Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Dort ging es her wie auf einem Jahrmarkte. Aus der unten am Flur liegenden Küche schlug heller Feuerschein hervor, die Flur selbst lag ganz voll von Geflügel aller Art: Gänse, Enten, Tauben, Rebhühner, denen allen die Köpfe fehlten. Ein Koch war beschäftigt, zu sieden und zu braten, Soldaten rupften und weideten aus, den Hof, die Flur und das ganze Haus füllten lauter Offiziere an, welche Ludwig militärisch grüßte und die Frage an sie richtete, ob er den Chef dieser Heeresabtheilung nicht sprechen könne? Nach einer Weile trat der Reiterbrigadegeneral aus dem Hause, ein Mann von Mittelgröße und martialischem Aussehen; ihm auf dem Fuße folgte sein General-Adjutant, ein Mann von wahrhaft riesigem Bau, dabei von vollendeter Formschöne und nicht unfreundlichen Zügen; hinter diesen schritt noch ein zweiter Adjutant, und ein Kreis von vielleicht fünfzig bis sechzig Offizieren umdrängte nun die Ankömmlinge. Ludwig und der Beamte schwangen sich rasch von ihren Pferden. Mein Bürgergeneral! begann der Graf ganz ohne Verlegenheit seine Anrede: darf ich bitten, mir einiges Gehör zu gönnen, und mir vor Allem zu sagen, mit wem ich die Ehre habe, zu sprechen? Ich bin nebst diesem Herrn ein Abgeordneter des Herzogs von diesem Lande. Ich bin General d'Hautpoule, Bürger! antwortete der Anführer. Hier mein General-Adjutant, Bürger Mortier, hier mein Aide de Camp, Bürger David. Womit können wir dienen? Bürger Jean Baptist Jourdan, sprach Ludwig: der Oberbefehlshaber der Rheinarmee hat ausdrücklich durch eine schriftliche Zusicherung dieses Land gegen alle feindliche Begegnung gesichert. Hier steht, daß er die dem Gesammthause Sachsen zugestandene Neutralität auch gegen das Haus Sachsen-Hildburghausen so lange wolle beobachten lassen, als diese Neutralität vom Directorium der Republik nicht verworfen wird. Wenn ein Neutralitätsvertrag nicht vollständig zu Stande kommt, soll dem herzoglichen Hause die Nachricht officiell mitgetheilt werden, daß die Feindseligkeiten ihren Anfang nähmen. Dieses letztere ist zur Zeit nicht geschehen, und dennoch, wie feindselig hausen Deine Truppen, Bürger-General, in diesem friedlichen und neutralen Lande! D'Hautpoule warf einen flüchtigen Blick auf das von Jourdan eigenhändig unterzeichnete Schutzpapier, schlug leicht mit der Hand Dort ging es her wie auf einem Jahrmarkte. Aus der unten am Flur liegenden Küche schlug heller Feuerschein hervor, die Flur selbst lag ganz voll von Geflügel aller Art: Gänse, Enten, Tauben, Rebhühner, denen allen die Köpfe fehlten. Ein Koch war beschäftigt, zu sieden und zu braten, Soldaten rupften und weideten aus, den Hof, die Flur und das ganze Haus füllten lauter Offiziere an, welche Ludwig militärisch grüßte und die Frage an sie richtete, ob er den Chef dieser Heeresabtheilung nicht sprechen könne? Nach einer Weile trat der Reiterbrigadegeneral aus dem Hause, ein Mann von Mittelgröße und martialischem Aussehen; ihm auf dem Fuße folgte sein General-Adjutant, ein Mann von wahrhaft riesigem Bau, dabei von vollendeter Formschöne und nicht unfreundlichen Zügen; hinter diesen schritt noch ein zweiter Adjutant, und ein Kreis von vielleicht fünfzig bis sechzig Offizieren umdrängte nun die Ankömmlinge. Ludwig und der Beamte schwangen sich rasch von ihren Pferden. Mein Bürgergeneral! begann der Graf ganz ohne Verlegenheit seine Anrede: darf ich bitten, mir einiges Gehör zu gönnen, und mir vor Allem zu sagen, mit wem ich die Ehre habe, zu sprechen? Ich bin nebst diesem Herrn ein Abgeordneter des Herzogs von diesem Lande. Ich bin General d’Hautpoule, Bürger! antwortete der Anführer. Hier mein General-Adjutant, Bürger Mortier, hier mein Aide de Camp, Bürger David. Womit können wir dienen? Bürger Jean Baptist Jourdan, sprach Ludwig: der Oberbefehlshaber der Rheinarmee hat ausdrücklich durch eine schriftliche Zusicherung dieses Land gegen alle feindliche Begegnung gesichert. Hier steht, daß er die dem Gesammthause Sachsen zugestandene Neutralität auch gegen das Haus Sachsen-Hildburghausen so lange wolle beobachten lassen, als diese Neutralität vom Directorium der Republik nicht verworfen wird. Wenn ein Neutralitätsvertrag nicht vollständig zu Stande kommt, soll dem herzoglichen Hause die Nachricht officiell mitgetheilt werden, daß die Feindseligkeiten ihren Anfang nähmen. Dieses letztere ist zur Zeit nicht geschehen, und dennoch, wie feindselig hausen Deine Truppen, Bürger-General, in diesem friedlichen und neutralen Lande! D’Hautpoule warf einen flüchtigen Blick auf das von Jourdan eigenhändig unterzeichnete Schutzpapier, schlug leicht mit der Hand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0322" n="318"/> <p>Dort ging es her wie auf einem Jahrmarkte. 