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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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normalisieren. Durch solche eingehende Betrachtungen, von circa
32 Detailszeichnungen und Skizzen begleitet, gelangte dann Leonardo
zu der Schlusskonstruktion, die er uns in einer perspektivischen An-
sichtszeichnung, mit Sepia schattiert, so vorführt, dass sie einmal zeigt,
wie Leonardos Konstruktion mit der heutigen in Carrara u. s. w. ge-
brauchten Marmorsäge identisch ist, sodann aber, dass sie sicherlich
für die Praxis bestimmt war. Ganz ähnlich könnte ich 100 Beispiele
aus Leonardos Manuskripten beibringen.

Der Reichtum der hinterlassenen Skizzen ist so gross, dass wir
nur einzelnes, was mit der metallurgischen Technik in näherer Be-
ziehung steht, herausgreifen können. Wir verweisen zunächst auf die
oben schon angeführten Wasserräder, von denen Leonardo zahlreiche
Abbildungen und Entwürfe mitteilt. So giebt er die alten Löffelräder
in verschiedenen Variationen, sowie mittel- und oberschlächtige und
unterschlächtige Räder (s. oben S. 987 und 988), die nur wenig von
den Konstruktionen derjenigen abweichen, die erst nach Leonardo
zuerst durch Druck und Illustration bekannt wurden. Dagegen finden
wir auch eine Zahl anderer Ideeen und Skizzen bei Leonardo, welche
uns lehren, dass der grosse Ingenieur bestrebt war, eine bessere Aus-
nutzung der Wasserkraft zu erzielen. Er wurde hierauf wohl durch
seine Beobachtungen über die Bewegung des Wassers in Flüssen und
Kanälen hingeführt. Wir haben bereits erwähnt, dass es Leonardos
Art war, die Maschinen in ihre einzelnen Teile zu zerlegen, sie aus
ihren Teilen zusammenzusetzen. Reuleaux ist also sehr im Unrecht,
wenn er in seiner Einleitung zur Kinematik Leupold, dessen Theatrum
machinarum aus dem vorigen Jahrhundert stammt, als denjenigen
nennt, der zuerst diese Methode aufgebracht habe. Gerade in der
Darstellung der Maschinenteile Leonardos ist ein Schatz origineller,
konstruktiver Ideeen enthalten. So finden wir einen Reichtum von
Bewegungsübertragungen skizziert, die uns in Erstaunen setzen 1). Wir
sehen nicht nur Drehlinge, Zahnräder, sondern auch Friktionsräder,
Kegelräder u. s. w. Bei einer Maschine zur Streckung des Eisens
benutzte Leonardo Schraubenräder zur Übertragung, bei welchen
die Schraube ohne Ende dreimal eingeschaltet ist. Bei derselben ist
auch ein getriebenes Zahnrad mit Schraubenmutter am Zentrum ver-
sehen, welche die mit Schrauben ganz versehene Zugstange voranzieht.
Bei dieser Gelegenheit giebt Leonardo zugleich eine Berechnung der
Bewegungsübersetzung bis auf die Walzscheibe vom Wasserrade her.


1) Grothe a. a. O. S. 72, wo eine Anzahl interessanter Skizzen mitgeteilt ist.
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normalisieren. Durch solche eingehende Betrachtungen, von circa
32 Detailszeichnungen und Skizzen begleitet, gelangte dann Leonardo
zu der Schluſskonstruktion, die er uns in einer perspektivischen An-
sichtszeichnung, mit Sepia schattiert, so vorführt, daſs sie einmal zeigt,
wie Leonardos Konstruktion mit der heutigen in Carrara u. s. w. ge-
brauchten Marmorsäge identisch ist, sodann aber, daſs sie sicherlich
für die Praxis bestimmt war. Ganz ähnlich könnte ich 100 Beispiele
aus Leonardos Manuskripten beibringen.

