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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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und ausgezeichnet sehen. Versäume das nicht, man kann nicht wissen, ob nicht eines dieser kleinen Herzogthümer dich einst dauernd fesselt, und es steht dieser mein Rath nicht im Widerspruch mit dem, den ich dir bei unserm Scheiden gab, auch -- wenn du es in Einsamkeit suchen solltest, in Einsamkeit dein Glück zu finden -- denn du kannst dort ganz nach deinem Gefallen leben und bist, wenn du den Landesgesetzen gemäß dich hältst, von deinem Thun und Lassen Niemandem Rechenschaft schuldig."

Ja, ja -- das wäre wohl das Beste, sprach Graf Ludwig vor sich hin; ein Asyl -- ein stilles Asyl, mit Leonardus, mit Anges. -- Ich will der Großmutter Rath befolgen, ich will jene Länder und Städte sehen, aber Leonardus -- wird er mit können? Und Anges? Wird sie mit wollen? Und wo, ach wo sie finden, da sie sich selbst dem heißgeliebten Jugendfreund in züchtiger Strenge entzogen hat? -- Diese Betrachtungen unterbrach Leonardus, welcher bleich und wankend in das Zimmer trat, und mit dem letzten Aufgebot seiner Kraft zu ihm sagte: Bruder! Es geht zu Ende -- wir scheiden!

Was fällt dir ein? Wie ist dir? rief Ludwig erschrocken und stützte den auf einen Stuhl zusammengesunkenen Freund, indem er heftig klingelte und dem eintretenden Philipp zurief: Herrn Windt! Eilig! Und den Arzt!

Laß das doch, Bruder, die können mir nicht helfen! sprach Leonardus. Ich fühle, daß ich sterben muß, nichts weiter -- und mir ist, wie einem eben ist bei diesem so bedenklichen Wechsel. Bruder -- ich habe keine Stunde mehr zu leben -- die Besserung war nur ein trügender Schein. Nun -- mein Haus ist bestellt -- diese Papiere habe ich bereits in Amsterdam gerichtlich bezeugen lassen. Was ich besitze, -- ist Alles dein -- geknüpft an meine letzte Bitte, die du auch schriftlich aufgezeichnet findest, für den Fall, daß mir nicht vergönnt gewesen wäre, sie noch mündlich an dein Herz zu legen. In mir stirbt Leonardus Cornelius van der Valck aus Amsterdam -- in dir lebt Leonardus Cornelius van der Valck aus Amsterdam fort -- mindestens so lange noch, als meine gute Mutter am Leben bleibt -- ihr darf, ihr soll der Sohn nicht sterben! Du schreibst ihr von Zeit zu Zeit, als wenn ich noch bei dir wäre, du empfängst und beantwortest in meinem Namen alle an mich eingehenden Briefe; ich habe das so testamentarisch

und ausgezeichnet sehen. Versäume das nicht, man kann nicht wissen, ob nicht eines dieser kleinen Herzogthümer dich einst dauernd fesselt, und es steht dieser mein Rath nicht im Widerspruch mit dem, den ich dir bei unserm Scheiden gab, auch — wenn du es in Einsamkeit suchen solltest, in Einsamkeit dein Glück zu finden — denn du kannst dort ganz nach deinem Gefallen leben und bist, wenn du den Landesgesetzen gemäß dich hältst, von deinem Thun und Lassen Niemandem Rechenschaft schuldig.“

Ja, ja — das wäre wohl das Beste, sprach Graf Ludwig vor sich hin; ein Asyl — ein stilles Asyl, mit Leonardus, mit Angés. — Ich will der Großmutter Rath befolgen, ich will jene Länder und Städte sehen, aber Leonardus — wird er mit können? Und Angés? Wird sie mit wollen? Und wo, ach wo sie finden, da sie sich selbst dem heißgeliebten Jugendfreund in züchtiger Strenge entzogen hat? — Diese Betrachtungen unterbrach Leonardus, welcher bleich und wankend in das Zimmer trat, und mit dem letzten Aufgebot seiner Kraft zu ihm sagte: Bruder! Es geht zu Ende — wir scheiden!

Was fällt dir ein? Wie ist dir? rief Ludwig erschrocken und stützte den auf einen Stuhl zusammengesunkenen Freund, indem er heftig klingelte und dem eintretenden Philipp zurief: Herrn Windt! Eilig! Und den Arzt!

Laß das doch, Bruder, die können mir nicht helfen! sprach Leonardus. Ich fühle, daß ich sterben muß, nichts weiter — und mir ist, wie einem eben ist bei diesem so bedenklichen Wechsel. Bruder — ich habe keine Stunde mehr zu leben — die Besserung war nur ein trügender Schein. Nun — mein Haus ist bestellt — diese Papiere habe ich bereits in Amsterdam gerichtlich bezeugen lassen. Was ich besitze, — ist Alles dein — geknüpft an meine letzte Bitte, die du auch schriftlich aufgezeichnet findest, für den Fall, daß mir nicht vergönnt gewesen wäre, sie noch mündlich an dein Herz zu legen. In mir stirbt Leonardus Cornelius van der Valck aus Amsterdam — in dir lebt Leonardus Cornelius van der Valck aus Amsterdam fort — mindestens so lange noch, als meine gute Mutter am Leben bleibt — ihr darf, ihr soll der Sohn nicht sterben! Du schreibst ihr von Zeit zu Zeit, als wenn ich noch bei dir wäre, du empfängst und beantwortest in meinem Namen alle an mich eingehenden Briefe; ich habe das so testamentarisch

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/308>, abgerufen am 14.06.2024.