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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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diesem Hause geraubt und zum Staatseigenthum gemacht hatte, dieses Vermögen war unermeßlich.

Nach diesem Reichthum richtete sich indeß gar mancher Blick der Habgier und mancher andere Blick des Argwohns richtete sich nach dem edlen und unbefangenen Herzog; der Blick der Vatertreue aber flog über's Meer herüber voll banger Besorgniß. Die kurzen Abwesenheiten und Reisen des Herzogs, meist in aller Stille unternommen, fanden Mißdeutung; sie nährten auf der einen Seite den politischen Verdacht, auf der anderen vermehrten sie die wohlmeinende Warnung. Aber wann vernahm der Tannhäuser im Zauberberge der Liebe die Warnestimme des treuen Eckart? Eine graue Spinne wob größer und größer, weiter und weiter ein unsichtbares Netz -- sie hieß Verrath.

Schon im Sommer des Jahres 1803 hatte des Herzogs Vater, der zu Wanstead in England weilte, warnend an den Sohn geschrieben.

Mein Vater, sprach damals mittheilend der Herzog zu seiner Angebeteten: hegt seltsamen Verdacht. Höre, was er schreibt, meine Charlotte: "Man behauptet hier in Wanstead, daß du eine Reise nach Paris gemacht habest, Andere sagen, du seist nicht in Straßburg gewesen. Es leuchtet wohl ein, daß es mehr als zwecklos wäre, deine Freiheit und dein Leben auf das Spiel zu setzen."

Wer mag es gewesen sein, der deinem Vater diese Nachrichten hinterbracht hat? fragte die Prinzessin, welcher das Herz bange zu schlagen begann.

Das weiß nur Gott, nicht ich, meine Liebe, entgegnete der Herzog.

Und thatest du wirklich keinen so gefährlichen Schritt, mein Henri? Oder thatest du ihn? Vergaßest du mich und unser Kind? fragte mit liebevollster Besorgniß und voll Seelenangst Charlotte und schloß den Gemahl in ihre Arme, als fürchtete sie, ihn zu verlieren.

Der Herzog küßte sie und erwiederte halb zärtlich, halb schwermüthig: Nein, Charlotte, ich habe diesen Schritt nicht gethan, aber wenn ich ihn gethan hätte, wer wollte mir ihn, außer den Feinden unseres Hauses, verargen? Diese hier ausgesprochenen Befürchtungen liegen so

diesem Hause geraubt und zum Staatseigenthum gemacht hatte, dieses Vermögen war unermeßlich.

Nach diesem Reichthum richtete sich indeß gar mancher Blick der Habgier und mancher andere Blick des Argwohns richtete sich nach dem edlen und unbefangenen Herzog; der Blick der Vatertreue aber flog über’s Meer herüber voll banger Besorgniß. Die kurzen Abwesenheiten und Reisen des Herzogs, meist in aller Stille unternommen, fanden Mißdeutung; sie nährten auf der einen Seite den politischen Verdacht, auf der anderen vermehrten sie die wohlmeinende Warnung. Aber wann vernahm der Tannhäuser im Zauberberge der Liebe die Warnestimme des treuen Eckart? Eine graue Spinne wob größer und größer, weiter und weiter ein unsichtbares Netz — sie hieß Verrath.

Schon im Sommer des Jahres 1803 hatte des Herzogs Vater, der zu Wanstead in England weilte, warnend an den Sohn geschrieben.

Mein Vater, sprach damals mittheilend der Herzog zu seiner Angebeteten: hegt seltsamen Verdacht. Höre, was er schreibt, meine Charlotte: „Man behauptet hier in Wanstead, daß du eine Reise nach Paris gemacht habest, Andere sagen, du seist nicht in Straßburg gewesen. Es leuchtet wohl ein, daß es mehr als zwecklos wäre, deine Freiheit und dein Leben auf das Spiel zu setzen.“

Wer mag es gewesen sein, der deinem Vater diese Nachrichten hinterbracht hat? fragte die Prinzessin, welcher das Herz bange zu schlagen begann.

Das weiß nur Gott, nicht ich, meine Liebe, entgegnete der Herzog.

Und thatest du wirklich keinen so gefährlichen Schritt, mein Henri? Oder thatest du ihn? Vergaßest du mich und unser Kind? fragte mit liebevollster Besorgniß und voll Seelenangst Charlotte und schloß den Gemahl in ihre Arme, als fürchtete sie, ihn zu verlieren.

Der Herzog küßte sie und erwiederte halb zärtlich, halb schwermüthig: Nein, Charlotte, ich habe diesen Schritt nicht gethan, aber wenn ich ihn gethan hätte, wer wollte mir ihn, außer den Feinden unseres Hauses, verargen? Diese hier ausgesprochenen Befürchtungen liegen so

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[363/0367] diesem Hause geraubt und zum Staatseigenthum gemacht hatte, dieses Vermögen war unermeßlich. Nach diesem Reichthum richtete sich indeß gar mancher Blick der Habgier und mancher andere Blick des Argwohns richtete sich nach dem edlen und unbefangenen Herzog; der Blick der Vatertreue aber flog über’s Meer herüber voll banger Besorgniß. Die kurzen Abwesenheiten und Reisen des Herzogs, meist in aller Stille unternommen, fanden Mißdeutung; sie nährten auf der einen Seite den politischen Verdacht, auf der anderen vermehrten sie die wohlmeinende Warnung. Aber wann vernahm der Tannhäuser im Zauberberge der Liebe die Warnestimme des treuen Eckart? Eine graue Spinne wob größer und größer, weiter und weiter ein unsichtbares Netz — sie hieß Verrath. Schon im Sommer des Jahres 1803 hatte des Herzogs Vater, der zu Wanstead in England weilte, warnend an den Sohn geschrieben. Mein Vater, sprach damals mittheilend der Herzog zu seiner Angebeteten: hegt seltsamen Verdacht. Höre, was er schreibt, meine Charlotte: „Man behauptet hier in Wanstead, daß du eine Reise nach Paris gemacht habest, Andere sagen, du seist nicht in Straßburg gewesen. Es leuchtet wohl ein, daß es mehr als zwecklos wäre, deine Freiheit und dein Leben auf das Spiel zu setzen.“ Wer mag es gewesen sein, der deinem Vater diese Nachrichten hinterbracht hat? fragte die Prinzessin, welcher das Herz bange zu schlagen begann. Das weiß nur Gott, nicht ich, meine Liebe, entgegnete der Herzog. Und thatest du wirklich keinen so gefährlichen Schritt, mein Henri? Oder thatest du ihn? Vergaßest du mich und unser Kind? fragte mit liebevollster Besorgniß und voll Seelenangst Charlotte und schloß den Gemahl in ihre Arme, als fürchtete sie, ihn zu verlieren. Der Herzog küßte sie und erwiederte halb zärtlich, halb schwermüthig: Nein, Charlotte, ich habe diesen Schritt nicht gethan, aber wenn ich ihn gethan hätte, wer wollte mir ihn, außer den Feinden unseres Hauses, verargen? Diese hier ausgesprochenen Befürchtungen liegen so

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/367>, abgerufen am 22.11.2024.