Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Nirgends ließ sich der Graf in ein ihn bindendes Verhältniß ein, wie sehr man auch bemüht war, ihn da und dort zu fesseln, denn er schien wohl des Besitzens werth zu sein. Jugend, Schönheit, Reichthum, Adel, Verstand und Bildung, Alles war in ihm vereinigt, und für ein edles Gemüth, für ein sanftes Herz sprach der Zug sinnigen Ernstes, die leise Melancholie in seinen Mienen, sprachen auch die Züge eines ganz besonders in seinem Charakter hervortretenden Wohlthätigkeitssinnes, der aber sorgsam sich und seine Liebesthaten in Dunkel hüllte. Wenn es je zu Tage kam, wer der gewesen, der manche Thränen der Noth und verschämter Armuth getrocknet, und die Beglückten ihm danken wollten, dann war er gewöhnlich schon abgereist. Mit der Reichsgräfin blieb er im ununterbrochenen Verkehr, sie war entzückt von seinen Briefen und theilte sie gerne ihrer geliebten, stets leidenden Ottoline mit, welche jetzt wieder das Schloß zu Kniphausen bewohnte, und oft die Besuche der Großmutter ihres immer noch gefangen gehaltenen Gemahls vom nachbarlichen Schlosse Varel empfing. "In Jena, schrieb Ludwig unter Anderm: "habe ich an den Doctoren Starke und Loder vortreffliche Aerzte gefunden. Starke hat mir guten Trost gegeben, und mir gesagt, ich solle meiner Gesundheit halber ganz außer Sorgen sein, ich solle wo möglich guten starken Wein trinken, und kein Lichtenhainer Bier, überhaupt kein Bier, das nur dickes Blut verursache. Man trinkt hier zu Lande fabelhaft viel Bier, besonders thun das die Studenten, die dessen bis zum Uebermaß in sich hineingießen und eine Bravheit darin erblicken, sich durch Unmäßigkeit die Gesundheit zu untergraben und das Leben zu kürzen. Ich habe hier auch den Hofrath und Professor Schiller kennen gelernt, den berühmten Dichter, dessen erste Stücke Ihnen, geliebteste Großmutter, damals äußerst mißfallen haben. Er ist ein Mann von großen Gaben, aber kein Mann der Gesellschaft; er hält sich sehr zurückgezogen, und ist in seiner Kunst mit Titanenschritten weiter gegangen; von dem anfänglich Rohen und Gewaltthätigen in die Region des Maßes und der Schönheit. Sein Don Carlos befriedigt alle Ansprüche. Leider ist der gefeierte Dichter brustkrank, und es war eine wahrhaft hochherzige That des Herzogs von Holstein-Augustenburg Nirgends ließ sich der Graf in ein ihn bindendes Verhältniß ein, wie sehr man auch bemüht war, ihn da und dort zu fesseln, denn er schien wohl des Besitzens werth zu sein. Jugend, Schönheit, Reichthum, Adel, Verstand und Bildung, Alles war in ihm vereinigt, und für ein edles Gemüth, für ein sanftes Herz sprach der Zug sinnigen Ernstes, die leise Melancholie in seinen Mienen, sprachen auch die Züge eines ganz besonders in seinem Charakter hervortretenden Wohlthätigkeitssinnes, der aber sorgsam sich und seine Liebesthaten in Dunkel hüllte. Wenn es je zu Tage kam, wer der gewesen, der manche Thränen der Noth und verschämter Armuth getrocknet, und die Beglückten ihm danken wollten, dann war er gewöhnlich schon abgereist. Mit der Reichsgräfin blieb er im ununterbrochenen Verkehr, sie war entzückt von seinen Briefen und theilte sie gerne ihrer geliebten, stets leidenden Ottoline mit, welche jetzt wieder das Schloß zu Kniphausen bewohnte, und oft die Besuche der Großmutter ihres immer noch gefangen gehaltenen Gemahls vom nachbarlichen Schlosse Varel empfing. „In Jena, schrieb Ludwig unter Anderm: »habe ich an den Doctoren Starke und Loder vortreffliche Aerzte gefunden. Starke hat mir guten Trost gegeben, und mir gesagt, ich solle meiner Gesundheit halber ganz außer Sorgen sein, ich solle wo möglich guten starken Wein trinken, und kein Lichtenhainer Bier, überhaupt kein Bier, das nur dickes Blut verursache. Man trinkt hier zu Lande fabelhaft viel Bier, besonders thun das die Studenten, die dessen bis zum Uebermaß in sich hineingießen und eine Bravheit darin erblicken, sich durch Unmäßigkeit die Gesundheit zu untergraben und das Leben zu kürzen. Ich habe hier auch den Hofrath und Professor Schiller kennen gelernt, den berühmten Dichter, dessen erste Stücke Ihnen, geliebteste Großmutter, damals äußerst mißfallen haben. Er ist ein Mann von großen Gaben, aber kein Mann der Gesellschaft; er hält sich sehr zurückgezogen, und ist in seiner Kunst mit Titanenschritten weiter gegangen; von dem anfänglich Rohen und Gewaltthätigen in die Region des Maßes und der Schönheit. Sein Don Carlos befriedigt alle Ansprüche. Leider ist der gefeierte Dichter brustkrank, und es war eine wahrhaft hochherzige That des Herzogs von Holstein-Augustenburg <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0315" n="311"/> <p>Nirgends