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Mein Bürgergeneral! begann der Graf ganz ohne Verlegenheit seine Anrede: darf ich bitten, mir einiges Gehör zu gönnen, und mir vor Allem zu sagen, mit wem ich die Ehre habe, zu sprechen? Ich bin nebst diesem Herrn ein Abgeordneter des Herzogs von diesem Lande.</p> <p>Ich bin General d’Hautpoule, Bürger! antwortete der Anführer. Hier mein General-Adjutant, Bürger Mortier, hier mein Aide de Camp, Bürger David. Womit können wir dienen?</p> <p>Bürger Jean Baptist Jourdan, sprach Ludwig: der Oberbefehlshaber der Rheinarmee hat ausdrücklich durch eine schriftliche Zusicherung dieses Land gegen alle feindliche Begegnung gesichert. Hier steht, daß er die dem Gesammthause Sachsen zugestandene Neutralität auch gegen das Haus Sachsen-Hildburghausen so lange wolle beobachten lassen, als diese Neutralität vom Directorium der Republik nicht verworfen wird. Wenn ein Neutralitätsvertrag nicht vollständig zu Stande kommt, soll dem herzoglichen Hause die Nachricht officiell mitgetheilt werden, daß die Feindseligkeiten ihren Anfang nähmen. Dieses letztere ist zur Zeit nicht geschehen, und dennoch, wie feindselig hausen Deine Truppen, Bürger-General, in diesem friedlichen und neutralen Lande!</p> <p>D’Hautpoule warf einen flüchtigen Blick auf das von Jourdan eigenhändig unterzeichnete Schutzpapier, schlug leicht mit der Hand </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [318/0322]
Dort ging es her wie auf einem Jahrmarkte. Aus der unten am Flur liegenden Küche schlug heller Feuerschein hervor, die Flur selbst lag ganz voll von Geflügel aller Art: Gänse, Enten, Tauben, Rebhühner, denen allen die Köpfe fehlten. Ein Koch war beschäftigt, zu sieden und zu braten, Soldaten rupften und weideten aus, den Hof, die Flur und das ganze Haus füllten lauter Offiziere an, welche Ludwig militärisch grüßte und die Frage an sie richtete, ob er den Chef dieser Heeresabtheilung nicht sprechen könne? Nach einer Weile trat der Reiterbrigadegeneral aus dem Hause, ein Mann von Mittelgröße und martialischem Aussehen; ihm auf dem Fuße folgte sein General-Adjutant, ein Mann von wahrhaft riesigem Bau, dabei von vollendeter Formschöne und nicht unfreundlichen Zügen; hinter diesen schritt noch ein zweiter Adjutant, und ein Kreis von vielleicht fünfzig bis sechzig Offizieren umdrängte nun die Ankömmlinge. Ludwig und der Beamte schwangen sich rasch von ihren Pferden. Mein Bürgergeneral! begann der Graf ganz ohne Verlegenheit seine Anrede: darf ich bitten, mir einiges Gehör zu gönnen, und mir vor Allem zu sagen, mit wem ich die Ehre habe, zu sprechen? Ich bin nebst diesem Herrn ein Abgeordneter des Herzogs von diesem Lande.
Ich bin General d’Hautpoule, Bürger! antwortete der Anführer. Hier mein General-Adjutant, Bürger Mortier, hier mein Aide de Camp, Bürger David. Womit können wir dienen?
Bürger Jean Baptist Jourdan, sprach Ludwig: der Oberbefehlshaber der Rheinarmee hat ausdrücklich durch eine schriftliche Zusicherung dieses Land gegen alle feindliche Begegnung gesichert. Hier steht, daß er die dem Gesammthause Sachsen zugestandene Neutralität auch gegen das Haus Sachsen-Hildburghausen so lange wolle beobachten lassen, als diese Neutralität vom Directorium der Republik nicht verworfen wird. Wenn ein Neutralitätsvertrag nicht vollständig zu Stande kommt, soll dem herzoglichen Hause die Nachricht officiell mitgetheilt werden, daß die Feindseligkeiten ihren Anfang nähmen. Dieses letztere ist zur Zeit nicht geschehen, und dennoch, wie feindselig hausen Deine Truppen, Bürger-General, in diesem friedlichen und neutralen Lande!
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/322>, abgerufen am 15.06.2024. |