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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Räuber und Mörder dich fallen lasse, im Uebrigen empfehle ich mich als Geschäftsträger am hiesigen Ort, wenn die beiden gnädigen Herren Ambassadeurs vielleicht hohe Aufträge für mich armes Priesterlein und Knechtlein der heiligen Jungfrau haben sollten!

Es war nichts wie Spott und heimlich verhaltener Groll in den Worten Vincenz Martinus, allein Leonardus machte ihm nicht die Freude, sich darüber ärgerlich zu zeigen, vielmehr nahm er alle prickelnden Stichelreden ruhig hin.

Schwerer war des Sohnes Stand bei seiner Mutter, als er dieser mittheilte, daß er die Absicht habe, sie wieder zu verlassen, denn Leonardus hatte sich gelobt, das Leben daran zu setzen, um mit Anges vereinigt zu werden; er wollte zunächst wieder eintreten in das diplomatische Corps, da er sich volle Befähigung zu dieser Laufbahn zutraute und er zur Zufriedenheit des Gesandten gearbeitet hatte; er hatte deßhalb schon vorsorglich bewirkt, daß ihm der Eintritt offen gehalten wurde; dann wollte er noch einmal nach le Mans reisen und nicht ruhen, bis er entweder die gerichtlich verbriefte Ueberzeugung von Etienne Berthelmy's Tode in Händen habe, oder bis er diesen, falls er noch am Leben, zur Scheidung bewogen. Leonardus gebot über nicht geringe Geldmittel, denn einmal hatte er auch für sich selbst auf seinen weiten Reisen gearbeitet, war von Einsicht unterstützt und vom Glück begünstigt worden, und dann war auch der alte verstorbene Herr Adrianus van der Valck keineswegs so arm geworden, als derselbe damals Ludwig glauben zu machen versucht hatte, und endlich blieb ihm an der treuen Mutter für Fälle der Noth noch eine mächtige Stütze. Es war nicht blos Großmuth, daß er damals die Hälfte des Kaufgeldes für Doorwerth für den Erbherrn hergab; Leonardus rechnete darauf, daß er in dieser Herrschaft auf einem der Schlösser ein stilles Asyl finden könne für sich und seine Liebe, sei es in Miethe, sei es als Mitbesitzer, je nachdem ihm nun der Erbherr sich dankbar bezeigen wollte und als redlicher Schuldner; daher war Leonardus auch geneigt, die zweite Hälfte jenes Kaufschillings zu beschaffen, aber daß nun freilich der Erbherr das Geld größtentheils anders verwandte und nur einen geringen Theil am Kaufgeld baar anzahlte, das war einer von den Strichen durch die Rechnung, von denen Herr Adrianus so ernst gesprochen, daher beschloß Leonardus,

Räuber und Mörder dich fallen lasse, im Uebrigen empfehle ich mich als Geschäftsträger am hiesigen Ort, wenn die beiden gnädigen Herren Ambassadeurs vielleicht hohe Aufträge für mich armes Priesterlein und Knechtlein der heiligen Jungfrau haben sollten!

Es war nichts wie Spott und heimlich verhaltener Groll in den Worten Vincenz Martinus, allein Leonardus machte ihm nicht die Freude, sich darüber ärgerlich zu zeigen, vielmehr nahm er alle prickelnden Stichelreden ruhig hin.

Schwerer war des Sohnes Stand bei seiner Mutter, als er dieser mittheilte, daß er die Absicht habe, sie wieder zu verlassen, denn Leonardus hatte sich gelobt, das Leben daran zu setzen, um mit Angés vereinigt zu werden; er wollte zunächst wieder eintreten in das diplomatische Corps, da er sich volle Befähigung zu dieser Laufbahn zutraute und er zur Zufriedenheit des Gesandten gearbeitet hatte; er hatte deßhalb schon vorsorglich bewirkt, daß ihm der Eintritt offen gehalten wurde; dann wollte er noch einmal nach le Mans reisen und nicht ruhen, bis er entweder die gerichtlich verbriefte Ueberzeugung von Etienne Berthelmy’s Tode in Händen habe, oder bis er diesen, falls er noch am Leben, zur Scheidung bewogen. Leonardus gebot über nicht geringe Geldmittel, denn einmal hatte er auch für sich selbst auf seinen weiten Reisen gearbeitet, war von Einsicht unterstützt und vom Glück begünstigt worden, und dann war auch der alte verstorbene Herr Adrianus van der Valck keineswegs so arm geworden, als derselbe damals Ludwig glauben zu machen versucht hatte, und endlich blieb ihm an der treuen Mutter für Fälle der Noth noch eine mächtige Stütze. Es war nicht blos Großmuth, daß er damals die Hälfte des Kaufgeldes für Doorwerth für den Erbherrn hergab; Leonardus rechnete darauf, daß er in dieser Herrschaft auf einem der Schlösser ein stilles Asyl finden könne für sich und seine Liebe, sei es in Miethe, sei es als Mitbesitzer, je nachdem ihm nun der Erbherr sich dankbar bezeigen wollte und als redlicher Schuldner; daher war Leonardus auch geneigt, die zweite Hälfte jenes Kaufschillings zu beschaffen, aber daß nun freilich der Erbherr das Geld größtentheils anders verwandte und nur einen geringen Theil am Kaufgeld baar anzahlte, das war einer von den Strichen durch die Rechnung, von denen Herr Adrianus so ernst gesprochen, daher beschloß Leonardus,

