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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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ihm zum Theil noch verborgen, jedes zärtliche Wort vermieden, auf daß nicht der weich gebildete junge Mann, dessen Herz sich im Kahne einer unbestimmten Sehnsucht wiegte, zuletzt in Liebe und Leidenschaft sich zu ihr neige und im Flammenstrahle der Erkenntniß dann vergehe, wie Semele verging, als Zeus sie mit der Glut seines Feuerhimmels umarmte.

Sie liebte ihn, den schönen, weichen, milden Sohn, tief und innig, mit aller Macht mütterlicher Liebesfülle, aber sie bebte zurück vor der Entdeckung, sie wollte erst seine Kraft prüfen, mit der er tragen würde das unaussprechlich tiefe Geheimniß. Aber sie vermochte sich nicht mehr zu halten. Sie überstrahlte Ludwig mit einem wunderbar süßen und zärtlichen Blick, ihr Herz schlug hoch, ihr Busen wogte -- ach, er stand so scheu, mit so leidendem Ausdruck, so befangen vor ihr und wußte nicht, wie ihm geschah, als Georgine ihn plötzlich sanft umfing, seine Stirne küßte und mit bebender Stimme flüsterte: Ludwig! Ludwig! Du klagst, daß nie ein Mutterkuß deine Lippen berührt und geweiht und geheiligt habe! Nun denn so empfange diesen Kuß! Ludwig, mein Ludwig! Ich bin deine Mutter!



7. Eine Rückkehr.


Sie waren weit von einander getrennt, die beiden Freunde Ludwig und Leonardus, die sich in so treuer ausdauernder Liebe zusammen gefunden. Als Leonardus allein war, als er dem Freund, der mit Fluit nach Plymouth gesegelt, den letzten Abschiedsgruß zugewinkt, hatte er nirgend mehr eine bleibende Stätte. Er ging nach Paris zurück, fand, daß man seiner nicht nothwendig im diplomatischen Corps bedürfe, und nahm weiteren Urlaub. Auf dem geradesten Wege eilte er nach le Mans, wo er wieder als Kaufmann auftrat und einige Geschäfte abschloß, die dann ein ihm befreundetes Amsterdamer Handelshaus zur Vollziehung brachte. Bald begann er seine Nachforschungen nach Berthelmy -- sie waren und blieben jedoch erfolglos. Er machte

ihm zum Theil noch verborgen, jedes zärtliche Wort vermieden, auf daß nicht der weich gebildete junge Mann, dessen Herz sich im Kahne einer unbestimmten Sehnsucht wiegte, zuletzt in Liebe und Leidenschaft sich zu ihr neige und im Flammenstrahle der Erkenntniß dann vergehe, wie Semele verging, als Zeus sie mit der Glut seines Feuerhimmels umarmte.

Sie liebte ihn, den schönen, weichen, milden Sohn, tief und innig, mit aller Macht mütterlicher Liebesfülle, aber sie bebte zurück vor der Entdeckung, sie wollte erst seine Kraft prüfen, mit der er tragen würde das unaussprechlich tiefe Geheimniß. Aber sie vermochte sich nicht mehr zu halten. Sie überstrahlte Ludwig mit einem wunderbar süßen und zärtlichen Blick, ihr Herz schlug hoch, ihr Busen wogte — ach, er stand so scheu, mit so leidendem Ausdruck, so befangen vor ihr und wußte nicht, wie ihm geschah, als Georgine ihn plötzlich sanft umfing, seine Stirne küßte und mit bebender Stimme flüsterte: Ludwig! Ludwig! Du klagst, daß nie ein Mutterkuß deine Lippen berührt und geweiht und geheiligt habe! Nun denn so empfange diesen Kuß! Ludwig, mein Ludwig! Ich bin deine Mutter!



7. Eine Rückkehr.


Sie waren weit von einander getrennt, die beiden Freunde Ludwig und Leonardus, die sich in so treuer ausdauernder Liebe zusammen gefunden. Als Leonardus allein war, als er dem Freund, der mit Fluit nach Plymouth gesegelt, den letzten Abschiedsgruß zugewinkt, hatte er nirgend mehr eine bleibende Stätte. Er ging nach Paris zurück, fand, daß man seiner nicht nothwendig im diplomatischen Corps bedürfe, und nahm weiteren Urlaub. Auf dem geradesten Wege eilte er nach le Mans, wo er wieder als Kaufmann auftrat und einige Geschäfte abschloß, die dann ein ihm befreundetes Amsterdamer Handelshaus zur Vollziehung brachte. Bald begann er seine Nachforschungen nach Berthelmy — sie waren und blieben jedoch erfolglos. Er machte

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[253/0257] ihm zum Theil noch verborgen, jedes zärtliche Wort vermieden, auf daß nicht der weich gebildete junge Mann, dessen Herz sich im Kahne einer unbestimmten Sehnsucht wiegte, zuletzt in Liebe und Leidenschaft sich zu ihr neige und im Flammenstrahle der Erkenntniß dann vergehe, wie Semele verging, als Zeus sie mit der Glut seines Feuerhimmels umarmte. Sie liebte ihn, den schönen, weichen, milden Sohn, tief und innig, mit aller Macht mütterlicher Liebesfülle, aber sie bebte zurück vor der Entdeckung, sie wollte erst seine Kraft prüfen, mit der er tragen würde das unaussprechlich tiefe Geheimniß. Aber sie vermochte sich nicht mehr zu halten. Sie überstrahlte Ludwig mit einem wunderbar süßen und zärtlichen Blick, ihr Herz schlug hoch, ihr Busen wogte — ach, er stand so scheu, mit so leidendem Ausdruck, so befangen vor ihr und wußte nicht, wie ihm geschah, als Georgine ihn plötzlich sanft umfing, seine Stirne küßte und mit bebender Stimme flüsterte: Ludwig! Ludwig! Du klagst, daß nie ein Mutterkuß deine Lippen berührt und geweiht und geheiligt habe! Nun denn so empfange diesen Kuß! Ludwig, mein Ludwig! Ich bin deine Mutter! 7. Eine Rückkehr. Sie waren weit von einander getrennt, die beiden Freunde Ludwig und Leonardus, die sich in so treuer ausdauernder Liebe zusammen gefunden. Als Leonardus allein war, als er dem Freund, der mit Fluit nach Plymouth gesegelt, den letzten Abschiedsgruß zugewinkt, hatte er nirgend mehr eine bleibende Stätte. Er ging nach Paris zurück, fand, daß man seiner nicht nothwendig im diplomatischen Corps bedürfe, und nahm weiteren Urlaub. Auf dem geradesten Wege eilte er nach le Mans, wo er wieder als Kaufmann auftrat und einige Geschäfte abschloß, die dann ein ihm befreundetes Amsterdamer Handelshaus zur Vollziehung brachte. Bald begann er seine Nachforschungen nach Berthelmy — sie waren und blieben jedoch erfolglos. Er machte

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/257>, abgerufen am 24.11.2024.