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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Namen der Dame, Namen der Dame! rief der Graf in großer Betroffenheit.

"In Betreff anderweiter Gegenstände ist keine andere gültige Form einzurichten, als die, daß Euer Gnaden in Gegenwart zweier Zeugen eine Schenkung unter den Lebenden machen, wobei die Dame gegenwärtig ist und sagt: Ich nehme diese Schenkung an."

"Letzteres hat jedoch nach hiesigen Gesetzen nur Rechtskraft und Rechtsgültigkeit, wenn die Schenkung unter 300 Ducaten beträgt. Ueber diese Summe hinaus ist die Schenkung nur gültig, wenn sie in Gegenwart von Gerichtspersonen geschieht."

O mein Himmel, wie wäre das möglich! stöhnte der Graf, und seine Hände zitterten.

"Meine unmaßgebliche Meinung wäre dahin gerichtet, Hochdieselben wollten erlauben, daß ein Assessor des hiesigen Stadtgerichts hinauskommen dürfte, vor dem der ganze Actus für jetzt und alle Zukunft binnen drei Minuten zu beendigen wäre, indem ich Hochdero gnädige Dispositionen schon vorher zu Papier gebracht hätte, Euer Gnaden nur Namen und Daten ausfüllten und diese Schrift der Gerichtsperson dann mit den Worten übergäben: Dieses ist mein Wille, nehmen Sie denselben zu Protocoll. Das Uebrige besorgen dann die Gerichtspersonen in einem andern Zimmer, und es wird dann das gerichtlich ausgefertigte Instrument zu Hochdero Unterschrift vorgelegt; dabei werden, dafür stehe ich ein, Assessor und Secretair unaufgefordert kein Wort sprechen. Durch diesen Act wird bei einem etwaigen Sterbefall die Versiegelung überflüssig gemacht und jeder obrigkeitlichen Einmischung in Hochdero beiderseitige Hinterlassenschaft vorgebeugt. --"

Diese Schenkung, so weit sie Sophien betraf, gelangte nie zur Ausführung, denn Jene kam nicht in den Fall, derselben zu bedürfen.

Es kam Alles ganz anders, als der Graf geglaubt hatte. Noch eine Reihe von Jahren blieben sie in ihrer stillen Liebe vereinigt. Ludwig erfreute sich, wenn auch bisweilen schwankender, doch im Ganzen guter Gesundheit, aber Sophiens zartes Wangenroth, das so ungesehen von der Welt verblühte, wie eine schöne Blume im Hochgebirge oder in tiefer Waldeinsamkeit, wurde allmälig bleich, immer zarter und

Namen der Dame, Namen der Dame! rief der Graf in großer Betroffenheit.

„In Betreff anderweiter Gegenstände ist keine andere gültige Form einzurichten, als die, daß Euer Gnaden in Gegenwart zweier Zeugen eine Schenkung unter den Lebenden machen, wobei die Dame gegenwärtig ist und sagt: Ich nehme diese Schenkung an.“

„Letzteres hat jedoch nach hiesigen Gesetzen nur Rechtskraft und Rechtsgültigkeit, wenn die Schenkung unter 300 Ducaten beträgt. Ueber diese Summe hinaus ist die Schenkung nur gültig, wenn sie in Gegenwart von Gerichtspersonen geschieht.“

O mein Himmel, wie wäre das möglich! stöhnte der Graf, und seine Hände zitterten.

