Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Verhöre, die mit ihm vorgenommen wurden, und die der Welt wörtlich mitgetheilt sind, brachten keine Schuld heimlicher Verschwörung gegen das Leben des ersten Consuls auf den Herzog, aber wer waren seine Richter? Werkzeuge in der Hand eines Despoten! -- Das ist der Inhalt jenes Justizmordes in nuce, was auch Alles für und gegen ihn geschrieben wurde. Ein Brief, der dem Herzog unterwegs an die Prinzessin, die er noch nicht öffentlich seine Gemahlin nannte, zu schreiben erlaubt worden war, wurde von einem der Schergen unterschlagen. Mit Mannesmuth beantwortete der Herzog alle Fragen, gestand ein, den ganzen Krieg mit dem Conde'schen Corps mitgemacht zu haben, sagte aber aus, daß er den Gehalt von England als Pension beziehe, um zu leben, nicht um damit zu conspiriren. Die Richter des Herzogs darf die Geschichte nicht schonungslos verdammen; es war ihnen, lauter Offizieren von hohem Range, und ohne daß sie irgend vorbereitet waren, ohne daß sie Kenntnisse vom Rechte hatten, befohlen, den Herzog zu richten, sobald er eingestehen werde, die Waffen gegen Frankreich getragen zu haben. Dies gestand derselbe mit aller Freimüthigkeit ein, und fügte seinem Geständniß die Worte hinzu: "Nie kann ein Conde anders, als mit den Waffen in der Hand nach Frankreich zurückkehren." Das Todesloos fiel. Ohne legalen Richterspruch, ohne einen Vertheidiger wurde der Meuchelmord vollzogen. Die Richter waren noch in einem Zimmer, gleichsam abgesperrt, beisammen, um zu berathen, auf welchem Wege ein gemildertes Urtheil vom ersten Consul zu erlangen sein dürfte, da knallten schon im Festungsgraben die tödtlichen Schüsse. Die Richter waren sehr unglücklich -- auf sie und nicht auf den Vollstrecker der übereilten Hinrichtung lenkte sich das Verdammungsurtheil der ganzen gebildeten Welt. Hier hatte die Willkür das Urtheil vollzogen, ehe es noch begründet und in gesetzlicher Form bestätigt war. Der Herzog mußte sterben, denn er war in der Gewalt des Mannes, der ihn fürchtete und haßte, und war -- ein Bourbon! Mit mildem Trost sprach Ludwig zu der tiefgebeugten Tochter, und seine Worte fielen in ihr Herz, wie heilender Balsam sanft auf Wunden träufelt. Das schöne thränennasse Antlitz zu ihm erhoben, faßte Sophie Ludwig's Hände und sprach mit leisem Beben: Nun habe ich also keinen Vater mehr! Nun seien Sie mein Vater! Sie, dem ich anvertraut Verhöre, die mit ihm vorgenommen wurden, und die der Welt wörtlich mitgetheilt sind, brachten keine Schuld heimlicher Verschwörung gegen das Leben des ersten Consuls auf den Herzog, aber wer waren seine Richter? Werkzeuge in der Hand eines Despoten! — Das ist der Inhalt jenes Justizmordes in nuce, was auch Alles für und gegen ihn geschrieben wurde. Ein Brief, der dem Herzog unterwegs an die Prinzessin, die er noch nicht öffentlich seine Gemahlin nannte, zu schreiben erlaubt worden war, wurde von einem der Schergen unterschlagen. Mit Mannesmuth beantwortete der Herzog alle Fragen, gestand ein, den ganzen Krieg mit dem Condé’schen Corps mitgemacht zu haben, sagte aber aus, daß er den Gehalt von England als Pension beziehe, um zu leben, nicht um damit zu conspiriren. Die Richter des Herzogs darf die Geschichte nicht schonungslos verdammen; es war ihnen, lauter Offizieren von hohem Range, und ohne daß sie irgend vorbereitet waren, ohne daß sie Kenntnisse vom Rechte hatten, befohlen, den Herzog zu richten, sobald er eingestehen werde, die Waffen gegen Frankreich getragen zu haben. Dies gestand derselbe mit aller Freimüthigkeit ein, und fügte seinem Geständniß die Worte hinzu: „Nie kann ein Condé anders, als mit den Waffen in der Hand nach Frankreich zurückkehren.“ Das Todesloos fiel. Ohne legalen Richterspruch, ohne einen Vertheidiger wurde der Meuchelmord vollzogen. Die Richter waren noch in einem Zimmer, gleichsam abgesperrt, beisammen, um zu berathen, auf welchem Wege ein gemildertes Urtheil vom ersten Consul zu erlangen sein dürfte, da knallten schon im Festungsgraben die tödtlichen Schüsse. Die Richter waren sehr unglücklich — auf sie und nicht auf den Vollstrecker der übereilten Hinrichtung lenkte sich das Verdammungsurtheil der ganzen gebildeten Welt. Hier hatte die Willkür das Urtheil vollzogen, ehe es noch begründet und in gesetzlicher Form bestätigt war. Der Herzog mußte sterben, denn er war in der Gewalt des Mannes, der ihn fürchtete und haßte, und war — ein Bourbon! Mit mildem Trost sprach Ludwig zu der tiefgebeugten Tochter, und seine Worte fielen in ihr Herz, wie heilender Balsam sanft auf Wunden träufelt. Das schöne thränennasse Antlitz zu ihm erhoben, faßte Sophie Ludwig’s Hände und sprach mit leisem Beben: Nun habe ich also keinen Vater mehr! Nun seien Sie mein Vater! Sie, dem ich anvertraut <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0395" n="391"/> Verhöre, die mit ihm vorgenommen wurden, und die der Welt wörtlich mitgetheilt sind, brachten keine Schuld heimlicher Verschwörung gegen das Leben des ersten Consuls auf den Herzog, aber wer waren seine Richter? Werkzeuge in der Hand eines Despoten! — Das ist der Inhalt jenes Justizmordes <hi rendition="#aq">in nuce</hi>, was auch Alles für und gegen ihn geschrieben wurde. Ein Brief, der dem Herzog unterwegs an die Prinzessin, die er noch nicht öffentlich seine Gemahlin nannte, zu schreiben erlaubt worden war, wurde von einem der Schergen unterschlagen. Mit Mannesmuth beantwortete der Herzog alle Fragen, gestand ein, den ganzen Krieg mit dem Condé’schen Corps mitgemacht zu haben, sagte aber aus, daß er den Gehalt von England als Pension beziehe, um zu leben, nicht um damit zu conspiriren. Die Richter des Herzogs darf die Geschichte nicht schonungslos verdammen; es war ihnen, lauter Offizieren von hohem Range, und ohne daß sie irgend vorbereitet waren, ohne daß sie Kenntnisse vom Rechte hatten, befohlen, den Herzog zu richten, sobald er eingestehen werde, die Waffen gegen Frankreich getragen zu haben. Dies gestand derselbe mit aller Freimüthigkeit ein, und fügte seinem Geständniß die Worte hinzu: „Nie kann ein Condé anders, als mit den Waffen in der Hand nach Frankreich zurückkehren.“ Das Todesloos fiel. Ohne legalen Richterspruch, ohne einen Vertheidiger wurde der Meuchelmord vollzogen. Die Richter waren noch in einem Zimmer, gleichsam abgesperrt, beisammen, um zu berathen, auf welchem Wege ein gemildertes Urtheil vom ersten Consul zu erlangen sein dürfte, da knallten schon im Festungsgraben die tödtlichen Schüsse. Die Richter waren sehr unglücklich — auf sie und nicht auf den Vollstrecker der übereilten Hinrichtung lenkte sich das Verdammungsurtheil der ganzen gebildeten Welt. Hier hatte die Willkür das Urtheil vollzogen, ehe es noch begründet und in gesetzlicher Form bestätigt war. Der Herzog mußte sterben, denn er war in der Gewalt des Mannes, der ihn fürchtete und haßte, und war — ein Bourbon!</p> <p>Mit mildem Trost sprach Ludwig zu der tiefgebeugten Tochter, und seine Worte fielen in ihr Herz, wie heilender Balsam sanft auf Wunden träufelt. Das schöne thränennasse Antlitz zu ihm erhoben, faßte Sophie Ludwig’s Hände und sprach mit leisem Beben: Nun habe ich also keinen Vater mehr! Nun seien Sie mein Vater! 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Verhöre, die mit ihm vorgenommen wurden, und die der Welt wörtlich mitgetheilt sind, brachten keine Schuld heimlicher Verschwörung gegen das Leben des ersten Consuls auf den Herzog, aber wer waren seine Richter? Werkzeuge in der Hand eines Despoten! — Das ist der Inhalt jenes Justizmordes in nuce, was auch Alles für und gegen ihn geschrieben wurde. Ein Brief, der dem Herzog unterwegs an die Prinzessin, die er noch nicht öffentlich seine Gemahlin nannte, zu schreiben erlaubt worden war, wurde von einem der Schergen unterschlagen. Mit Mannesmuth beantwortete der Herzog alle Fragen, gestand ein, den ganzen Krieg mit dem Condé’schen Corps mitgemacht zu haben, sagte aber aus, daß er den Gehalt von England als Pension beziehe, um zu leben, nicht um damit zu conspiriren. Die Richter des Herzogs darf die Geschichte nicht schonungslos verdammen; es war ihnen, lauter Offizieren von hohem Range, und ohne daß sie irgend vorbereitet waren, ohne daß sie Kenntnisse vom Rechte hatten, befohlen, den Herzog zu richten, sobald er eingestehen werde, die Waffen gegen Frankreich getragen zu haben. Dies gestand derselbe mit aller Freimüthigkeit ein, und fügte seinem Geständniß die Worte hinzu: „Nie kann ein Condé anders, als mit den Waffen in der Hand nach Frankreich zurückkehren.“ Das Todesloos fiel. Ohne legalen Richterspruch, ohne einen Vertheidiger wurde der Meuchelmord vollzogen. Die Richter waren noch in einem Zimmer, gleichsam abgesperrt, beisammen, um zu berathen, auf welchem Wege ein gemildertes Urtheil vom ersten Consul zu erlangen sein dürfte, da knallten schon im Festungsgraben die tödtlichen Schüsse. Die Richter waren sehr unglücklich — auf sie und nicht auf den Vollstrecker der übereilten Hinrichtung lenkte sich das Verdammungsurtheil der ganzen gebildeten Welt. Hier hatte die Willkür das Urtheil vollzogen, ehe es noch begründet und in gesetzlicher Form bestätigt war. Der Herzog mußte sterben, denn er war in der Gewalt des Mannes, der ihn fürchtete und haßte, und war — ein Bourbon!
Mit mildem Trost sprach Ludwig zu der tiefgebeugten Tochter, und seine Worte fielen in ihr Herz, wie heilender Balsam sanft auf Wunden träufelt. Das schöne thränennasse Antlitz zu ihm erhoben, faßte Sophie Ludwig’s Hände und sprach mit leisem Beben: Nun habe ich also keinen Vater mehr! Nun seien Sie mein Vater! Sie, dem ich anvertraut
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