Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.darauf und entgegnete, indem er es zurückgab: Was wissen wir vom Geschmier der Kriegskanzleien! Hier ist Krieg und keine Kanzlei! Der Herr General erlauben gnädigst -- nahm jetzt auch der herzogliche Beamte das Wort: Unsere Regierung hat Sorge getragen, und es ist auch vom Obergeneral an alle Divisionen der republikanischen Armee der Befehl ergangen, bekannt zu machen, wie mir selbst ohnlängst in einem Nachbarort französische Offiziere, die wir verpflegten, mitgetheilt haben, daß die Sächsische Neutralität beim ganzen Heere respectirt werden und jede Thätlichkeit gegen die Einwohner unterbleiben soll. Nun denn! wandte sich d'Hautpoule lachend gegen Mortier, so wollen wir die Neutralität respectiren, so viel sich thun läßt. Gib sogleich Befehl, Bürger David, und allen Bürger Kapitäns sei es gesagt, es soll sich Keiner unterstehen, noch eine Feder oder einen Strohhalm Werths zu rauben oder auch nur anzufassen. Sacre Dieu! Keiner! Eine Bewegung entstand, die Offiziere trafen Anstalt, den erhaltenen Befehl zu vollziehen, da kam der Schulmeister gelaufen, drängte sich an seinen Pfarrer, der neben den Beamten getreten war, und flüsterte: Um Gotteswillen Herr Pfarrer! Die Soldaten zerstören uns die ganze Orgel! Sagen wir das laut! rief der Pfarrer, der eine sehr sonore Stimme hatte, trat zum General und sprach: Herr General! Ihre Soldaten zerstören unsere schöne neue Orgel! Ich bitte, retten Sie! Schonen Sie! Sacre bleu! schrie der General: Wo? Wo? und schwang den Stock, den er in der Hand führte, denn er war bereits ein ergrauter Sechziger, und folgte mit raschen Schritten dem Schulmeister, der ihm voran in die neue Kirche eilte. Der alte Kriegsmann rannte wie rasend die Treppe hinauf und theilte auf die das werthvolle Orgelwerk freventlich zerstörenden Soldaten so viele und schwere Prügel aus, daß die Uebelthäter laut aufschrieen und schwuren, in ihrem Leben keine Orgel wieder anzurühren. Mittlerweile hatte sich der Riese Mortier auf ein Pferd geworfen, David und andere Offiziere waren ihm gefolgt, und es verging keine Viertelstunde, so war Ruhe, Ordnung und Stille im Flecken; alle nachrückenden Truppen mußten sofort ohne Rast hindurchziehen, aus darauf und entgegnete, indem er es zurückgab: Was wissen wir vom Geschmier der Kriegskanzleien! Hier ist Krieg und keine Kanzlei! Der Herr General erlauben gnädigst — nahm jetzt auch der herzogliche Beamte das Wort: Unsere Regierung hat Sorge getragen, und es ist auch vom Obergeneral an alle Divisionen der republikanischen Armee der Befehl ergangen, bekannt zu machen, wie mir selbst ohnlängst in einem Nachbarort französische Offiziere, die wir verpflegten, mitgetheilt haben, daß die Sächsische Neutralität beim ganzen Heere respectirt werden und jede Thätlichkeit gegen die Einwohner unterbleiben soll. Nun denn! wandte sich d’Hautpoule lachend gegen Mortier, so wollen wir die Neutralität respectiren, so viel sich thun läßt. Gib sogleich Befehl, Bürger David, und allen Bürger Kapitäns sei es gesagt, es soll sich Keiner unterstehen, noch eine Feder oder einen Strohhalm Werths zu rauben oder auch nur anzufassen. Sacre Dieu! Keiner! Eine Bewegung entstand, die Offiziere trafen Anstalt, den erhaltenen Befehl zu vollziehen, da kam der Schulmeister gelaufen, drängte sich an seinen Pfarrer, der neben den Beamten getreten war, und flüsterte: Um Gotteswillen Herr Pfarrer! Die Soldaten zerstören uns die ganze Orgel! Sagen wir das laut! rief der Pfarrer, der eine sehr sonore Stimme hatte, trat zum General und sprach: Herr General! Ihre Soldaten zerstören unsere schöne neue Orgel! Ich bitte, retten Sie! Schonen Sie! Sacre bleu! schrie der General: Wo? Wo? und schwang den Stock, den er in der Hand führte, denn er war bereits ein ergrauter Sechziger, und folgte mit raschen Schritten dem Schulmeister, der