„Meine unmaßgebliche Meinung wäre dahin gerichtet, Hochdieselben wollten erlauben, daß ein Assessor des hiesigen Stadtgerichts hinauskommen dürfte, vor dem der ganze Actus für jetzt und alle Zukunft binnen drei Minuten zu beendigen wäre, indem ich Hochdero gnädige Dispositionen schon vorher zu Papier gebracht hätte, Euer Gnaden nur Namen und Daten ausfüllten und diese Schrift der Gerichtsperson dann mit den Worten übergäben: Dieses ist mein Wille, nehmen Sie denselben zu Protocoll. Das Uebrige besorgen dann die Gerichtspersonen in einem andern Zimmer, und es wird dann das gerichtlich ausgefertigte Instrument zu Hochdero Unterschrift vorgelegt; dabei werden, dafür stehe ich ein, Assessor und Secretair unaufgefordert kein Wort sprechen. Durch diesen Act wird bei einem etwaigen Sterbefall die Versiegelung überflüssig gemacht und jeder obrigkeitlichen Einmischung in Hochdero beiderseitige Hinterlassenschaft vorgebeugt. —“

Diese Schenkung, so weit sie Sophien betraf, gelangte nie zur Ausführung, denn Jene kam nicht in den Fall, derselben zu bedürfen.

Es kam Alles ganz anders, als der Graf geglaubt hatte. Noch eine Reihe von Jahren blieben sie in ihrer stillen Liebe vereinigt. Ludwig erfreute sich, wenn auch bisweilen schwankender, doch im Ganzen guter Gesundheit, aber Sophiens zartes Wangenroth, das so ungesehen von der Welt verblühte, wie eine schöne Blume im Hochgebirge oder in tiefer Waldeinsamkeit, wurde allmälig bleich, immer zarter und

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[453/0457] Namen der Dame, Namen der Dame! rief der Graf in großer Betroffenheit. „In Betreff anderweiter Gegenstände ist keine andere gültige Form einzurichten, als die, daß Euer Gnaden in Gegenwart zweier Zeugen eine Schenkung unter den Lebenden machen, wobei die Dame gegenwärtig ist und sagt: Ich nehme diese Schenkung an.“ „Letzteres hat jedoch nach hiesigen Gesetzen nur Rechtskraft und Rechtsgültigkeit, wenn die Schenkung unter 300 Ducaten beträgt. Ueber diese Summe hinaus ist die Schenkung nur gültig, wenn sie in Gegenwart von Gerichtspersonen geschieht.“ O mein Himmel, wie wäre das möglich! stöhnte der Graf, und seine Hände zitterten. „Meine unmaßgebliche Meinung wäre dahin gerichtet, Hochdieselben wollten erlauben, daß ein Assessor des hiesigen Stadtgerichts hinauskommen dürfte, vor dem der ganze Actus für jetzt und alle Zukunft binnen drei Minuten zu beendigen wäre, indem ich Hochdero gnädige Dispositionen schon vorher zu Papier gebracht hätte, Euer Gnaden nur Namen und Daten ausfüllten und diese Schrift der Gerichtsperson dann mit den Worten übergäben: Dieses ist mein Wille, nehmen Sie denselben zu Protocoll. Das Uebrige besorgen dann die Gerichtspersonen in einem andern Zimmer, und es wird dann das gerichtlich ausgefertigte Instrument zu Hochdero Unterschrift vorgelegt; dabei werden, dafür stehe ich ein, Assessor und Secretair unaufgefordert kein Wort sprechen. Durch diesen Act wird bei einem etwaigen Sterbefall die Versiegelung überflüssig gemacht und jeder obrigkeitlichen Einmischung in Hochdero beiderseitige Hinterlassenschaft vorgebeugt. —“ Diese Schenkung, so weit sie Sophien betraf, gelangte nie zur Ausführung, denn Jene kam nicht in den Fall, derselben zu bedürfen. Es kam Alles ganz anders, als der Graf geglaubt hatte. Noch eine Reihe von Jahren blieben sie in ihrer stillen Liebe vereinigt. Ludwig erfreute sich, wenn auch bisweilen schwankender, doch im Ganzen guter Gesundheit, aber Sophiens zartes Wangenroth, das so ungesehen von der Welt verblühte, wie eine schöne Blume im Hochgebirge oder in tiefer Waldeinsamkeit, wurde allmälig bleich, immer zarter und

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/457>, abgerufen am 23.11.2024.