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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Semiten.
"orientalisch" bezeichnen, fand sich dort schon damals in jenen ent-
fernten Zeiten, wie aus obiger Schilderung hervorgeht. Kostbare Kleider,
Zeugstoffe und Putzsachen gingen von Babylon nach allen Ländern der
Welt. Babylonische Zeuge standen überall im höchsten Rufe, nicht
nur wegen der Feinheit des Stoffes und Gewebes, sondern mehr noch
wegen der eingewirkten und eingestickten farbigen Muster, wegen der
kunstvollen Buntwirkerei. Die Stoffe waren feine Wolle, Leinewand
und "Byssus", wahrscheinlich ein Baumwollengewebe. Schon Semiramis
war der Sage nach mit Byssusgewändern bekleidet. Zu der Bunt-
wirkerei wurden besonders die phönizische Purpurseide und Goldfäden
verwendet. Die Zeichnungen, die auf den Stoff eingewirkt wurden,
stellten oft Wundertiere, Götterfiguren und Jagdszenen dar. Sie dien-
ten im ganzen Altertum als Prachtgewänder zum Schmuck der Götter-
bilder in den Tempeln, sowie zur Bekleidung der Fürsten und Edlen.
Sie standen allezeit in hohem Werte. Ein Mantel von Sinear, d. i.
Babylon, wird schon bei der Eroberung von Jericho als ein kostbares
Beutestück aufgeführt. Bei Aristophanes beträgt der Preis eines
babylonischen Wollkleides mit Buntwirkerei ein Talent (circa 4200 Mk.).
Zu Catos Zeit galten die feinen triclinaria Babylonica, gewirkte Decken
auf den Speisedivans, 800000 Sesterzien und Nero zahlte für eine
einzige 4 Millionen 1).

Neben der Weberei stand die Töpferei in Mesopotamien auf hoher
Stufe. Der buntglasierten Ziegel haben wir bereits Erwähnung gethan.
Die Anfertigung der Thoncylinder, in welche die Schrift eingegraben
wurde, die statt dem Papieros dienten und die sich in grosser Zahl in
den Palästen gefunden haben, sprechen auch für eine grosse Geschick-
lichkeit in der Behandlung des Thones.

Eine Kunst, in der Babylon im ganzen Altertum voranstand, war
die Anfertigung wohlriechender Salben. 25 der edelsten Arome Ara-
biens und Indiens dienten zur Bereitung der feinsten Salbe, die
"Königssalbe" genannt wurde. Kaum minder hochgeschätzt waren
seine geschnittenen Edelsteine. Die Kunstschnitzerei blühte in Niniveh.
Die Goldschmiedekunst, sowie die künstlerische Verarbeitung der Me-
talle stand überhaupt in den Städten Mesopotamiens in hoher Blüte.

Die hochentwickelte Industrie hing aufs engste mit einem aus-
gebreiteten Handel zusammen. Babylon und Niniveh bildeten den
Knotenpunkt eines ausgedehnten Strassennetzes, das ganz Westasien
durchschnitt, südlich von Arabien und Ägypten, östlich bis nach Indien

1) Plinius, Hist. nat. 8, 74.

Die Semiten.
„orientalisch“ bezeichnen, fand sich dort schon damals in jenen ent-
fernten Zeiten, wie aus obiger Schilderung hervorgeht. Kostbare Kleider,
Zeugstoffe und Putzsachen gingen von Babylon nach allen Ländern der
Welt. Babylonische Zeuge standen überall im höchsten Rufe, nicht
nur wegen der Feinheit des Stoffes und Gewebes, sondern mehr noch
wegen der eingewirkten und eingestickten farbigen Muster, wegen der
kunstvollen Buntwirkerei. Die Stoffe waren feine Wolle, Leinewand
und „Byssus“, wahrscheinlich ein Baumwollengewebe. Schon Semiramis
war der Sage nach mit Byssusgewändern bekleidet. Zu der Bunt-
wirkerei wurden besonders die phönizische Purpurseide und Goldfäden
verwendet. Die Zeichnungen, die auf den Stoff eingewirkt wurden,
stellten oft Wundertiere, Götterfiguren und Jagdszenen dar. Sie dien-
ten im ganzen Altertum als Prachtgewänder zum Schmuck der Götter-
bilder in den Tempeln, sowie zur Bekleidung der Fürsten und Edlen.
Sie standen allezeit in hohem Werte. Ein Mantel von Sinear, d. i.
Babylon, wird schon bei der Eroberung von Jericho als ein kostbares
Beutestück aufgeführt. Bei Aristophanes beträgt der Preis eines
babylonischen Wollkleides mit Buntwirkerei ein Talent (circa 4200 Mk.).
Zu Catos Zeit galten die feinen triclinaria Babylonica, gewirkte Decken
auf den Speisedivans, 800000 Sesterzien und Nero zahlte für eine
einzige 4 Millionen 1).

