Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.und beruhigt war ihr Gemüth, daß ihr Geheimniß so trefflich bewahrt blieb, daß Niemand die leiseste Ahnung davon hatte, daß sie vor ihrer Vermählung schon einmal Mutter geworden. War sie denn diesem Sohne gar nichts schuldig? Sollte die einfache Gabe des Lebens sein ganzes mütterliches Erbtheil sein? Alle diese Gedanken fuhren wie Blitze durch der Herzogin Seele, indem sie schweigend in ihrer Hoheit und Schönheitfülle dastand und manche Blicke an ihr bewundernd hingen. Niemand aber ahnte, was hinter diesen sanft gesenkten Wimpern, hinter dieser herrlich geformten Stirne von rosigem Marmor leuchtete. Sie gelobte sich, Versäumtes gut zu machen. Die Reichsgräfin hatte indeß gegen den Prinzen das Wort genommen: Was Sie empfinden und aussprachen, mein Prinz, war eine gute und edle Entgegnung, und Jeder wird die Gefühle ehren, denen Sie im Namen aller Ihrer unglücklichen Landsleute so eben Worte gaben. Doch möchte ich, da wir uns eben mit den Federn fremder Gedanken schmücken, als mahnenden Zuruf ein Wort meines Lieblingsdichters zur Geltung bringen, und ich wünsche, ich könnte dasselbe für eine große Anzahl Ihrer Landsleute zum Glaubensartikel erheben; mein Dichter ist Horaz, und seine Worte, die ich meine, sind diese: "Wem allzusehr das Glück die Seele schwellte, den erschrecken die Wechsel der Geschicke auf das Heftigste. Denn von Allem, was wir bewunderten, reißen wir uns ungern los. Fliehe das große Leben! Es ist gestattet, unter niederem Dach Könige und Königsfreunde zu übertreffen." Und Könige und Königsfreunde zu bleiben! fiel die Prinzessin von Rohan-Rochefort ein, welche den Sprechenden nahe getreten war und diese Worte vernommen hatte. Zur Reichsgräfin gewendet, fuhr sie fort: Gewiß, Comtesse, dies ist ein schönes Wort, und wir, die Meinen und ich, haben es bereits zur Wahrheit gemacht. Die Gnade des Markgrafen von Baden hat uns in seinem Lande ein stilles Asyl gewährt; ich wünschte es nie zu verlassen! Glücklich Die, Prinzessin, welche leichthin ein Vaterland aufzugeben und es mit einem andern Lande zu vertauschen vermögen ohne Kummer und nagenden Schmerz in der Seele! sprach mit bewegter Stimme der Prinz Talmont und mit sanftem Vorwurf, den er durch den Zusatz und beruhigt war ihr Gemüth, daß ihr Geheimniß so trefflich bewahrt blieb, daß Niemand die leiseste Ahnung davon hatte, daß sie vor ihrer Vermählung schon einmal Mutter geworden. War sie denn diesem Sohne gar nichts schuldig? Sollte die einfache Gabe des Lebens sein ganzes mütterliches Erbtheil sein? Alle diese Gedanken fuhren wie Blitze durch der Herzogin Seele, indem sie schweigend in ihrer Hoheit und Schönheitfülle dastand und manche Blicke an ihr bewundernd hingen. Niemand aber ahnte, was hinter diesen sanft gesenkten Wimpern, hinter dieser herrlich geformten Stirne von rosigem Marmor leuchtete. Sie gelobte sich, Versäumtes gut zu machen. Die Reichsgräfin hatte indeß gegen den Prinzen das Wort genommen: Was Sie empfinden und aussprachen, mein Prinz, war eine gute und edle Entgegnung, und Jeder wird die Gefühle ehren, denen Sie im Namen aller Ihrer unglücklichen Landsleute so eben Worte gaben. Doch möchte ich, da wir uns eben mit den Federn fremder Gedanken schmücken, als mahnenden Zuruf ein Wort meines Lieblingsdichters zur Geltung bringen, und ich wünsche, ich könnte dasselbe für eine große Anzahl Ihrer Landsleute zum Glaubensartikel erheben; mein Dichter ist Horaz, und seine Worte, die ich meine, sind diese: „Wem allzusehr das Glück die Seele schwellte, den erschrecken die Wechsel der Geschicke auf das Heftigste. Denn von Allem, was wir bewunderten, reißen wir uns ungern los. Fliehe das große Leben! Es ist gestattet, unter niederem Dach Könige und Königsfreunde zu übertreffen.“ Und Könige und Königsfreunde zu bleiben! fiel die Prinzessin von Rohan-Rochefort ein, welche den Sprechenden nahe getreten war und diese Worte vernommen hatte. Zur Reichsgräfin gewendet, fuhr sie fort: Gewiß, Comtesse, dies ist ein schönes Wort, und wir, die Meinen und ich, haben es bereits zur Wahrheit gemacht. Die Gnade des Markgrafen von Baden hat uns in seinem Lande ein stilles Asyl gewährt; ich wünschte es nie zu verlassen! Glücklich Die, Prinzessin, welche leichthin ein Vaterland aufzugeben und es mit einem andern Lande zu vertauschen vermögen ohne Kummer und nagenden Schmerz in der Seele! sprach mit bewegter Stimme der Prinz Talmont und mit sanftem Vorwurf, den er durch den Zusatz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0240" n="236"/> und beruhigt war ihr Gemüth, daß ihr Geheimniß so trefflich bewahrt blieb, daß Niemand die leiseste Ahnung davon hatte, daß sie vor ihrer Vermählung schon einmal Mutter geworden. War sie denn diesem Sohne gar nichts schuldig? Sollte die einfache Gabe des Lebens sein ganzes mütterliches Erbtheil sein?