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Räuber und Mörder dich fallen lasse, im Uebrigen empfehle ich mich als Geschäftsträger am hiesigen Ort, wenn die beiden gnädigen Herren Ambassadeurs vielleicht hohe Aufträge für mich armes Priesterlein und Knechtlein der heiligen Jungfrau haben sollten!</p>
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          <p>Schwerer war des Sohnes Stand bei seiner Mutter, als er dieser mittheilte, daß er die Absicht habe, sie wieder zu verlassen, denn Leonardus hatte sich gelobt, das Leben daran zu setzen, um mit Angés vereinigt zu werden; er wollte zunächst wieder eintreten in das diplomatische Corps, da er sich volle Befähigung zu dieser Laufbahn zutraute und er zur Zufriedenheit des Gesandten gearbeitet hatte; er hatte deßhalb schon vorsorglich bewirkt, daß ihm der Eintritt offen gehalten wurde; dann wollte er noch einmal nach le Mans reisen und nicht ruhen, bis er entweder die gerichtlich verbriefte Ueberzeugung von Etienne Berthelmy&#x2019;s Tode in Händen habe, oder bis er diesen, falls er noch am Leben, zur Scheidung bewogen. Leonardus gebot über nicht geringe Geldmittel, denn einmal hatte er auch für sich selbst auf seinen weiten Reisen gearbeitet, war von Einsicht unterstützt und vom Glück begünstigt worden, und dann war auch der alte verstorbene Herr Adrianus van der Valck keineswegs so arm geworden, als derselbe damals Ludwig glauben zu machen versucht hatte, und endlich blieb ihm an der treuen Mutter für Fälle der Noth noch eine mächtige Stütze. Es war nicht blos Großmuth, daß er damals die Hälfte des Kaufgeldes für Doorwerth für den Erbherrn hergab; Leonardus rechnete darauf, daß er in dieser Herrschaft auf einem der Schlösser ein stilles Asyl finden könne für sich und seine Liebe, sei es in Miethe, sei es als Mitbesitzer, je nachdem ihm nun der Erbherr sich dankbar bezeigen wollte und als redlicher Schuldner; daher war Leonardus auch geneigt, die zweite Hälfte jenes Kaufschillings zu beschaffen, aber daß nun freilich der Erbherr das Geld größtentheils anders verwandte und nur einen geringen Theil am Kaufgeld baar anzahlte, das war einer von den Strichen durch die Rechnung, von denen Herr Adrianus so ernst gesprochen, daher beschloß Leonardus,
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[246/0250] Räuber und Mörder dich fallen lasse, im Uebrigen empfehle ich mich als Geschäftsträger am hiesigen Ort, wenn die beiden gnädigen Herren Ambassadeurs vielleicht hohe Aufträge für mich armes Priesterlein und Knechtlein der heiligen Jungfrau haben sollten! Es war nichts wie Spott und heimlich verhaltener Groll in den Worten Vincenz Martinus, allein Leonardus machte ihm nicht die Freude, sich darüber ärgerlich zu zeigen, vielmehr nahm er alle prickelnden Stichelreden ruhig hin. Schwerer war des Sohnes Stand bei seiner Mutter, als er dieser mittheilte, daß er die Absicht habe, sie wieder zu verlassen, denn Leonardus hatte sich gelobt, das Leben daran zu setzen, um mit Angés vereinigt zu werden; er wollte zunächst wieder eintreten in das diplomatische Corps, da er sich volle Befähigung zu dieser Laufbahn zutraute und er zur Zufriedenheit des Gesandten gearbeitet hatte; er hatte deßhalb schon vorsorglich bewirkt, daß ihm der Eintritt offen gehalten wurde; dann wollte er noch einmal nach le Mans reisen und nicht ruhen, bis er entweder die gerichtlich verbriefte Ueberzeugung von Etienne Berthelmy’s Tode in Händen habe, oder bis er diesen, falls er noch am Leben, zur Scheidung bewogen. Leonardus gebot über nicht geringe Geldmittel, denn einmal hatte er auch für sich selbst auf seinen weiten Reisen gearbeitet, war von Einsicht unterstützt und vom Glück begünstigt worden, und dann war auch der alte verstorbene Herr Adrianus van der Valck keineswegs so arm geworden, als derselbe damals Ludwig glauben zu machen versucht hatte, und endlich blieb ihm an der treuen Mutter für Fälle der Noth noch eine mächtige Stütze. Es war nicht blos Großmuth, daß er damals die Hälfte des Kaufgeldes für Doorwerth für den Erbherrn hergab; Leonardus rechnete darauf, daß er in dieser Herrschaft auf einem der Schlösser ein stilles Asyl finden könne für sich und seine Liebe, sei es in Miethe, sei es als Mitbesitzer, je nachdem ihm nun der Erbherr sich dankbar bezeigen wollte und als redlicher Schuldner; daher war Leonardus auch geneigt, die zweite Hälfte jenes Kaufschillings zu beschaffen, aber daß nun freilich der Erbherr das Geld größtentheils anders verwandte und nur einen geringen Theil am Kaufgeld baar anzahlte, das war einer von den Strichen durch die Rechnung, von denen Herr Adrianus so ernst gesprochen, daher beschloß Leonardus,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/250>, abgerufen am 17.05.2024.