Neben der Weberei stand die Töpferei in Mesopotamien auf hoher
Stufe. Der buntglasierten Ziegel haben wir bereits Erwähnung gethan.
Die Anfertigung der Thoncylinder, in welche die Schrift eingegraben
wurde, die statt dem Papieros dienten und die sich in groſser Zahl in
den Palästen gefunden haben, sprechen auch für eine groſse Geschick-
lichkeit in der Behandlung des Thones.

Eine Kunst, in der Babylon im ganzen Altertum voranstand, war
die Anfertigung wohlriechender Salben. 25 der edelsten Arome Ara-
biens und Indiens dienten zur Bereitung der feinsten Salbe, die
„Königssalbe“ genannt wurde. Kaum minder hochgeschätzt waren
seine geschnittenen Edelsteine. Die Kunstschnitzerei blühte in Niniveh.
Die Goldschmiedekunst, sowie die künstlerische Verarbeitung der Me-
talle stand überhaupt in den Städten Mesopotamiens in hoher Blüte.

Die hochentwickelte Industrie hing aufs engste mit einem aus-
gebreiteten Handel zusammen. Babylon und Niniveh bildeten den
Knotenpunkt eines ausgedehnten Straſsennetzes, das ganz Westasien
durchschnitt, südlich von Arabien und Ägypten, östlich bis nach Indien

1) Plinius, Hist. nat. 8, 74.
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[121/0143] Die Semiten. „orientalisch“ bezeichnen, fand sich dort schon damals in jenen ent- fernten Zeiten, wie aus obiger Schilderung hervorgeht. Kostbare Kleider, Zeugstoffe und Putzsachen gingen von Babylon nach allen Ländern der Welt. Babylonische Zeuge standen überall im höchsten Rufe, nicht nur wegen der Feinheit des Stoffes und Gewebes, sondern mehr noch wegen der eingewirkten und eingestickten farbigen Muster, wegen der kunstvollen Buntwirkerei. Die Stoffe waren feine Wolle, Leinewand und „Byssus“, wahrscheinlich ein Baumwollengewebe. Schon Semiramis war der Sage nach mit Byssusgewändern bekleidet. Zu der Bunt- wirkerei wurden besonders die phönizische Purpurseide und Goldfäden verwendet. Die Zeichnungen, die auf den Stoff eingewirkt wurden, stellten oft Wundertiere, Götterfiguren und Jagdszenen dar. Sie dien- ten im ganzen Altertum als Prachtgewänder zum Schmuck der Götter- bilder in den Tempeln, sowie zur Bekleidung der Fürsten und Edlen. Sie standen allezeit in hohem Werte. Ein Mantel von Sinear, d. i. Babylon, wird schon bei der Eroberung von Jericho als ein kostbares Beutestück aufgeführt. Bei Aristophanes beträgt der Preis eines babylonischen Wollkleides mit Buntwirkerei ein Talent (circa 4200 Mk.). Zu Catos Zeit galten die feinen triclinaria Babylonica, gewirkte Decken auf den Speisedivans, 800000 Sesterzien und Nero zahlte für eine einzige 4 Millionen 1). Neben der Weberei stand die Töpferei in Mesopotamien auf hoher Stufe. Der buntglasierten Ziegel haben wir bereits Erwähnung gethan. Die Anfertigung der Thoncylinder, in welche die Schrift eingegraben wurde, die statt dem Papieros dienten und die sich in groſser Zahl in den Palästen gefunden haben, sprechen auch für eine groſse Geschick- lichkeit in der Behandlung des Thones. Eine Kunst, in der Babylon im ganzen Altertum voranstand, war die Anfertigung wohlriechender Salben. 25 der edelsten Arome Ara- biens und Indiens dienten zur Bereitung der feinsten Salbe, die „Königssalbe“ genannt wurde. Kaum minder hochgeschätzt waren seine geschnittenen Edelsteine. Die Kunstschnitzerei blühte in Niniveh. Die Goldschmiedekunst, sowie die künstlerische Verarbeitung der Me- talle stand überhaupt in den Städten Mesopotamiens in hoher Blüte. Die hochentwickelte Industrie hing aufs engste mit einem aus- gebreiteten Handel zusammen. Babylon und Niniveh bildeten den Knotenpunkt eines ausgedehnten Straſsennetzes, das ganz Westasien durchschnitt, südlich von Arabien und Ägypten, östlich bis nach Indien 1) Plinius, Hist. nat. 8, 74.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/143>, abgerufen am 28.04.2024.