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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Gefilde hinzuziehen zur Lust, zur Jagd, zum Besuch der Schlösser mit der Fülle von tausend Annehmlichkeiten und aufgehäuften Schätzen der Literatur und Kunst. Wohin Ludwig nur immer seine Blicke wenden mochte, gab es Neues zu beschauen, zu bewundern und zu lernen, und Albions milde Natur, früh erwachend trotz des strengen Winters, unter dessen Härte andere Länder zu klagen und zu leiden hatten, athmete reinen Hauch der Genesung, und in mancher ländlichen Abgeschiedenheit meilenweiter Parke bot sich in lieblichen Cottagen die süße Beschränkung eines idyllischen Friedens. Diesen nun suchte Ludwig vorzugsweise, weil es so in seinem Wesen, in seiner Jugendbildung und in seiner Gemüthsrichtung lag; er war auf die Dauer nicht für die Politik zu gewinnen, nicht für die Freuden der Jagd, noch viel weniger für Fuchshatzen und Kirchthurmrennen -- und mit Lächeln hörte er es an, als die feurige Georgine ihn einmal gradezu deßhalb ausschalt und zu ihm sprach: Graf, Sie sind ein unverbesserlicher deutscher Träumer!

Schöne Herzogin! erwiederte er mild: ich bin vielleicht ein verzogenes, aber doch ein gehorsames Kind. Sehen Sie, ich folge immer noch der Großmutter, die mich verzog, denn ach, ich habe ja nie eine Mutter gekannt, nie hat, so weit mein Erinnern reicht, ein Mutterkuß meine Lippen berührt und geweiht und geheiligt. Die Großmutter sagte mir beim Abschiede, ich solle deutsch gesinnt bleiben; kann ich nun dafür, wenn mein Gehorsam so blind ist, daß ich nicht in Holland, nicht in Frankreich und nicht in England meine deutsche Natur zu verläugnen vermag? Daß ich nie ein Holländer, nie ein Franzose und nie ein Brite werde? Ist es denn ein Unrecht, wenn mein Wunsch, meine Forderungen an das Leben nur bescheiden sind, wenn ich höheren Zielen nachzustreben kein Verlangen trage? Haben Sie Geduld mit mir, der nur zu tief empfindet, was ihm mangelt, und nehmen Sie mich wie ich bin, oder heißen Sie mich gehen, verbannen Sie mich aus dem schönen Asyle, das in Ihrer Nähe sich mir aufgethan!

Georgine hatte bisher stets ihr eigentlichstes und innerstes Wesen vor Ludwig sorglich verhüllt. Sie hatte ihm mit Absicht nur die hochstehende, vornehme und geistreiche Frau gezeigt, welche sie war, die achtunggebietende, ihre Kreise beherrschende Königin aller Schönheit und aller Würde; die reiche unendliche Fülle ihres Gemüthes hatte sie

Gefilde hinzuziehen zur Lust, zur Jagd, zum Besuch der Schlösser mit der Fülle von tausend Annehmlichkeiten und aufgehäuften Schätzen der Literatur und Kunst. Wohin Ludwig nur immer seine Blicke wenden mochte, gab es Neues zu beschauen, zu bewundern und zu lernen, und Albions milde Natur, früh erwachend trotz des strengen Winters, unter dessen Härte andere Länder zu klagen und zu leiden hatten, athmete reinen Hauch der Genesung, und in mancher ländlichen Abgeschiedenheit meilenweiter Parke bot sich in lieblichen Cottagen die süße Beschränkung eines idyllischen Friedens. Diesen nun suchte Ludwig vorzugsweise, weil es so in seinem Wesen, in seiner Jugendbildung und in seiner Gemüthsrichtung lag; er war auf die Dauer nicht für die Politik zu gewinnen, nicht für die Freuden der Jagd, noch viel weniger für Fuchshatzen und Kirchthurmrennen — und mit Lächeln hörte er es an, als die feurige Georgine ihn einmal gradezu deßhalb ausschalt und zu ihm sprach: Graf, Sie sind ein unverbesserlicher deutscher Träumer!

Schöne Herzogin! erwiederte er mild: ich bin vielleicht ein verzogenes, aber doch ein gehorsames Kind. Sehen Sie, ich folge immer noch der Großmutter, die mich verzog, denn ach, ich habe ja nie eine Mutter gekannt, nie hat, so weit mein Erinnern reicht, ein Mutterkuß meine Lippen berührt und geweiht und geheiligt. Die Großmutter sagte mir beim Abschiede, ich solle deutsch gesinnt bleiben; kann ich nun dafür, wenn mein Gehorsam so blind ist, daß ich nicht in Holland, nicht in Frankreich und nicht in England meine deutsche Natur zu verläugnen vermag? Daß ich nie ein Holländer, nie ein Franzose und nie ein Brite werde? Ist es denn ein Unrecht, wenn mein Wunsch, meine Forderungen an das Leben nur bescheiden sind, wenn ich höheren Zielen nachzustreben kein Verlangen trage? Haben Sie Geduld mit mir, der nur zu tief empfindet, was ihm mangelt, und nehmen Sie mich wie ich bin, oder heißen Sie mich gehen, verbannen Sie mich aus dem schönen Asyle, das in Ihrer Nähe sich mir aufgethan!

