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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Haxthausen, Bielcke und der Grafen von Wedel heiratheten. Es erhoben nun, während die gräfliche Wittwe in Doorwerth residirte, Dänemark, Holstein und Oldenburg verschiedene Ansprüche auf das Erbtheil, bis zu deren abermaligem Verdruß der Sohn erschien, und wackere Vormünder diesem seine Rechte wahrten; gleichwohl gab es der Verclausulirungen dabei eine Ueberfülle, welche dir mitzutheilen, äußerst langweilig und unerquicklich sein würde; nur ein Hofrath Brünings und ein Rath Melchers können Honig aus dieser Distel saugen! -- Leider war auch dem Sohne, der sich zweimal vermählte, kein hohes Lebensziel zu erreichen beschieden und er starb ohne Söhne, nur eine einzige Tochter hinterlassend. Diese Tochter war meine selige Großmutter, die gütige Pflegerin meiner Jugend, die großmüthige Beschirmerin meiner Jünglingsjahre, deren Andenken ich dankbar segnen werde, so lange ich noch zu denken und zu segnen vermag. Weil die meisten Güter Allode und Familienbesitzthum waren, konnten dieselben meiner Großmutter nicht entrissen werden; sie vermählte sich mit einem in Holland geborenen, aber aus Deutschland, aus der Pfalz, unserer Anges Heimath, abstammenden Edelmann, mit dem sie jedoch nicht in glücklicher Ehe lebte, vielmehr sich von ihm trennte und Noth hatte, sich gegen Angriffe von allen Seiten her tapfer zu wehren, nächstdem, daß auch mannichfache Streitigkeiten in der Familie ihres Gemahls dazu beitrugen, ihr das Leben sauer zu machen. Sie war voll Kenntniß, Wissen, Geist und Gelehrsamkeit; sie stand mit den gelehrtesten Männern Europas im Briefwechsel, besonders über Alterthums- und Münzkunde, und weilte oft lange Zeit am Berliner, wie am Wiener und am französischen Hofe. Am Berliner Hofe betrieb sie ihre Angelegenheiten trotz eines Diplomaten, und hatte vielen Verkehr mit Voltaire. Die bedeutendsten Namen jener Zeit am Hofe zu Berlin und Potsdam sind erwähnt in einem Bruchstück ihres fast ganz verloren gegangenen umfassenden Tagebuches; bald speiste sie mit dem König, bald mit der Königin, bald mit dem Prinzen von Preußen, oder empfing Besuche hoher Personen, wie des Markgrafen von Bayreuth; schon ein flüchtiger Blick in diese Blätter begegnet einer Menge Namen von Grafen und Gräfinnen, Ministern, Künstlern, Gelehrten; das wirrt durcheinander, wie das Maskengewimmel eines großen Ballsaales. Schwerin, Arnim, Dankelmann, Voltaire, d'Argenteau, Algarotti,

Haxthausen, Bielcke und der Grafen von Wedel heiratheten. Es erhoben nun, während die gräfliche Wittwe in Doorwerth residirte, Dänemark, Holstein und Oldenburg verschiedene Ansprüche auf das Erbtheil, bis zu deren abermaligem Verdruß der Sohn erschien, und wackere Vormünder diesem seine Rechte wahrten; gleichwohl gab es der Verclausulirungen dabei eine Ueberfülle, welche dir mitzutheilen, äußerst langweilig und unerquicklich sein würde; nur ein Hofrath Brünings und ein Rath Melchers können Honig aus dieser Distel saugen! — Leider war auch dem Sohne, der sich zweimal vermählte, kein hohes Lebensziel zu erreichen beschieden und er starb ohne Söhne, nur eine einzige Tochter hinterlassend. Diese Tochter war meine selige Großmutter, die gütige Pflegerin meiner Jugend, die großmüthige Beschirmerin meiner Jünglingsjahre, deren Andenken ich dankbar segnen werde, so lange ich noch zu denken und zu segnen vermag. Weil die meisten Güter Allode und Familienbesitzthum waren, konnten dieselben meiner Großmutter nicht entrissen werden; sie vermählte sich mit einem in Holland geborenen, aber aus Deutschland, aus der Pfalz, unserer Angés Heimath, abstammenden Edelmann, mit dem sie jedoch nicht in glücklicher Ehe lebte, vielmehr sich von ihm trennte und Noth hatte, sich gegen Angriffe von allen Seiten her tapfer zu wehren, nächstdem, daß auch mannichfache Streitigkeiten in der Familie ihres Gemahls dazu beitrugen, ihr das Leben sauer zu machen. Sie war voll Kenntniß, Wissen, Geist und Gelehrsamkeit; sie stand mit den gelehrtesten Männern Europas im Briefwechsel, besonders über Alterthums- und Münzkunde, und weilte oft lange Zeit am Berliner, wie am Wiener und am französischen Hofe. Am Berliner Hofe betrieb sie ihre Angelegenheiten trotz eines Diplomaten, und hatte vielen Verkehr mit Voltaire. Die bedeutendsten Namen jener Zeit am Hofe zu Berlin und Potsdam sind erwähnt in einem Bruchstück ihres fast ganz verloren gegangenen umfassenden Tagebuches; bald speiste sie mit dem König, bald mit der Königin, bald mit dem Prinzen von Preußen, oder empfing Besuche hoher Personen, wie des Markgrafen von Bayreuth; schon ein flüchtiger Blick in diese Blätter begegnet einer Menge Namen von Grafen und Gräfinnen, Ministern, Künstlern, Gelehrten; das wirrt durcheinander, wie das Maskengewimmel eines großen Ballsaales. Schwerin, Arnim, Dankelmann, Voltaire, d’Argenteau, Algarotti,

