Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.milderte: Kindesliebe ist der Frauen Panier, Vaterlandsliebe das der Männer. Bleibe Jedem das Seine! Der Graf von Artois hatte alle seine schönen Redensarten verbraucht und gab der Gesellschaft das Zeichen zum Aufbruch, der auf seiner und seiner nächsten Umgebung Seite ebenso feierlich und ceremoniös war, wie sein Eintritt. Bald darauf zerstreuten sich diese vornehmen und zum Theil jetzt so unglücklichen Personen, welche nicht ohne Absicht in der freien Stadt Hamburg eine flüchtige Vereinigung zur Besprechung ihrer Angelegenheiten gehalten hatten, nach verschiedenen Richtungen hin. Der Graf von Artois begab sich nach Hamm, der Prinz von Conde wieder zur Armee an den Rhein. Die Angehörigen der Familie Rohan-Rochefort suchten ihr Asyl in Baden wieder auf; Georgine hatte mit ihrer würdigen Freundin noch einige sehr wichtige Unterredungen, welche alle das Lebensglück Ludwigs zum Gegenstand hatten, der nicht ahnte, daß zarte weibliche Hände den Versuch zu machen unternahmen, in die Räder seines Lebensganges bestimmend und lenkend einzugreifen. Armer Sterblicher schwaches Mühen! Wie kurzsichtig ist oft selbst die reinste Liebe! Nichts läßt im Voraus sich bestimmen; alle Fäden lenkt allein die allmächtige Hand des Geschickes, und kaum vergönnt sie der einzelnen Menschenhand, diesen Fäden eine hellere oder dunklere Färbung zu geben. Mancher Lebensfaden blitzt freilich glanzhell, wie ein Sonnenstrahl, andere sind lebenslänglich hoffnungsgrün, andere aber sind düster gefärbt und manche völlig nachtschwarz. Die ältere und die jüngere Freundin beschlossen in ihren vertraulichen Berathungen, daß der Graf Ludwig zur Stärkung seiner Gesundheit nach England kommen und durch Empfehlungsbriefe seiner Großmutter sich bei der Herzogin einführen solle. Diese wollte ihn dann in hohe Kreise ziehen, ihm die edelsten Herzen zu gewinnen suchen, und vielleicht eine glückliche Vermählung zwischen ihm und einer liebenswürdigen jungen Lady zu Stande bringen. Der Graf sollte in die Fußtapfen seiner Verwandten treten, und entweder unter der Leitung der angesehenen Glieder der englischen Familie des gemeinsamen Stammes die Laufbahn eines Staatsmannes beginnen, oder, falls ihm das minder zusage, wollte man ihm ein Landgut kaufen, das er nach Lust und Liebe bewirthschaften könne. Glücklich sollte er werden, der gemeinsame milderte: Kindesliebe ist der Frauen Panier, Vaterlandsliebe das der Männer. Bleibe Jedem das Seine! Der Graf von Artois hatte alle seine schönen Redensarten verbraucht und gab der Gesellschaft das Zeichen zum Aufbruch, der auf seiner und seiner nächsten Umgebung Seite ebenso feierlich und ceremoniös war, wie sein Eintritt. Bald darauf zerstreuten sich diese vornehmen und zum Theil jetzt so unglücklichen Personen, welche nicht ohne Absicht in der freien Stadt Hamburg eine flüchtige Vereinigung zur Besprechung ihrer Angelegenheiten gehalten hatten, nach verschiedenen Richtungen hin. Der Graf von Artois begab sich nach Hamm, der Prinz von Condé wieder zur Armee an den Rhein. Die Angehörigen der Familie Rohan-Rochefort suchten ihr Asyl in Baden wieder auf; Georgine hatte mit ihrer würdigen Freundin noch einige sehr wichtige Unterredungen, welche alle das Lebensglück Ludwigs zum Gegenstand hatten, der nicht ahnte, daß zarte weibliche Hände den Versuch zu machen unternahmen, in die Räder seines Lebensganges bestimmend und lenkend einzugreifen. Armer Sterblicher schwaches Mühen! Wie kurzsichtig ist oft selbst die reinste Liebe! Nichts läßt im Voraus sich bestimmen; alle Fäden lenkt allein die allmächtige Hand des Geschickes, und kaum vergönnt sie der einzelnen Menschenhand, diesen Fäden eine hellere oder dunklere Färbung zu geben. Mancher Lebensfaden blitzt freilich glanzhell, wie ein Sonnenstrahl, andere sind lebenslänglich hoffnungsgrün, andere aber sind düster gefärbt und manche völlig nachtschwarz. Die ältere und die jüngere Freundin beschlossen in ihren vertraulichen Berathungen, daß der Graf Ludwig zur Stärkung seiner Gesundheit nach England kommen und durch Empfehlungsbriefe seiner Großmutter sich bei der Herzogin einführen solle. Diese wollte ihn dann in hohe Kreise ziehen, ihm die edelsten Herzen zu gewinnen suchen, und vielleicht eine glückliche Vermählung zwischen ihm und einer liebenswürdigen jungen Lady zu Stande bringen. Der Graf sollte in die Fußtapfen seiner Verwandten treten, und entweder unter der Leitung der angesehenen Glieder der englischen Familie des gemeinsamen Stammes die Laufbahn eines Staatsmannes beginnen, oder, falls ihm das minder zusage, wollte man ihm ein Landgut kaufen, das er nach Lust und Liebe bewirthschaften könne. Glücklich sollte er werden, der gemeinsame <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0241" n="237"/> milderte: Kindesliebe ist der Frauen Panier, Vaterlandsliebe das der Männer. Bleibe Jedem das Seine!