemacht. Und ich, was sollte, was konnte ich erwiedern? Ich suchte mich zu fassen, ich sprach so ruhig und demüthig als möglich: Bester Vater! zürnt nicht allzuheftig, bevor Ihr meine Rechtfertigung gehört habt. Nie kann und werde ich in die Hand der Jungfrau Sibylla Nikodema van Swammerdam meine Hand als Gatte legen -- nein -- nie und nimmermehr.

Gut, mein Sohn Leonardus, keuchte mein Vater zitternd und bebend als Antwort. Du hast ganz deinen Willen! Ich spiele nicht mit Comödie! Ich gebe dir keinen Fluch, das fällt mir nicht ein! Mein Fluch wäre viel zu gut für dich! Ich bleibe der alte Adrianus van der Valck, und dir bleibt, wenn ich die Augen schließe -- verstehe mich wohl und recht -- die Hälfte des Pflichttheils und kein einziger armseliger Deut mehr als die Hälfte deines Pflichttheils, das sei bei dem ewigen, allsehenden und allgerechten Gott geschworen!

Meine Mutter stieß einen Schrei des Schreckens aus; mein Vater brach zusammen, was ich that, was nun geschah, weiß ich nicht mehr; erst bei dir, mein Ludwig, in deinen Armen, an deinem Freundesherzen fand ich Trost, Beruhigung und meine ganz gebrochene Mannheit wieder.

Und was mich marterte und quälte in jener bangen, angstvollen, verhängnißvollen Stunde, fügte nun wieder Ludwig hinzu: das durft' ich dir und Anges damals ja gar nicht sagen, denn vielleicht hätte dann mich, ja mich euere vereinte Verwünschung getroffen.

Wie? Unsere Verwünschung? fragten Leonardus und Anges mit einem Munde, und Windt horchte mit verdoppelter Aufmerksamkeit der Weiterrede des Jünglings.

Oh, liebe Freunde! seufzte Ludwig. Was euch traf, war der Fluch einer bittern Stunde, der herbsten, schmerzlichsten, die ich noch je durchlebt. Sie entsinnen sich jenes unheilvollen Abends zu Schloß Varel, bester Freund Windt. Ich war es, der damals jene Stunde mit einem Fluche belegte, und die furchtbare Erfüllung dieses Fluches macht mich an eine dunkele dämonische Macht glauben, die unsichtbar

hin, zitternd und bebend, und sagte nichts, als „Sohn! Sohn!“ — Nicht schildern kann ich den Eindruck, den diese Worte und der Zustand des alten Mannes auf mich machten; sein Gesicht sah tief verstört aus, es war, als habe diese unselige Viertelstunde ihn ein Jahrzehnt älter gemacht. Und ich, was sollte, was konnte ich erwiedern? Ich suchte mich zu fassen, ich sprach so ruhig und demüthig als möglich: Bester Vater! zürnt nicht allzuheftig, bevor Ihr meine Rechtfertigung gehört habt. Nie kann und werde ich in die Hand der Jungfrau Sibylla Nikodema van Swammerdam meine Hand als Gatte legen — nein — nie und nimmermehr.

Gut, mein Sohn Leonardus, keuchte mein Vater zitternd und bebend als Antwort. Du hast ganz deinen Willen! Ich spiele nicht mit Comödie! Ich gebe dir keinen Fluch, das fällt mir nicht ein! Mein Fluch wäre viel zu gut für dich! Ich bleibe der alte Adrianus van der Valck, und dir bleibt, wenn ich die Augen schließe — verstehe mich wohl und recht — die Hälfte des Pflichttheils und kein einziger armseliger Deut mehr als die Hälfte deines Pflichttheils, das sei bei dem ewigen, allsehenden und allgerechten Gott geschworen!

Meine Mutter stieß einen Schrei des Schreckens aus; mein Vater brach zusammen, was ich that, was nun geschah, weiß ich nicht mehr; erst bei dir, mein Ludwig, in deinen Armen, an deinem Freundesherzen fand ich Trost, Beruhigung und meine ganz gebrochene Mannheit wieder.

Und was mich marterte und quälte in jener bangen, angstvollen, verhängnißvollen Stunde, fügte nun wieder Ludwig hinzu: das durft’ ich dir und Angés damals ja gar nicht sagen, denn vielleicht hätte dann mich, ja mich euere vereinte Verwünschung getroffen.

