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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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manchen werthvollen Schmuck, den ihr die Mutter gegeben. Was sollte er damit, was sollten Andere damit anfangen? Und Alles, was er an Schriften besaß, die nur im Entferntesten Sophiens Geheimniß berührten, barg er gleichfalls unter ihrem Gewande. In den gefalteten Händen hielt sie ein kleines Kruzifix aus Elfenbein vom höchsten Kunstwerth; das jetzt braune Haar, welches einst so reizend blond das Haupt des schönen Kindes umwallte, schmückte ein Kranz von weißen Immortellen, befestigt mit einer Nadel, die eine große Perle zierte.

Noch einen Blick, einen langen, zärtlichen Blick, noch eine Bewegung des Segnens, dann legte Ludwig selbst den Deckel des Sarges über seine schöne Todte und wankte zur Klingel.

Dunkele Männergestalten kamen herein, der Graf ging in sein Zimmer zurück, unten stand schon Alles bereit, scharrende Pferde, der Leichenwagen, Laternenträger, die Todtenfrauen und eine große schweigsame Volksmenge.

Langsam rollte der Wagen von dannen, stille Männer und Knaben mit Laternen schritten voran und zur Seite, Andere folgten.

Keine Glocke erklang, kein Geistlicher folgte dem Sarge.

Die Novembernacht war still, es begann leise zu schneien. Am Fenster stand der Graf und blickte mit thränenlosen Augen dem Schimmer nach, der sich seinem Auge erst eine Zeitlang entzog, als der stille Zug durch Steinfeld sich bewegte, dann jenseits dieses Dorfes wieder sichtbar werdend, mehr und mehr zur Höhe emporstieg. Hoch zogen sich die Lichter, es war, als wenn irrende Sterne aufwärts wollten, hinauf zu den Brudersternen am ewigen Himmel.

Jetzt wußte es Ludwig, wer damals, als er in Fieberphantasien lag, die dunkele Gestalt gewesen war, die seine Lilie ihm entführte, seine helle Lilie, die zuletzt zum Steine wurde; droben verschwanden die Lichter über die Berghöhe, eines nach dem andern, jetzt war nur noch Eins sichtbar -- recht hell und wahrhaft wie ein Stern anzuschauen, jetzt erlosch auch dieses und war fort, den andern nach. --

Wo der Weg zu Thal sich senkt, an derselben Stelle, die einst den Liebenden einen reizenden Fernblick eröffnet und so manchen Traum von einer schönen liebverklärten Zukunft, da hielt der Leichenwagen, da hoben die Träger den Sarg herab, da ordnete sich der kleine Zug,

manchen werthvollen Schmuck, den ihr die Mutter gegeben. Was sollte er damit, was sollten Andere damit anfangen? Und Alles, was er an Schriften besaß, die nur im Entferntesten Sophiens Geheimniß berührten, barg er gleichfalls unter ihrem Gewande. In den gefalteten Händen hielt sie ein kleines Kruzifix aus Elfenbein vom höchsten Kunstwerth; das jetzt braune Haar, welches einst so reizend blond das Haupt des schönen Kindes umwallte, schmückte ein Kranz von weißen Immortellen, befestigt mit einer Nadel, die eine große Perle zierte.

Noch einen Blick, einen langen, zärtlichen Blick, noch eine Bewegung des Segnens, dann legte Ludwig selbst den Deckel des Sarges über seine schöne Todte und wankte zur Klingel.

Dunkele Männergestalten kamen herein, der Graf ging in sein Zimmer zurück, unten stand schon Alles bereit, scharrende Pferde, der Leichenwagen, Laternenträger, die Todtenfrauen und eine große schweigsame Volksmenge.

Langsam rollte der Wagen von dannen, stille Männer und Knaben mit Laternen schritten voran und zur Seite, Andere folgten.

Keine Glocke erklang, kein Geistlicher folgte dem Sarge.