ihm voran in die neue Kirche eilte. Der alte Kriegsmann rannte wie rasend die Treppe hinauf und theilte auf die das werthvolle Orgelwerk freventlich zerstörenden Soldaten so viele und schwere Prügel aus, daß die Uebelthäter laut aufschrieen und schwuren, in ihrem Leben keine Orgel wieder anzurühren. Mittlerweile hatte sich der Riese Mortier auf ein Pferd geworfen, David und andere Offiziere waren ihm gefolgt, und es verging keine Viertelstunde, so war Ruhe, Ordnung und Stille im Flecken; alle nachrückenden Truppen mußten sofort ohne Rast hindurchziehen, aus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0323" n="319"/> darauf und entgegnete, indem er es zurückgab: Was wissen wir vom Geschmier der Kriegskanzleien! 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Keiner!</p> <p>Eine Bewegung entstand, die Offiziere trafen Anstalt, den erhaltenen Befehl zu vollziehen, da kam der Schulmeister gelaufen, drängte sich an seinen Pfarrer, der neben den Beamten getreten war, und flüsterte: Um Gotteswillen Herr Pfarrer! Die Soldaten zerstören uns die ganze Orgel!</p> <p>Sagen wir das laut! rief der Pfarrer, der eine sehr sonore Stimme hatte, trat zum General und sprach: Herr General! Ihre Soldaten zerstören unsere schöne neue Orgel! Ich bitte, retten Sie! Schonen Sie!</p> <p>Sacre bleu! schrie der General: Wo? Wo? und schwang den Stock, den er in der Hand führte, denn er war bereits ein ergrauter Sechziger, und folgte mit raschen Schritten dem Schulmeister, der ihm voran in die neue Kirche eilte. 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darauf und entgegnete, indem er es zurückgab: Was wissen wir vom Geschmier der Kriegskanzleien! Hier ist Krieg und keine Kanzlei!
Der Herr General erlauben gnädigst — nahm jetzt auch der herzogliche Beamte das Wort: Unsere Regierung hat Sorge getragen, und es ist auch vom Obergeneral an alle Divisionen der republikanischen Armee der Befehl ergangen, bekannt zu machen, wie mir selbst ohnlängst in einem Nachbarort französische Offiziere, die wir verpflegten, mitgetheilt haben, daß die Sächsische Neutralität beim ganzen Heere respectirt werden und jede Thätlichkeit gegen die Einwohner unterbleiben soll.
Nun denn! wandte sich d’Hautpoule lachend gegen Mortier, so wollen wir die Neutralität respectiren, so viel sich thun läßt. Gib sogleich Befehl, Bürger David, und allen Bürger Kapitäns sei es gesagt, es soll sich Keiner unterstehen, noch eine Feder oder einen Strohhalm Werths zu rauben oder auch nur anzufassen. Sacre Dieu! Keiner!
Eine Bewegung entstand, die Offiziere trafen Anstalt, den erhaltenen Befehl zu vollziehen, da kam der Schulmeister gelaufen, drängte sich an seinen Pfarrer, der neben den Beamten getreten war, und flüsterte: Um Gotteswillen Herr Pfarrer! Die Soldaten zerstören uns die ganze Orgel!
Sagen wir das laut! rief der Pfarrer, der eine sehr sonore Stimme hatte, trat zum General und sprach: Herr General! Ihre Soldaten zerstören unsere schöne neue Orgel! Ich bitte, retten Sie! Schonen Sie!
Sacre bleu! schrie der General: Wo? Wo? und schwang den Stock, den er in der Hand führte, denn er war bereits ein ergrauter Sechziger, und folgte mit raschen Schritten dem Schulmeister, der ihm voran in die neue Kirche eilte. Der alte Kriegsmann rannte wie rasend die Treppe hinauf und theilte auf die das werthvolle Orgelwerk freventlich zerstörenden Soldaten so viele und schwere Prügel aus, daß die Uebelthäter laut aufschrieen und schwuren, in ihrem Leben keine Orgel wieder anzurühren.
Mittlerweile hatte sich der Riese Mortier auf ein Pferd geworfen, David und andere Offiziere waren ihm gefolgt, und es verging keine Viertelstunde, so war Ruhe, Ordnung und Stille im Flecken; alle nachrückenden Truppen mußten sofort ohne Rast hindurchziehen, aus
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/323>, abgerufen am 14.06.2024. |