</p> <p>Alle diese Gedanken fuhren wie Blitze durch der Herzogin Seele, indem sie schweigend in ihrer Hoheit und Schönheitfülle dastand und manche Blicke an ihr bewundernd hingen. Niemand aber ahnte, was hinter diesen sanft gesenkten Wimpern, hinter dieser herrlich geformten Stirne von rosigem Marmor leuchtete. Sie gelobte sich, Versäumtes gut zu machen.</p> <p>Die Reichsgräfin hatte indeß gegen den Prinzen das Wort genommen: Was Sie empfinden und aussprachen, mein Prinz, war eine gute und edle Entgegnung, und Jeder wird die Gefühle ehren, denen Sie im Namen aller Ihrer unglücklichen Landsleute so eben Worte gaben. Doch möchte ich, da wir uns eben mit den Federn fremder Gedanken schmücken, als mahnenden Zuruf ein Wort meines Lieblingsdichters zur Geltung bringen, und ich wünsche, ich könnte dasselbe für eine große Anzahl Ihrer Landsleute zum Glaubensartikel erheben; mein Dichter ist Horaz, und seine Worte, die ich meine, sind diese: „Wem allzusehr das Glück die Seele schwellte, den erschrecken die Wechsel der Geschicke auf das Heftigste. Denn von Allem, was wir bewunderten, reißen wir uns ungern los. Fliehe das große Leben! Es ist gestattet, unter niederem Dach Könige und Königsfreunde zu übertreffen.“ </p> <p>Und Könige und Königsfreunde zu bleiben! fiel die Prinzessin von Rohan-Rochefort ein, welche den Sprechenden nahe getreten war und diese Worte vernommen hatte. Zur Reichsgräfin gewendet, fuhr sie fort: Gewiß, Comtesse, dies ist ein schönes Wort, und wir, die Meinen und ich, haben es bereits zur Wahrheit gemacht. Die Gnade des Markgrafen von Baden hat uns in seinem Lande ein stilles Asyl gewährt; ich wünschte es nie zu verlassen!</p> <p>Glücklich Die, Prinzessin, welche leichthin ein Vaterland aufzugeben und es mit einem andern Lande zu vertauschen vermögen ohne Kummer und nagenden Schmerz in der Seele! sprach mit bewegter Stimme der Prinz Talmont und mit sanftem Vorwurf, den er durch den Zusatz </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0240]
und beruhigt war ihr Gemüth, daß ihr Geheimniß so trefflich bewahrt blieb, daß Niemand die leiseste Ahnung davon hatte, daß sie vor ihrer Vermählung schon einmal Mutter geworden. War sie denn diesem Sohne gar nichts schuldig? Sollte die einfache Gabe des Lebens sein ganzes mütterliches Erbtheil sein?
Alle diese Gedanken fuhren wie Blitze durch der Herzogin Seele, indem sie schweigend in ihrer Hoheit und Schönheitfülle dastand und manche Blicke an ihr bewundernd hingen. Niemand aber ahnte, was hinter diesen sanft gesenkten Wimpern, hinter dieser herrlich geformten Stirne von rosigem Marmor leuchtete. Sie gelobte sich, Versäumtes gut zu machen.
Die Reichsgräfin hatte indeß gegen den Prinzen das Wort genommen: Was Sie empfinden und aussprachen, mein Prinz, war eine gute und edle Entgegnung, und Jeder wird die Gefühle ehren, denen Sie im Namen aller Ihrer unglücklichen Landsleute so eben Worte gaben. Doch möchte ich, da wir uns eben mit den Federn fremder Gedanken schmücken, als mahnenden Zuruf ein Wort meines Lieblingsdichters zur Geltung bringen, und ich wünsche, ich könnte dasselbe für eine große Anzahl Ihrer Landsleute zum Glaubensartikel erheben; mein Dichter ist Horaz, und seine Worte, die ich meine, sind diese: „Wem allzusehr das Glück die Seele schwellte, den erschrecken die Wechsel der Geschicke auf das Heftigste. Denn von Allem, was wir bewunderten, reißen wir uns ungern los. Fliehe das große Leben! Es ist gestattet, unter niederem Dach Könige und Königsfreunde zu übertreffen.“
Und Könige und Königsfreunde zu bleiben! fiel die Prinzessin von Rohan-Rochefort ein, welche den Sprechenden nahe getreten war und diese Worte vernommen hatte. Zur Reichsgräfin gewendet, fuhr sie fort: Gewiß, Comtesse, dies ist ein schönes Wort, und wir, die Meinen und ich, haben es bereits zur Wahrheit gemacht. Die Gnade des Markgrafen von Baden hat uns in seinem Lande ein stilles Asyl gewährt; ich wünschte es nie zu verlassen!
Glücklich Die, Prinzessin, welche leichthin ein Vaterland aufzugeben und es mit einem andern Lande zu vertauschen vermögen ohne Kummer und nagenden Schmerz in der Seele! sprach mit bewegter Stimme der Prinz Talmont und mit sanftem Vorwurf, den er durch den Zusatz
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2013-01-22T14:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-22T14:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |