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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Rochus dich noch immer beschützt. Nach den Verträgen, die du mit den Verwandten abgeschlossen hast, beziehst Du nun von dem Hause van der Valck eine Jahresrente von zehntausend Gulden, erst fünftausend, und nun nach dem Tode deiner frommen Mutter nochmals fünftausend. Gratulire! Ach, wie gern hätte die Wohlselige mein armes Kirchlein zu Sanct Ottilien bedacht, aber die Hände waren ihr ja durch jene Verträge gebunden. Möchtest du, werther Leonardus, nicht deine milde Hand aufthun und ihren besten Wunsch erfüllen? Ich würde dich dann auch der ganz besonderen Gnade dieser heiligen und gebenedeiten Schutzpatronin empfehlen und ihre Fürbitte durch mein eifriges Gebet für dich erflehen. Du wirst wissen, geliebter Leonardus, daß die heilige Ottilia die Schutzpatronin der Augen ist, und sie wird durch mein Gebet Fürsorge tragen, daß deine Augen stets erfreuet werden, wie geschrieben steht: Unsere Augen sehen nichts wie Manna, und ferner: Gib mir die, so meinen Augen wohlgefällt. Anliegende versiegelte Kapsel, die wohl ein Bild enthalten dürfte, gab die Verblichene mit dem ausdrücklichen Wunsche in meine Hände, dasselbe dir gleich nach ihrem Abscheiden zu senden, welcher Pflicht ich hiermit nachkomme. Möge dies letzte Andenken für dich viel Erfreuliches enthalten!"

"Komisch ist, trotz aller Trauer, die ich dir pflichtschuldigst melden muß, daß nach dem Tode deiner seligen Frau Mutter mehr Lusttragende, sie zu beerben, als Leidtragende, sie zu bestatten, von allen Seiten herbeikamen. Wir sind auf einmal äußerst reich -- an lieben Verwandten geworden, und der Baum der van der Valckischen Sippschaft hat mehr Aeste, als mir bekannt war; bis nach Herzberg im Harzgebirge in Deutschland, ja bis nach Dahne im Königreich Preußen wohnen Menschenkinder, die unsere Verwandten sein wollen. Meinerseits konnte ich alle diese guten Seelen nur auffordern, sich mit mir, oder falls ihnen dies lieber wäre, mit Hiob zu trösten, und ihnen versprechen, daß ich sie in mein frommes Gebet einschließen wolle, doch glaube ich fast, daß ihnen daran Nichts gelegen ist, denn die gottlose Welt hat den rechten Glauben verloren."

"Noch muß ich dir, geliebter Leonardus, eine Nachricht als Neuigkeit mittheilen, welche dir gewiß eine große Freude machen wird. Du erinnerst dich sicherlich noch des vormaligen Schiffskapitäns auf deines wohlseligen Herrn Vaters "vergulder Rose" ; diese Pinke hat Herr

Rochus dich noch immer beschützt. Nach den Verträgen, die du mit den Verwandten abgeschlossen hast, beziehst Du nun von dem Hause van der Valck eine Jahresrente von zehntausend Gulden, erst fünftausend, und nun nach dem Tode deiner frommen Mutter nochmals fünftausend. Gratulire! Ach, wie gern hätte die Wohlselige mein armes Kirchlein zu Sanct Ottilien bedacht, aber die Hände waren ihr ja durch jene Verträge gebunden. Möchtest du, werther Leonardus, nicht deine milde Hand aufthun und ihren besten Wunsch erfüllen? Ich würde dich dann auch der ganz besonderen Gnade dieser heiligen und gebenedeiten Schutzpatronin empfehlen und ihre Fürbitte durch mein eifriges Gebet für dich erflehen. Du wirst wissen, geliebter Leonardus, daß die heilige Ottilia die Schutzpatronin der Augen ist, und sie wird durch mein Gebet Fürsorge tragen, daß deine Augen stets erfreuet werden, wie geschrieben steht: Unsere Augen sehen nichts wie Manna, und ferner: Gib mir die, so meinen Augen wohlgefällt. Anliegende versiegelte Kapsel, die wohl ein Bild enthalten dürfte, gab die Verblichene mit dem ausdrücklichen Wunsche in meine Hände, dasselbe dir gleich nach ihrem Abscheiden zu senden, welcher Pflicht ich hiermit nachkomme. Möge dies letzte Andenken für dich viel Erfreuliches enthalten!“

„Komisch ist, trotz aller Trauer, die ich dir pflichtschuldigst melden muß, daß nach dem Tode deiner seligen Frau Mutter mehr Lusttragende, sie zu beerben, als Leidtragende, sie zu bestatten, von allen Seiten herbeikamen. Wir sind auf einmal äußerst reich — an lieben Verwandten geworden, und der Baum der van der Valckischen Sippschaft hat mehr Aeste, als mir bekannt war; bis nach Herzberg im Harzgebirge in Deutschland, ja bis nach Dahne im Königreich Preußen wohnen Menschenkinder, die unsere Verwandten sein wollen. Meinerseits konnte ich alle diese guten Seelen nur auffordern, sich mit mir, oder falls ihnen dies lieber wäre, mit Hiob zu trösten, und ihnen versprechen, daß ich sie in mein frommes Gebet einschließen wolle, doch glaube ich fast, daß ihnen daran Nichts gelegen ist, denn die gottlose Welt hat den rechten Glauben verloren.“