</p> <p>Der Graf von Artois hatte alle seine schönen Redensarten verbraucht und gab der Gesellschaft das Zeichen zum Aufbruch, der auf seiner und seiner nächsten Umgebung Seite ebenso feierlich und ceremoniös war, wie sein Eintritt.</p> <p>Bald darauf zerstreuten sich diese vornehmen und zum Theil jetzt so unglücklichen Personen, welche nicht ohne Absicht in der freien Stadt Hamburg eine flüchtige Vereinigung zur Besprechung ihrer Angelegenheiten gehalten hatten, nach verschiedenen Richtungen hin. Der Graf von Artois begab sich nach Hamm, der Prinz von Condé wieder zur Armee an den Rhein. Die Angehörigen der Familie Rohan-Rochefort suchten ihr Asyl in Baden wieder auf; Georgine hatte mit ihrer würdigen Freundin noch einige sehr wichtige Unterredungen, welche alle das Lebensglück Ludwigs zum Gegenstand hatten, der nicht ahnte, daß zarte weibliche Hände den Versuch zu machen unternahmen, in die Räder seines Lebensganges bestimmend und lenkend einzugreifen. Armer Sterblicher schwaches Mühen! Wie kurzsichtig ist oft selbst die reinste Liebe! Nichts läßt im Voraus sich bestimmen; alle Fäden lenkt allein die allmächtige Hand des Geschickes, und kaum vergönnt sie der einzelnen Menschenhand, diesen Fäden eine hellere oder dunklere Färbung zu geben. Mancher Lebensfaden blitzt freilich glanzhell, wie ein Sonnenstrahl, andere sind lebenslänglich hoffnungsgrün, andere aber sind düster gefärbt und manche völlig nachtschwarz.</p> <p>Die ältere und die jüngere Freundin beschlossen in ihren vertraulichen Berathungen, daß der Graf Ludwig zur Stärkung seiner Gesundheit nach England kommen und durch Empfehlungsbriefe seiner Großmutter sich bei der Herzogin einführen solle. Diese wollte ihn dann in hohe Kreise ziehen, ihm die edelsten Herzen zu gewinnen suchen, und vielleicht eine glückliche Vermählung zwischen ihm und einer liebenswürdigen jungen Lady zu Stande bringen. Der Graf sollte in die Fußtapfen seiner Verwandten treten, und entweder unter der Leitung der angesehenen Glieder der englischen Familie des gemeinsamen Stammes die Laufbahn eines Staatsmannes beginnen, oder, falls ihm das minder zusage, wollte man ihm ein Landgut kaufen, das er nach Lust und Liebe bewirthschaften könne. Glücklich sollte er werden, der gemeinsame </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [237/0241]
milderte: Kindesliebe ist der Frauen Panier, Vaterlandsliebe das der Männer. Bleibe Jedem das Seine!
Der Graf von Artois hatte alle seine schönen Redensarten verbraucht und gab der Gesellschaft das Zeichen zum Aufbruch, der auf seiner und seiner nächsten Umgebung Seite ebenso feierlich und ceremoniös war, wie sein Eintritt.
Bald darauf zerstreuten sich diese vornehmen und zum Theil jetzt so unglücklichen Personen, welche nicht ohne Absicht in der freien Stadt Hamburg eine flüchtige Vereinigung zur Besprechung ihrer Angelegenheiten gehalten hatten, nach verschiedenen Richtungen hin. Der Graf von Artois begab sich nach Hamm, der Prinz von Condé wieder zur Armee an den Rhein. Die Angehörigen der Familie Rohan-Rochefort suchten ihr Asyl in Baden wieder auf; Georgine hatte mit ihrer würdigen Freundin noch einige sehr wichtige Unterredungen, welche alle das Lebensglück Ludwigs zum Gegenstand hatten, der nicht ahnte, daß zarte weibliche Hände den Versuch zu machen unternahmen, in die Räder seines Lebensganges bestimmend und lenkend einzugreifen. Armer Sterblicher schwaches Mühen! Wie kurzsichtig ist oft selbst die reinste Liebe! Nichts läßt im Voraus sich bestimmen; alle Fäden lenkt allein die allmächtige Hand des Geschickes, und kaum vergönnt sie der einzelnen Menschenhand, diesen Fäden eine hellere oder dunklere Färbung zu geben. Mancher Lebensfaden blitzt freilich glanzhell, wie ein Sonnenstrahl, andere sind lebenslänglich hoffnungsgrün, andere aber sind düster gefärbt und manche völlig nachtschwarz.
Die ältere und die jüngere Freundin beschlossen in ihren vertraulichen Berathungen, daß der Graf Ludwig zur Stärkung seiner Gesundheit nach England kommen und durch Empfehlungsbriefe seiner Großmutter sich bei der Herzogin einführen solle. Diese wollte ihn dann in hohe Kreise ziehen, ihm die edelsten Herzen zu gewinnen suchen, und vielleicht eine glückliche Vermählung zwischen ihm und einer liebenswürdigen jungen Lady zu Stande bringen. Der Graf sollte in die Fußtapfen seiner Verwandten treten, und entweder unter der Leitung der angesehenen Glieder der englischen Familie des gemeinsamen Stammes die Laufbahn eines Staatsmannes beginnen, oder, falls ihm das minder zusage, wollte man ihm ein Landgut kaufen, das er nach Lust und Liebe bewirthschaften könne. Glücklich sollte er werden, der gemeinsame
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