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Haxthausen, Bielcke und der Grafen von Wedel heiratheten. Es erhoben nun, während die gräfliche Wittwe in Doorwerth residirte, Dänemark, Holstein und Oldenburg verschiedene Ansprüche auf das Erbtheil, bis zu deren abermaligem Verdruß der Sohn erschien, und wackere Vormünder diesem seine Rechte wahrten; gleichwohl gab es der Verclausulirungen dabei eine Ueberfülle, welche dir mitzutheilen, äußerst langweilig und unerquicklich sein würde; nur ein Hofrath Brünings und ein Rath Melchers können Honig aus dieser Distel saugen! &#x2014; Leider war auch dem Sohne, der sich zweimal vermählte, kein hohes Lebensziel zu erreichen beschieden und er starb ohne Söhne, nur eine einzige Tochter hinterlassend. Diese Tochter war meine selige Großmutter, die gütige Pflegerin meiner Jugend, die großmüthige Beschirmerin meiner Jünglingsjahre, deren Andenken ich dankbar segnen werde, so lange ich noch zu denken und zu segnen vermag. Weil die meisten Güter Allode und Familienbesitzthum waren, konnten dieselben meiner Großmutter nicht entrissen werden; sie vermählte sich mit einem in Holland geborenen, aber aus Deutschland, aus der Pfalz, unserer Angés Heimath, abstammenden Edelmann, mit dem sie jedoch nicht in glücklicher Ehe lebte, vielmehr sich von ihm trennte und Noth hatte, sich gegen Angriffe von allen Seiten her tapfer zu wehren, nächstdem, daß auch mannichfache Streitigkeiten in der Familie ihres Gemahls dazu beitrugen, ihr das Leben sauer zu machen. Sie war voll Kenntniß, Wissen, Geist und Gelehrsamkeit; sie stand mit den gelehrtesten Männern Europas im Briefwechsel, besonders über Alterthums- und Münzkunde, und weilte oft lange Zeit am Berliner, wie am Wiener und am französischen Hofe. Am Berliner Hofe betrieb sie ihre Angelegenheiten trotz eines Diplomaten, und hatte vielen Verkehr mit Voltaire. Die bedeutendsten Namen jener Zeit am Hofe zu Berlin und Potsdam sind erwähnt in einem Bruchstück ihres fast ganz verloren gegangenen umfassenden Tagebuches; bald speiste sie mit dem König, bald mit der Königin, bald mit dem Prinzen von Preußen, oder empfing Besuche hoher Personen, wie des Markgrafen von Bayreuth; schon ein flüchtiger Blick in diese Blätter begegnet einer Menge Namen von Grafen und Gräfinnen, Ministern, Künstlern, Gelehrten; das wirrt durcheinander, wie das Maskengewimmel eines großen Ballsaales. Schwerin, Arnim, Dankelmann, Voltaire, d&#x2019;Argenteau, Algarotti,
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[438/0442] Haxthausen, Bielcke und der Grafen von Wedel heiratheten. Es erhoben nun, während die gräfliche Wittwe in Doorwerth residirte, Dänemark, Holstein und Oldenburg verschiedene Ansprüche auf das Erbtheil, bis zu deren abermaligem Verdruß der Sohn erschien, und wackere Vormünder diesem seine Rechte wahrten; gleichwohl gab es der Verclausulirungen dabei eine Ueberfülle, welche dir mitzutheilen, äußerst langweilig und unerquicklich sein würde; nur ein Hofrath Brünings und ein Rath Melchers können Honig aus dieser Distel saugen! — Leider war auch dem Sohne, der sich zweimal vermählte, kein hohes Lebensziel zu erreichen beschieden und er starb ohne Söhne, nur eine einzige Tochter hinterlassend. Diese Tochter war meine selige Großmutter, die gütige Pflegerin meiner Jugend, die großmüthige Beschirmerin meiner Jünglingsjahre, deren Andenken ich dankbar segnen werde, so lange ich noch zu denken und zu segnen vermag. Weil die meisten Güter Allode und Familienbesitzthum waren, konnten dieselben meiner Großmutter nicht entrissen werden; sie vermählte sich mit einem in Holland geborenen, aber aus Deutschland, aus der Pfalz, unserer Angés Heimath, abstammenden Edelmann, mit dem sie jedoch nicht in glücklicher Ehe lebte, vielmehr sich von ihm trennte und Noth hatte, sich gegen Angriffe von allen Seiten her tapfer zu wehren, nächstdem, daß auch mannichfache Streitigkeiten in der Familie ihres Gemahls dazu beitrugen, ihr das Leben sauer zu machen. Sie war voll Kenntniß, Wissen, Geist und Gelehrsamkeit; sie stand mit den gelehrtesten Männern Europas im Briefwechsel, besonders über Alterthums- und Münzkunde, und weilte oft lange Zeit am Berliner, wie am Wiener und am französischen Hofe. Am Berliner Hofe betrieb sie ihre Angelegenheiten trotz eines Diplomaten, und hatte vielen Verkehr mit Voltaire. Die bedeutendsten Namen jener Zeit am Hofe zu Berlin und Potsdam sind erwähnt in einem Bruchstück ihres fast ganz verloren gegangenen umfassenden Tagebuches; bald speiste sie mit dem König, bald mit der Königin, bald mit dem Prinzen von Preußen, oder empfing Besuche hoher Personen, wie des Markgrafen von Bayreuth; schon ein flüchtiger Blick in diese Blätter begegnet einer Menge Namen von Grafen und Gräfinnen, Ministern, Künstlern, Gelehrten; das wirrt durcheinander, wie das Maskengewimmel eines großen Ballsaales. Schwerin, Arnim, Dankelmann, Voltaire, d’Argenteau, Algarotti,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/442>, abgerufen am 22.11.2024.