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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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sandigen Weg zur Höhe hinan, und der Graf überblickte durch ein Fernglas die weiten fränkischen, sonst so friedlichen Ebenen, die im milden Glanze eines Sommertages sich unter ihm ausbreiteten, und jetzt der Schauplatz eines Krieges werden sollten, in denen sich die Söhne eines und desselben Landes, im blutigen Streite zwischen Königthum und Republik, zerfleischen wollten. Große Heereszüge schwenkten durch die sanftgehügelten Ebenen, dort blitzten Flinten und Bajonette, dort Helme und Cürasse im Sonnenglanze; dort zogen in endloser Reihe Rüst- und Pulverwagen und Geschütze heran, dort schlug Dampf auf, in welchem helle züngelnde Flammen leckten; von den Thürmen der zahllosen katholischen und protestantischen Kirchen in diesem dichtbevölkerten fruchtbaren Lande tönten die Sturmglocken, vom nahen Marktflecken Hellingen scholl wüstes Geschrei und Gebrüll des Viehes verworren zur Höhe, wie bei einem Brande, obschon ein solcher nicht ausgebrochen war. Es war ein wimmelndes Gedränge in dem Ort und außer dem Ort, es war die Furie des Krieges in ihrer ganzen Scheußlichkeit, die hier bereits ihr verheerendes Wüthen begonnen hatte.

Der herzogliche Beamte, Graf Ludwig's Begleiter, ein wackerer und sonst unerschrockener Mann, erbebte doch beim Anblick dieser Gräuel. -- Was meinen Sie, Herr Graf? richtete er mit bedenklicher Miene an Ludwig die Frage: sollen wir uns in diese Gefahr hinein stürzen?

Haben Sie Jourdans Schutzbrief? fragte Ludwig, und als der Beamte bejahte, sprach er: Geben Sie ihn mir! Dann zu dem Diener sich wendend, fragte er: Wie steht's, willst Du mit, Philipp?

Hm! brummte Philipp: Ich weiß nicht, warum Sie mich erst fragen, gnädiger Herr!

Und Sie, Herr Grimm? --

Das ist mir nur ein Spaß! antwortete dieser. Bin schon bei ganz anderen Affairen gewesen, habe zwar nicht immer die Victoria beim Schopf erwischt, war aber nicht mein durchlauchtigster Herr kaiserlich königlicher Reichsgeneral-Feldmarschall schuld daran, sondern die Reißaus-Armee, die er zu befehligen hatte, seine "sechzigtausend Läufer" , wie der alte Fritz sagte.

sandigen Weg zur Höhe hinan, und der Graf überblickte durch ein Fernglas die weiten fränkischen, sonst so friedlichen Ebenen, die im milden Glanze eines Sommertages sich unter ihm ausbreiteten, und jetzt der Schauplatz eines Krieges werden sollten, in denen sich die Söhne eines und desselben Landes, im blutigen Streite zwischen Königthum und Republik, zerfleischen wollten. Große Heereszüge schwenkten durch die sanftgehügelten Ebenen, dort blitzten Flinten und Bajonette, dort Helme und Cürasse im Sonnenglanze; dort zogen in endloser Reihe Rüst- und Pulverwagen und Geschütze heran, dort schlug Dampf auf, in welchem helle züngelnde Flammen leckten; von den Thürmen der zahllosen katholischen und protestantischen Kirchen in diesem dichtbevölkerten fruchtbaren Lande tönten die Sturmglocken, vom nahen Marktflecken Hellingen scholl wüstes Geschrei und Gebrüll des Viehes verworren zur Höhe, wie bei einem Brande, obschon ein solcher nicht ausgebrochen war. Es war ein wimmelndes Gedränge in dem Ort und außer dem Ort, es war die Furie des Krieges in ihrer ganzen Scheußlichkeit, die hier bereits ihr verheerendes Wüthen begonnen hatte.

Der herzogliche Beamte, Graf Ludwig’s Begleiter, ein wackerer und sonst unerschrockener Mann, erbebte doch beim Anblick dieser Gräuel. — Was meinen Sie, Herr Graf? richtete er mit bedenklicher Miene an Ludwig die Frage: sollen wir uns in diese Gefahr hinein stürzen?

Haben Sie Jourdans Schutzbrief? fragte Ludwig, und als der Beamte bejahte, sprach er: Geben Sie ihn mir! Dann zu dem Diener sich wendend, fragte er: Wie steht’s, willst Du mit, Philipp?