Wie? Unsere Verwünschung? fragten Leonardus und Angés mit einem Munde, und Windt horchte mit verdoppelter Aufmerksamkeit der Weiterrede des Jünglings.

Oh, liebe Freunde! seufzte Ludwig. Was euch traf, war der Fluch einer bittern Stunde, der herbsten, schmerzlichsten, die ich noch je durchlebt. Sie entsinnen sich jenes unheilvollen Abends zu Schloß Varel, bester Freund Windt. Ich war es, der damals jene Stunde mit einem Fluche belegte, und die furchtbare Erfüllung dieses Fluches macht mich an eine dunkele dämonische Macht glauben, die unsichtbar

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          <p>Gut, mein Sohn Leonardus, keuchte mein Vater zitternd und bebend als Antwort. Du hast ganz deinen Willen! Ich spiele nicht mit Comödie! Ich gebe dir keinen Fluch, das fällt mir nicht ein! Mein Fluch wäre viel zu gut für dich! Ich bleibe der alte Adrianus van der Valck, und dir bleibt, wenn ich die Augen schließe &#x2014; verstehe mich wohl und recht &#x2014; die Hälfte des Pflichttheils und kein einziger armseliger Deut mehr als die Hälfte deines Pflichttheils, das sei bei dem ewigen, allsehenden und allgerechten Gott geschworen!</p>
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[149/0153] hin, zitternd und bebend, und sagte nichts, als „Sohn! Sohn!“ — Nicht schildern kann ich den Eindruck, den diese Worte und der Zustand des alten Mannes auf mich machten; sein Gesicht sah tief verstört aus, es war, als habe diese unselige Viertelstunde ihn ein Jahrzehnt älter gemacht. Und ich, was sollte, was konnte ich erwiedern? Ich suchte mich zu fassen, ich sprach so ruhig und demüthig als möglich: Bester Vater! zürnt nicht allzuheftig, bevor Ihr meine Rechtfertigung gehört habt. Nie kann und werde ich in die Hand der Jungfrau Sibylla Nikodema van Swammerdam meine Hand als Gatte legen — nein — nie und nimmermehr. Gut, mein Sohn Leonardus, keuchte mein Vater zitternd und bebend als Antwort. Du hast ganz deinen Willen! Ich spiele nicht mit Comödie! Ich gebe dir keinen Fluch, das fällt mir nicht ein! Mein Fluch wäre viel zu gut für dich! Ich bleibe der alte Adrianus van der Valck, und dir bleibt, wenn ich die Augen schließe — verstehe mich wohl und recht — die Hälfte des Pflichttheils und kein einziger armseliger Deut mehr als die Hälfte deines Pflichttheils, das sei bei dem ewigen, allsehenden und allgerechten Gott geschworen! Meine Mutter stieß einen Schrei des Schreckens aus; mein Vater brach zusammen, was ich that, was nun geschah, weiß ich nicht mehr; erst bei dir, mein Ludwig, in deinen Armen, an deinem Freundesherzen fand ich Trost, Beruhigung und meine ganz gebrochene Mannheit wieder. Und was mich marterte und quälte in jener bangen, angstvollen, verhängnißvollen Stunde, fügte nun wieder Ludwig hinzu: das durft’ ich dir und Angés damals ja gar nicht sagen, denn vielleicht hätte dann mich, ja mich euere vereinte Verwünschung getroffen. Wie? Unsere Verwünschung? fragten Leonardus und Angés mit einem Munde, und Windt horchte mit verdoppelter Aufmerksamkeit der Weiterrede des Jünglings. Oh, liebe Freunde! seufzte Ludwig. Was euch traf, war der Fluch einer bittern Stunde, der herbsten, schmerzlichsten, die ich noch je durchlebt. Sie entsinnen sich jenes unheilvollen Abends zu Schloß Varel, bester Freund Windt. Ich war es, der damals jene Stunde mit einem Fluche belegte, und die furchtbare Erfüllung dieses Fluches macht mich an eine dunkele dämonische Macht glauben, die unsichtbar

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/153>, abgerufen am 24.11.2024.