„Noch muß ich dir, geliebter Leonardus, eine Nachricht als Neuigkeit mittheilen, welche dir gewiß eine große Freude machen wird. Du erinnerst dich sicherlich noch des vormaligen Schiffskapitäns auf deines wohlseligen Herrn Vaters »vergulder Rose“ ; diese Pinke hat Herr

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Rochus dich noch immer beschützt. Nach den Verträgen, die du mit den Verwandten abgeschlossen hast, beziehst Du nun von dem Hause van der Valck eine Jahresrente von zehntausend Gulden, erst fünftausend, und nun nach dem Tode deiner frommen Mutter nochmals fünftausend. Gratulire! Ach, wie gern hätte die Wohlselige mein armes Kirchlein zu Sanct Ottilien bedacht, aber die Hände waren ihr ja durch jene Verträge gebunden. Möchtest du, werther Leonardus, nicht deine milde Hand aufthun und ihren besten Wunsch erfüllen? Ich würde dich dann auch der ganz besonderen Gnade dieser heiligen und gebenedeiten Schutzpatronin empfehlen und ihre Fürbitte durch mein eifriges Gebet für dich erflehen. Du wirst wissen, geliebter Leonardus, daß die heilige Ottilia die Schutzpatronin der Augen ist, und sie wird durch mein Gebet Fürsorge tragen, daß deine Augen stets erfreuet werden, wie geschrieben steht: Unsere Augen sehen nichts wie Manna, und ferner: Gib mir die, so meinen Augen wohlgefällt. Anliegende versiegelte Kapsel, die wohl ein Bild enthalten dürfte, gab die Verblichene mit dem ausdrücklichen Wunsche in meine Hände, dasselbe dir gleich nach ihrem Abscheiden zu senden, welcher Pflicht ich hiermit nachkomme. Möge dies letzte Andenken für dich viel Erfreuliches enthalten!&#x201C; </p>
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[393/0397] Rochus dich noch immer beschützt. Nach den Verträgen, die du mit den Verwandten abgeschlossen hast, beziehst Du nun von dem Hause van der Valck eine Jahresrente von zehntausend Gulden, erst fünftausend, und nun nach dem Tode deiner frommen Mutter nochmals fünftausend. Gratulire! Ach, wie gern hätte die Wohlselige mein armes Kirchlein zu Sanct Ottilien bedacht, aber die Hände waren ihr ja durch jene Verträge gebunden. Möchtest du, werther Leonardus, nicht deine milde Hand aufthun und ihren besten Wunsch erfüllen? Ich würde dich dann auch der ganz besonderen Gnade dieser heiligen und gebenedeiten Schutzpatronin empfehlen und ihre Fürbitte durch mein eifriges Gebet für dich erflehen. Du wirst wissen, geliebter Leonardus, daß die heilige Ottilia die Schutzpatronin der Augen ist, und sie wird durch mein Gebet Fürsorge tragen, daß deine Augen stets erfreuet werden, wie geschrieben steht: Unsere Augen sehen nichts wie Manna, und ferner: Gib mir die, so meinen Augen wohlgefällt. Anliegende versiegelte Kapsel, die wohl ein Bild enthalten dürfte, gab die Verblichene mit dem ausdrücklichen Wunsche in meine Hände, dasselbe dir gleich nach ihrem Abscheiden zu senden, welcher Pflicht ich hiermit nachkomme. Möge dies letzte Andenken für dich viel Erfreuliches enthalten!“ „Komisch ist, trotz aller Trauer, die ich dir pflichtschuldigst melden muß, daß nach dem Tode deiner seligen Frau Mutter mehr Lusttragende, sie zu beerben, als Leidtragende, sie zu bestatten, von allen Seiten herbeikamen. Wir sind auf einmal äußerst reich — an lieben Verwandten geworden, und der Baum der van der Valckischen Sippschaft hat mehr Aeste, als mir bekannt war; bis nach Herzberg im Harzgebirge in Deutschland, ja bis nach Dahne im Königreich Preußen wohnen Menschenkinder, die unsere Verwandten sein wollen. Meinerseits konnte ich alle diese guten Seelen nur auffordern, sich mit mir, oder falls ihnen dies lieber wäre, mit Hiob zu trösten, und ihnen versprechen, daß ich sie in mein frommes Gebet einschließen wolle, doch glaube ich fast, daß ihnen daran Nichts gelegen ist, denn die gottlose Welt hat den rechten Glauben verloren.“ „Noch muß ich dir, geliebter Leonardus, eine Nachricht als Neuigkeit mittheilen, welche dir gewiß eine große Freude machen wird. Du erinnerst dich sicherlich noch des vormaligen Schiffskapitäns auf deines wohlseligen Herrn Vaters »vergulder Rose“ ; diese Pinke hat Herr

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/397>, abgerufen am 22.11.2024.