Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

der Kirche kam d'Hautpoule sehr erheitert zurück und sprach zu Ludwig und dem Beamten: Nichts wirkt schneller und heftiger, wie Prügel. Diese Sprache verstehen die Hallunken aller Völker, Prügel sind die wahre Weltsprache, und die Gelehrten werden sich vergebens die Köpfe zerbrechen, um eine bessere zu erfinden.

Bald kamen auch Mortier und die andern Offiziere in den Pfarrhof zurück; das Geschrei der Einwohner verhallte allmählig. Mortier, so riesenhaft seine Leibesgröße war, sah gar nicht aus wie ein Soldat; die Haut seines Gesichts und seiner Hände war zart und weiß. Er drückte dem Grafen, dem Beamten und dem Pfarrer oft die Hände und versicherte allen, er meine es gut, allein die Soldaten seien schwer im Zaum zu halten.

Man begab sich in die Stube des Pfarrers, in deren Mitte eine Bütte stand, welche mit Wein gefüllt war. D'Hautpoule war sehr artig gegen den Besuch aus Hildburghausen; er lud die Herren ein, an seinem Male Theil zu nehmen, fuhr mit bereitstehenden Biergläsern eigenhändig in die Bütte, füllte diese voll Wein, reichte sie seinen Gästen und dem Pfarrer dar und rief lustig und froh gelaunt. A votre sante et bonheur! Alle andere Offiziere, soviel die Stube faßte, drängten sich herzu, schöpften ebenfalls und tranken; man setzte sich auf hölzerne Stühle, der General saß auf einem dreibeinigen Schemel, Mortier und David hatten die Ofenbank besetzt. Der Koch brachte mächtige Bratenstücke herein, der Pfarrer schaffte Brod, weder Teller noch Messer und Gabeln waren vorhanden, man aß aus der Hand, nur der General schnitt sein Fleisch mit einem Schnappbastelmesser. Die Bütte Wein war bald geleert, eine zweite wurde aus dem Keller herauf geschafft, dann erfolgte ein rascher Aufbruch, ein kurzes Adieu.

Ein Wehe war dahin, wie geschrieben steht in der Offenbarung, "aber siehe, es kommen noch zwei Wehe." Dem Volke d'Hautpoule's folgte die Division des General Colaud nach, 15,000 Mann stark, und der General richtete sogleich seinen Weg nach dem Pfarrhaus. Dort kam ihm Ludwig entgegen, erbat Schutz für den Ort, für alle Orte dieses Landstrichs, auf Jourdans Schrift sich berufend. Mittlerweile war der Divisionsgeneral Lefebre ebenfalls im Orte angelangt und hatte sich nach dem Schlosse begeben, ihm folgte dessen Division Avantgarde,

der Kirche kam d’Hautpoule sehr erheitert zurück und sprach zu Ludwig und dem Beamten: Nichts wirkt schneller und heftiger, wie Prügel. Diese Sprache verstehen die Hallunken aller Völker, Prügel sind die wahre Weltsprache, und die Gelehrten werden sich vergebens die Köpfe zerbrechen, um eine bessere zu erfinden.

Bald kamen auch Mortier und die andern Offiziere in den Pfarrhof zurück; das Geschrei der Einwohner verhallte allmählig. Mortier, so riesenhaft seine Leibesgröße war, sah gar nicht aus wie ein Soldat; die Haut seines Gesichts und seiner Hände war zart und weiß. Er drückte dem Grafen, dem Beamten und dem Pfarrer oft die Hände und versicherte allen, er meine es gut, allein die Soldaten seien schwer im Zaum zu halten.

Man begab sich in die Stube des Pfarrers, in deren Mitte eine Bütte stand, welche mit Wein gefüllt war. D’Hautpoule war sehr artig gegen den Besuch aus Hildburghausen; er lud die Herren ein, an seinem Male Theil zu nehmen, fuhr mit bereitstehenden Biergläsern eigenhändig in die Bütte, füllte diese voll Wein, reichte sie seinen Gästen und dem Pfarrer dar und rief lustig und froh gelaunt. A votre santé et bonheur! Alle andere Offiziere, soviel die Stube faßte, drängten sich herzu, schöpften ebenfalls und tranken; man setzte sich auf hölzerne Stühle, der General saß auf einem dreibeinigen Schemel, Mortier und David hatten die Ofenbank besetzt. Der Koch brachte mächtige Bratenstücke herein, der Pfarrer schaffte Brod, weder Teller noch Messer und Gabeln waren vorhanden, man aß aus der Hand, nur der General schnitt sein Fleisch mit einem Schnappbastelmesser. Die Bütte Wein war bald geleert, eine zweite wurde aus dem Keller herauf geschafft, dann erfolgte ein rascher Aufbruch, ein kurzes Adieu.