Die Novembernacht war still, es begann leise zu schneien. Am Fenster stand der Graf und blickte mit thränenlosen Augen dem Schimmer nach, der sich seinem Auge erst eine Zeitlang entzog, als der stille Zug durch Steinfeld sich bewegte, dann jenseits dieses Dorfes wieder sichtbar werdend, mehr und mehr zur Höhe emporstieg. Hoch zogen sich die Lichter, es war, als wenn irrende Sterne aufwärts wollten, hinauf zu den Brudersternen am ewigen Himmel.

Jetzt wußte es Ludwig, wer damals, als er in Fieberphantasien lag, die dunkele Gestalt gewesen war, die seine Lilie ihm entführte, seine helle Lilie, die zuletzt zum Steine wurde; droben verschwanden die Lichter über die Berghöhe, eines nach dem andern, jetzt war nur noch Eins sichtbar — recht hell und wahrhaft wie ein Stern anzuschauen, jetzt erlosch auch dieses und war fort, den andern nach. —

Wo der Weg zu Thal sich senkt, an derselben Stelle, die einst den Liebenden einen reizenden Fernblick eröffnet und so manchen Traum von einer schönen liebverklärten Zukunft, da hielt der Leichenwagen, da hoben die Träger den Sarg herab, da ordnete sich der kleine Zug,

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[457/0461] manchen werthvollen Schmuck, den ihr die Mutter gegeben. Was sollte er damit, was sollten Andere damit anfangen? Und Alles, was er an Schriften besaß, die nur im Entferntesten Sophiens Geheimniß berührten, barg er gleichfalls unter ihrem Gewande. In den gefalteten Händen hielt sie ein kleines Kruzifix aus Elfenbein vom höchsten Kunstwerth; das jetzt braune Haar, welches einst so reizend blond das Haupt des schönen Kindes umwallte, schmückte ein Kranz von weißen Immortellen, befestigt mit einer Nadel, die eine große Perle zierte. Noch einen Blick, einen langen, zärtlichen Blick, noch eine Bewegung des Segnens, dann legte Ludwig selbst den Deckel des Sarges über seine schöne Todte und wankte zur Klingel. Dunkele Männergestalten kamen herein, der Graf ging in sein Zimmer zurück, unten stand schon Alles bereit, scharrende Pferde, der Leichenwagen, Laternenträger, die Todtenfrauen und eine große schweigsame Volksmenge. Langsam rollte der Wagen von dannen, stille Männer und Knaben mit Laternen schritten voran und zur Seite, Andere folgten. Keine Glocke erklang, kein Geistlicher folgte dem Sarge. Die Novembernacht war still, es begann leise zu schneien. Am Fenster stand der Graf und blickte mit thränenlosen Augen dem Schimmer nach, der sich seinem Auge erst eine Zeitlang entzog, als der stille Zug durch Steinfeld sich bewegte, dann jenseits dieses Dorfes wieder sichtbar werdend, mehr und mehr zur Höhe emporstieg. Hoch zogen sich die Lichter, es war, als wenn irrende Sterne aufwärts wollten, hinauf zu den Brudersternen am ewigen Himmel. Jetzt wußte es Ludwig, wer damals, als er in Fieberphantasien lag, die dunkele Gestalt gewesen war, die seine Lilie ihm entführte, seine helle Lilie, die zuletzt zum Steine wurde; droben verschwanden die Lichter über die Berghöhe, eines nach dem andern, jetzt war nur noch Eins sichtbar — recht hell und wahrhaft wie ein Stern anzuschauen, jetzt erlosch auch dieses und war fort, den andern nach. — Wo der Weg zu Thal sich senkt, an derselben Stelle, die einst den Liebenden einen reizenden Fernblick eröffnet und so manchen Traum von einer schönen liebverklärten Zukunft, da hielt der Leichenwagen, da hoben die Träger den Sarg herab, da ordnete sich der kleine Zug,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/461>, abgerufen am 24.11.2024.