Der Reichtum der hinterlassenen Skizzen ist so groſs, daſs wir
nur einzelnes, was mit der metallurgischen Technik in näherer Be-
ziehung steht, herausgreifen können. Wir verweisen zunächst auf die
oben schon angeführten Wasserräder, von denen Leonardo zahlreiche
Abbildungen und Entwürfe mitteilt. So giebt er die alten Löffelräder
in verschiedenen Variationen, sowie mittel- und oberschlächtige und
unterschlächtige Räder (s. oben S. 987 und 988), die nur wenig von
den Konstruktionen derjenigen abweichen, die erst nach Leonardo
zuerst durch Druck und Illustration bekannt wurden. Dagegen finden
wir auch eine Zahl anderer Ideeen und Skizzen bei Leonardo, welche
uns lehren, daſs der groſse Ingenieur bestrebt war, eine bessere Aus-
nutzung der Wasserkraft zu erzielen. Er wurde hierauf wohl durch
seine Beobachtungen über die Bewegung des Wassers in Flüssen und
Kanälen hingeführt. Wir haben bereits erwähnt, daſs es Leonardos
Art war, die Maschinen in ihre einzelnen Teile zu zerlegen, sie aus
ihren Teilen zusammenzusetzen. Reuleaux ist also sehr im Unrecht,
wenn er in seiner Einleitung zur Kinematik Leupold, dessen Theatrum
machinarum aus dem vorigen Jahrhundert stammt, als denjenigen
nennt, der zuerst diese Methode aufgebracht habe. Gerade in der
Darstellung der Maschinenteile Leonardos ist ein Schatz origineller,
konstruktiver Ideeen enthalten. So finden wir einen Reichtum von
Bewegungsübertragungen skizziert, die uns in Erstaunen setzen 1). Wir
sehen nicht nur Drehlinge, Zahnräder, sondern auch Friktionsräder,
Kegelräder u. s. w. Bei einer Maschine zur Streckung des Eisens
benutzte Leonardo Schraubenräder zur Übertragung, bei welchen
die Schraube ohne Ende dreimal eingeschaltet ist. Bei derselben ist
auch ein getriebenes Zahnrad mit Schraubenmutter am Zentrum ver-
sehen, welche die mit Schrauben ganz versehene Zugstange voranzieht.
Bei dieser Gelegenheit giebt Leonardo zugleich eine Berechnung der
Bewegungsübersetzung bis auf die Walzscheibe vom Wasserrade her.


1) Grothe a. a. O. S. 72, wo eine Anzahl interessanter Skizzen mitgeteilt ist.
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[995/1017] Leonardo da Vinci. normalisieren. Durch solche eingehende Betrachtungen, von circa 32 Detailszeichnungen und Skizzen begleitet, gelangte dann Leonardo zu der Schluſskonstruktion, die er uns in einer perspektivischen An- sichtszeichnung, mit Sepia schattiert, so vorführt, daſs sie einmal zeigt, wie Leonardos Konstruktion mit der heutigen in Carrara u. s. w. ge- brauchten Marmorsäge identisch ist, sodann aber, daſs sie sicherlich für die Praxis bestimmt war. Ganz ähnlich könnte ich 100 Beispiele aus Leonardos Manuskripten beibringen. Der Reichtum der hinterlassenen Skizzen ist so groſs, daſs wir nur einzelnes, was mit der metallurgischen Technik in näherer Be- ziehung steht, herausgreifen können. Wir verweisen zunächst auf die oben schon angeführten Wasserräder, von denen Leonardo zahlreiche Abbildungen und Entwürfe mitteilt. So giebt er die alten Löffelräder in verschiedenen Variationen, sowie mittel- und oberschlächtige und unterschlächtige Räder (s. oben S. 987 und 988), die nur wenig von den Konstruktionen derjenigen abweichen, die erst nach Leonardo zuerst durch Druck und Illustration bekannt wurden. Dagegen finden wir auch eine Zahl anderer Ideeen und Skizzen bei Leonardo, welche uns lehren, daſs der groſse Ingenieur bestrebt war, eine bessere Aus- nutzung der Wasserkraft zu erzielen. Er wurde hierauf wohl durch seine Beobachtungen über die Bewegung des Wassers in Flüssen und Kanälen hingeführt. Wir haben bereits erwähnt, daſs es Leonardos Art war, die Maschinen in ihre einzelnen Teile zu zerlegen, sie aus ihren Teilen zusammenzusetzen. Reuleaux ist also sehr im Unrecht, wenn er in seiner Einleitung zur Kinematik Leupold, dessen Theatrum machinarum aus dem vorigen Jahrhundert stammt, als denjenigen nennt, der zuerst diese Methode aufgebracht habe. Gerade in der Darstellung der Maschinenteile Leonardos ist ein Schatz origineller, konstruktiver Ideeen enthalten. So finden wir einen Reichtum von Bewegungsübertragungen skizziert, die uns in Erstaunen setzen 1). Wir sehen nicht nur Drehlinge, Zahnräder, sondern auch Friktionsräder, Kegelräder u. s. w. Bei einer Maschine zur Streckung des Eisens benutzte Leonardo Schraubenräder zur Übertragung, bei welchen die Schraube ohne Ende dreimal eingeschaltet ist. Bei derselben ist auch ein getriebenes Zahnrad mit Schraubenmutter am Zentrum ver- sehen, welche die mit Schrauben ganz versehene Zugstange voranzieht. Bei dieser Gelegenheit giebt Leonardo zugleich eine Berechnung der Bewegungsübersetzung bis auf die Walzscheibe vom Wasserrade her. 1) Grothe a. a. O. S. 72, wo eine Anzahl interessanter Skizzen mitgeteilt ist. 63*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 995. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/1017>, abgerufen am 16.05.2024.