Ein Wehe war dahin, wie geschrieben steht in der Offenbarung, „aber siehe, es kommen noch zwei Wehe.“ Dem Volke d’Hautpoule’s folgte die Division des General Colaud nach, 15,000 Mann stark, und der General richtete sogleich seinen Weg nach dem Pfarrhaus. Dort kam ihm Ludwig entgegen, erbat Schutz für den Ort, für alle Orte dieses Landstrichs, auf Jourdans Schrift sich berufend. Mittlerweile war der Divisionsgeneral Lefebre ebenfalls im Orte angelangt und hatte sich nach dem Schlosse begeben, ihm folgte dessen Division Avantgarde,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0324" n="320"/>
der Kirche kam d&#x2019;Hautpoule sehr erheitert zurück und sprach zu Ludwig und dem Beamten: Nichts wirkt schneller und heftiger, wie Prügel. Diese Sprache verstehen die Hallunken aller Völker, Prügel sind die wahre Weltsprache, und die Gelehrten werden sich vergebens die Köpfe zerbrechen, um eine bessere zu erfinden.</p>
          <p>Bald kamen auch Mortier und die andern Offiziere in den Pfarrhof zurück; das Geschrei der Einwohner verhallte allmählig. Mortier, so riesenhaft seine Leibesgröße war, sah gar nicht aus wie ein Soldat; die Haut seines Gesichts und seiner Hände war zart und weiß. Er drückte dem Grafen, dem Beamten und dem Pfarrer oft die Hände und versicherte allen, er meine es gut, allein die Soldaten seien schwer im Zaum zu halten.</p>
          <p>Man begab sich in die Stube des Pfarrers, in deren Mitte eine Bütte stand, welche mit Wein gefüllt war. D&#x2019;Hautpoule war sehr artig gegen den Besuch aus Hildburghausen; er lud die Herren ein, an seinem Male Theil zu nehmen, fuhr mit bereitstehenden Biergläsern eigenhändig in die Bütte, füllte diese voll Wein, reichte sie seinen Gästen und dem Pfarrer dar und rief lustig und froh gelaunt. <hi rendition="#aq">A votre santé et bonheur!</hi> Alle andere Offiziere, soviel die Stube faßte, drängten sich herzu, schöpften ebenfalls und tranken; man setzte sich auf hölzerne Stühle, der General saß auf einem dreibeinigen Schemel, Mortier und David hatten die Ofenbank besetzt. Der Koch brachte mächtige Bratenstücke herein, der Pfarrer schaffte Brod, weder Teller noch Messer und Gabeln waren vorhanden, man aß aus der Hand, nur der General schnitt sein Fleisch mit einem Schnappbastelmesser. Die Bütte Wein war bald geleert, eine zweite wurde aus dem Keller herauf geschafft, dann erfolgte ein rascher Aufbruch, ein kurzes Adieu.</p>
          <p>Ein Wehe war dahin, wie geschrieben steht in der Offenbarung, &#x201E;aber siehe, es kommen noch zwei Wehe.&#x201C;  Dem Volke d&#x2019;Hautpoule&#x2019;s folgte die Division des General Colaud nach, 15,000 Mann stark, und der General richtete sogleich seinen Weg nach dem Pfarrhaus. Dort kam ihm Ludwig entgegen, erbat Schutz für den Ort, für alle Orte dieses Landstrichs, auf Jourdans Schrift sich berufend. Mittlerweile war der Divisionsgeneral Lefebre ebenfalls im Orte angelangt und hatte sich nach dem Schlosse begeben, ihm folgte dessen Division Avantgarde,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0324] der Kirche kam d’Hautpoule sehr erheitert zurück und sprach zu Ludwig und dem Beamten: Nichts wirkt schneller und heftiger, wie Prügel. Diese Sprache verstehen die Hallunken aller Völker, Prügel sind die wahre Weltsprache, und die Gelehrten werden sich vergebens die Köpfe zerbrechen, um eine bessere zu erfinden. Bald kamen auch Mortier und die andern Offiziere in den Pfarrhof zurück; das Geschrei der Einwohner verhallte allmählig. Mortier, so riesenhaft seine Leibesgröße war, sah gar nicht aus wie ein Soldat; die Haut seines Gesichts und seiner Hände war zart und weiß. Er drückte dem Grafen, dem Beamten und dem Pfarrer oft die Hände und versicherte allen, er meine es gut, allein die Soldaten seien schwer im Zaum zu halten. Man begab sich in die Stube des Pfarrers, in deren Mitte eine Bütte stand, welche mit Wein gefüllt war. D’Hautpoule war sehr artig gegen den Besuch aus Hildburghausen; er lud die Herren ein, an seinem Male Theil zu nehmen, fuhr mit bereitstehenden Biergläsern eigenhändig in die Bütte, füllte diese voll Wein, reichte sie seinen Gästen und dem Pfarrer dar und rief lustig und froh gelaunt. A votre santé et bonheur! Alle andere Offiziere, soviel die Stube faßte, drängten sich herzu, schöpften ebenfalls und tranken; man setzte sich auf hölzerne Stühle, der General saß auf einem dreibeinigen Schemel, Mortier und David hatten die Ofenbank besetzt. Der Koch brachte mächtige Bratenstücke herein, der Pfarrer schaffte Brod, weder Teller noch Messer und Gabeln waren vorhanden, man aß aus der Hand, nur der General schnitt sein Fleisch mit einem Schnappbastelmesser. Die Bütte Wein war bald geleert, eine zweite wurde aus dem Keller herauf geschafft, dann erfolgte ein rascher Aufbruch, ein kurzes Adieu. Ein Wehe war dahin, wie geschrieben steht in der Offenbarung, „aber siehe, es kommen noch zwei Wehe.“ Dem Volke d’Hautpoule’s folgte die Division des General Colaud nach, 15,000 Mann stark, und der General richtete sogleich seinen Weg nach dem Pfarrhaus. Dort kam ihm Ludwig entgegen, erbat Schutz für den Ort, für alle Orte dieses Landstrichs, auf Jourdans Schrift sich berufend. Mittlerweile war der Divisionsgeneral Lefebre ebenfalls im Orte angelangt und hatte sich nach dem Schlosse begeben, ihm folgte dessen Division Avantgarde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/324
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/324>, abgerufen am 25.11.2024.