Georgine hatte bisher stets ihr eigentlichstes und innerstes Wesen vor Ludwig sorglich verhüllt. Sie hatte ihm mit Absicht nur die hochstehende, vornehme und geistreiche Frau gezeigt, welche sie war, die achtunggebietende, ihre Kreise beherrschende Königin aller Schönheit und aller Würde; die reiche unendliche Fülle ihres Gemüthes hatte sie

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Gefilde hinzuziehen zur Lust, zur Jagd, zum Besuch der Schlösser mit der Fülle von tausend Annehmlichkeiten und aufgehäuften Schätzen der Literatur und Kunst. Wohin Ludwig nur immer seine Blicke wenden mochte, gab es Neues zu beschauen, zu bewundern und zu lernen, und Albions milde Natur, früh erwachend trotz des strengen Winters, unter dessen Härte andere Länder zu klagen und zu leiden hatten, athmete reinen Hauch der Genesung, und in mancher ländlichen Abgeschiedenheit meilenweiter Parke bot sich in lieblichen Cottagen die süße Beschränkung eines idyllischen Friedens. Diesen nun suchte Ludwig vorzugsweise, weil es so in seinem Wesen, in seiner Jugendbildung und in seiner Gemüthsrichtung lag; er war auf die Dauer nicht für die Politik zu gewinnen, nicht für die Freuden der Jagd, noch viel weniger für Fuchshatzen und Kirchthurmrennen &#x2014; und mit Lächeln hörte er es an, als die feurige Georgine ihn einmal gradezu deßhalb ausschalt und zu ihm sprach: Graf, Sie sind ein unverbesserlicher deutscher Träumer!</p>
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[252/0256] Gefilde hinzuziehen zur Lust, zur Jagd, zum Besuch der Schlösser mit der Fülle von tausend Annehmlichkeiten und aufgehäuften Schätzen der Literatur und Kunst. Wohin Ludwig nur immer seine Blicke wenden mochte, gab es Neues zu beschauen, zu bewundern und zu lernen, und Albions milde Natur, früh erwachend trotz des strengen Winters, unter dessen Härte andere Länder zu klagen und zu leiden hatten, athmete reinen Hauch der Genesung, und in mancher ländlichen Abgeschiedenheit meilenweiter Parke bot sich in lieblichen Cottagen die süße Beschränkung eines idyllischen Friedens. Diesen nun suchte Ludwig vorzugsweise, weil es so in seinem Wesen, in seiner Jugendbildung und in seiner Gemüthsrichtung lag; er war auf die Dauer nicht für die Politik zu gewinnen, nicht für die Freuden der Jagd, noch viel weniger für Fuchshatzen und Kirchthurmrennen — und mit Lächeln hörte er es an, als die feurige Georgine ihn einmal gradezu deßhalb ausschalt und zu ihm sprach: Graf, Sie sind ein unverbesserlicher deutscher Träumer! Schöne Herzogin! erwiederte er mild: ich bin vielleicht ein verzogenes, aber doch ein gehorsames Kind. Sehen Sie, ich folge immer noch der Großmutter, die mich verzog, denn ach, ich habe ja nie eine Mutter gekannt, nie hat, so weit mein Erinnern reicht, ein Mutterkuß meine Lippen berührt und geweiht und geheiligt. Die Großmutter sagte mir beim Abschiede, ich solle deutsch gesinnt bleiben; kann ich nun dafür, wenn mein Gehorsam so blind ist, daß ich nicht in Holland, nicht in Frankreich und nicht in England meine deutsche Natur zu verläugnen vermag? Daß ich nie ein Holländer, nie ein Franzose und nie ein Brite werde? Ist es denn ein Unrecht, wenn mein Wunsch, meine Forderungen an das Leben nur bescheiden sind, wenn ich höheren Zielen nachzustreben kein Verlangen trage? Haben Sie Geduld mit mir, der nur zu tief empfindet, was ihm mangelt, und nehmen Sie mich wie ich bin, oder heißen Sie mich gehen, verbannen Sie mich aus dem schönen Asyle, das in Ihrer Nähe sich mir aufgethan! Georgine hatte bisher stets ihr eigentlichstes und innerstes Wesen vor Ludwig sorglich verhüllt. Sie hatte ihm mit Absicht nur die hochstehende, vornehme und geistreiche Frau gezeigt, welche sie war, die achtunggebietende, ihre Kreise beherrschende Königin aller Schönheit und aller Würde; die reiche unendliche Fülle ihres Gemüthes hatte sie

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/256>, abgerufen am 24.11.2024.