Hm! brummte Philipp: Ich weiß nicht, warum Sie mich erst fragen, gnädiger Herr!

Und Sie, Herr Grimm? —

Das ist mir nur ein Spaß! antwortete dieser. Bin schon bei ganz anderen Affairen gewesen, habe zwar nicht immer die Victoria beim Schopf erwischt, war aber nicht mein durchlauchtigster Herr kaiserlich königlicher Reichsgeneral-Feldmarschall schuld daran, sondern die Reißaus-Armee, die er zu befehligen hatte, seine „sechzigtausend Läufer“ , wie der alte Fritz sagte.

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sandigen Weg zur Höhe hinan, und der Graf überblickte durch ein Fernglas die weiten fränkischen, sonst so friedlichen Ebenen, die im milden Glanze eines Sommertages sich unter ihm ausbreiteten, und jetzt der Schauplatz eines Krieges werden sollten, in denen sich die Söhne eines und desselben Landes, im blutigen Streite zwischen Königthum und Republik, zerfleischen wollten. Große Heereszüge schwenkten durch die sanftgehügelten Ebenen, dort blitzten Flinten und Bajonette, dort Helme und Cürasse im Sonnenglanze; dort zogen in endloser Reihe Rüst- und Pulverwagen und Geschütze heran, dort schlug Dampf auf, in welchem helle züngelnde Flammen leckten; von den Thürmen der zahllosen katholischen und protestantischen Kirchen in diesem dichtbevölkerten fruchtbaren Lande tönten die Sturmglocken, vom nahen Marktflecken Hellingen scholl wüstes Geschrei und Gebrüll des Viehes verworren zur Höhe, wie bei einem Brande, obschon ein solcher nicht ausgebrochen war. Es war ein wimmelndes Gedränge in dem Ort und außer dem Ort, es war die Furie des Krieges in ihrer ganzen Scheußlichkeit, die hier bereits ihr verheerendes Wüthen begonnen hatte.</p>
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[316/0320] sandigen Weg zur Höhe hinan, und der Graf überblickte durch ein Fernglas die weiten fränkischen, sonst so friedlichen Ebenen, die im milden Glanze eines Sommertages sich unter ihm ausbreiteten, und jetzt der Schauplatz eines Krieges werden sollten, in denen sich die Söhne eines und desselben Landes, im blutigen Streite zwischen Königthum und Republik, zerfleischen wollten. Große Heereszüge schwenkten durch die sanftgehügelten Ebenen, dort blitzten Flinten und Bajonette, dort Helme und Cürasse im Sonnenglanze; dort zogen in endloser Reihe Rüst- und Pulverwagen und Geschütze heran, dort schlug Dampf auf, in welchem helle züngelnde Flammen leckten; von den Thürmen der zahllosen katholischen und protestantischen Kirchen in diesem dichtbevölkerten fruchtbaren Lande tönten die Sturmglocken, vom nahen Marktflecken Hellingen scholl wüstes Geschrei und Gebrüll des Viehes verworren zur Höhe, wie bei einem Brande, obschon ein solcher nicht ausgebrochen war. Es war ein wimmelndes Gedränge in dem Ort und außer dem Ort, es war die Furie des Krieges in ihrer ganzen Scheußlichkeit, die hier bereits ihr verheerendes Wüthen begonnen hatte. Der herzogliche Beamte, Graf Ludwig’s Begleiter, ein wackerer und sonst unerschrockener Mann, erbebte doch beim Anblick dieser Gräuel. — Was meinen Sie, Herr Graf? richtete er mit bedenklicher Miene an Ludwig die Frage: sollen wir uns in diese Gefahr hinein stürzen? Haben Sie Jourdans Schutzbrief? fragte Ludwig, und als der Beamte bejahte, sprach er: Geben Sie ihn mir! Dann zu dem Diener sich wendend, fragte er: Wie steht’s, willst Du mit, Philipp? Hm! brummte Philipp: Ich weiß nicht, warum Sie mich erst fragen, gnädiger Herr! Und Sie, Herr Grimm? — Das ist mir nur ein Spaß! antwortete dieser. Bin schon bei ganz anderen Affairen gewesen, habe zwar nicht immer die Victoria beim Schopf erwischt, war aber nicht mein durchlauchtigster Herr kaiserlich königlicher Reichsgeneral-Feldmarschall schuld daran, sondern die Reißaus-Armee, die er zu befehligen hatte, seine „sechzigtausend Läufer“ , wie der alte Fritz sagte.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/320>, abgerufen am 26.06.2024.