ließ sich der Graf in ein ihn bindendes Verhältniß ein, wie sehr man auch bemüht war, ihn da und dort zu fesseln, denn er schien wohl des Besitzens werth zu sein. Jugend, Schönheit, Reichthum, Adel, Verstand und Bildung, Alles war in ihm vereinigt, und für ein edles Gemüth, für ein sanftes Herz sprach der Zug sinnigen Ernstes, die leise Melancholie in seinen Mienen, sprachen auch die Züge eines ganz besonders in seinem Charakter hervortretenden Wohlthätigkeitssinnes, der aber sorgsam sich und seine Liebesthaten in Dunkel hüllte. Wenn es je zu Tage kam, wer der gewesen, der manche Thränen der Noth und verschämter Armuth getrocknet, und die Beglückten ihm danken wollten, dann war er gewöhnlich schon abgereist.</p> <p>Mit der Reichsgräfin blieb er im ununterbrochenen Verkehr, sie war entzückt von seinen Briefen und theilte sie gerne ihrer geliebten, stets leidenden Ottoline mit, welche jetzt wieder das Schloß zu Kniphausen bewohnte, und oft die Besuche der Großmutter ihres immer noch gefangen gehaltenen Gemahls vom nachbarlichen Schlosse Varel empfing.</p> <p>„In Jena, schrieb Ludwig unter Anderm: »habe ich an den Doctoren Starke und Loder vortreffliche Aerzte gefunden. Starke hat mir guten Trost gegeben, und mir gesagt, ich solle meiner Gesundheit halber ganz außer Sorgen sein, ich solle wo möglich guten starken Wein trinken, und kein Lichtenhainer Bier, überhaupt kein Bier, das nur dickes Blut verursache. Man trinkt hier zu Lande fabelhaft viel Bier, besonders thun das die Studenten, die dessen bis zum Uebermaß in sich hineingießen und eine Bravheit darin erblicken, sich durch Unmäßigkeit die Gesundheit zu untergraben und das Leben zu kürzen. Ich habe hier auch den Hofrath und Professor Schiller kennen gelernt, den berühmten Dichter, dessen erste Stücke Ihnen, geliebteste Großmutter, damals äußerst mißfallen haben. Er ist ein Mann von großen Gaben, aber kein Mann der Gesellschaft; er hält sich sehr zurückgezogen, und ist in seiner Kunst mit Titanenschritten weiter gegangen; von dem anfänglich Rohen und Gewaltthätigen in die Region des Maßes und der Schönheit. Sein Don Carlos befriedigt alle Ansprüche. Leider ist der gefeierte Dichter brustkrank, und es war eine wahrhaft hochherzige That des Herzogs von Holstein-Augustenburg </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [311/0315]
Nirgends ließ sich der Graf in ein ihn bindendes Verhältniß ein, wie sehr man auch bemüht war, ihn da und dort zu fesseln, denn er schien wohl des Besitzens werth zu sein. Jugend, Schönheit, Reichthum, Adel, Verstand und Bildung, Alles war in ihm vereinigt, und für ein edles Gemüth, für ein sanftes Herz sprach der Zug sinnigen Ernstes, die leise Melancholie in seinen Mienen, sprachen auch die Züge eines ganz besonders in seinem Charakter hervortretenden Wohlthätigkeitssinnes, der aber sorgsam sich und seine Liebesthaten in Dunkel hüllte. Wenn es je zu Tage kam, wer der gewesen, der manche Thränen der Noth und verschämter Armuth getrocknet, und die Beglückten ihm danken wollten, dann war er gewöhnlich schon abgereist.
Mit der Reichsgräfin blieb er im ununterbrochenen Verkehr, sie war entzückt von seinen Briefen und theilte sie gerne ihrer geliebten, stets leidenden Ottoline mit, welche jetzt wieder das Schloß zu Kniphausen bewohnte, und oft die Besuche der Großmutter ihres immer noch gefangen gehaltenen Gemahls vom nachbarlichen Schlosse Varel empfing.
„In Jena, schrieb Ludwig unter Anderm: »habe ich an den Doctoren Starke und Loder vortreffliche Aerzte gefunden. Starke hat mir guten Trost gegeben, und mir gesagt, ich solle meiner Gesundheit halber ganz außer Sorgen sein, ich solle wo möglich guten starken Wein trinken, und kein Lichtenhainer Bier, überhaupt kein Bier, das nur dickes Blut verursache. Man trinkt hier zu Lande fabelhaft viel Bier, besonders thun das die Studenten, die dessen bis zum Uebermaß in sich hineingießen und eine Bravheit darin erblicken, sich durch Unmäßigkeit die Gesundheit zu untergraben und das Leben zu kürzen. Ich habe hier auch den Hofrath und Professor Schiller kennen gelernt, den berühmten Dichter, dessen erste Stücke Ihnen, geliebteste Großmutter, damals äußerst mißfallen haben. Er ist ein Mann von großen Gaben, aber kein Mann der Gesellschaft; er hält sich sehr zurückgezogen, und ist in seiner Kunst mit Titanenschritten weiter gegangen; von dem anfänglich Rohen und Gewaltthätigen in die Region des Maßes und der Schönheit. Sein Don Carlos befriedigt alle Ansprüche. Leider ist der gefeierte Dichter brustkrank, und es war eine wahrhaft hochherzige That des Herzogs von Holstein-Augustenburg
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