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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Semiten.
Reichtum und der Prachtliebe der Babylonier wählten sie dazu die kost-
barsten Stoffe und die prachtvollsten Farben. Die Pracht der assyrisch-
babylonischen Gewänder bestach auch die Augen fremder Völker, und
sie wurden zu einem gesuchten Handelsartikel. Infolge hiervon ent-
wickelte sich in den assyrischen Städten eine höchst kunstvolle und
grossartige Industrie der Bekleidung, welche die wichtigsten Ausfuhr-
artikel für den babylonischen Handel lieferte. Ezechiel, der selbst im
Euphratlande gelebt hat, sagte in seiner wichtigen Schilderung des
tyrischen Handels (Ezechiel, 27, 23 etc., s. Movers, die Phönizer 2, 3,
S. 258): "Haran und Kanneh und Eden, die Händler Sabas, Assurs
und Kilmad waren deine Handelschaft; sie handelten mit dir in Pracht-
[Abbildung] Fig. 27.
röcken, in Mänteln von Hyazinthpurpur
und Buntwirkerei und in den kost-
barsten Fäden (von Seide) in Schnüren
gewunden und fest auf deinem Markt."

Aus den Skulpturen der alten
Königsstädte erkennt man gleichfalls
die Pracht der Gewandung, mit der
die assyrischen Reichen ihre Körper
überluden (Fig. 27). -- Alle semitischen
Völker nahmen die assyrische Tracht
und die assyrischen Moden an, selbst
die einfachen Israeliten; deshalb sagt
Jesais (Jesaias 3, 16) im Zorn: "Darum,
dass die Töchter Zions stolz sind und
gehen mit aufgerichtetem Halse und
geschminktem Angesicht, treten einher
und haben köstliche Schuhe an ihren
Füssen: so wird der Herr ihre Scheitel kahl machen und an demselben
Tage entrückt er den Schmuck der Fussspangen und die Netze und die
kleinen Monde und die Ohrgehänge und die Schleier und die Kopf-
binden und die Fussketten und die Gürtel und die Riechfläschchen und
die Amulette und die Fingerringe und Nasenringe, die Mäntel und die
Feierkleider, die Taschen und die Spiegel und die Flore und die Tur-
bane und wird Stank für Wohlgeruch sein und ein loses Band für einen
Gürtel und eine Glatze für ein gekraustes Haar und für einen weiten
Mantel ein enger Sack; solches Alles für deine Schöne!"

Die Kunstgewerbe, welchen diesem Luxus dienten, hatten ihren
Hauptsitz in Babylon, welches Jahrhunderte hindurch dem Orient
seinen Stempel aufgedrückt hat. Das Meiste, was wir noch heute als

Die Semiten.
Reichtum und der Prachtliebe der Babylonier wählten sie dazu die kost-
barsten Stoffe und die prachtvollsten Farben. Die Pracht der assyrisch-
babylonischen Gewänder bestach auch die Augen fremder Völker, und
sie wurden zu einem gesuchten Handelsartikel. Infolge hiervon ent-
wickelte sich in den assyrischen Städten eine höchst kunstvolle und
groſsartige Industrie der Bekleidung, welche die wichtigsten Ausfuhr-
artikel für den babylonischen Handel lieferte. Ezechiel, der selbst im
Euphratlande gelebt hat, sagte in seiner wichtigen Schilderung des
tyrischen Handels (Ezechiel, 27, 23 etc., s. Movers, die Phönizer 2, 3,
S. 258): „Haran und Kanneh und Eden, die Händler Sabas, Assurs
und Kilmad waren deine Handelschaft; sie handelten mit dir in Pracht-
[Abbildung] Fig. 27.
röcken, in Mänteln von Hyazinthpurpur
und Buntwirkerei und in den kost-
barsten Fäden (von Seide) in Schnüren
gewunden und fest auf deinem Markt.“

Aus den Skulpturen der alten
Königsstädte erkennt man gleichfalls
die Pracht der Gewandung, mit der
die assyrischen Reichen ihre Körper
überluden (Fig. 27). — Alle semitischen
Völker nahmen die assyrische Tracht
und die assyrischen Moden an, selbst
die einfachen Israeliten; deshalb sagt
Jesais (Jesaias 3, 16) im Zorn: „Darum,
daſs die Töchter Zions stolz sind und
gehen mit aufgerichtetem Halse und
geschminktem Angesicht, treten einher
und haben köstliche Schuhe an ihren
Füſsen: so wird der Herr ihre Scheitel kahl machen und an demselben
Tage entrückt er den Schmuck der Fuſsspangen und die Netze und die
kleinen Monde und die Ohrgehänge und die Schleier und die Kopf-
binden und die Fuſsketten und die Gürtel und die Riechfläschchen und
die Amulette und die Fingerringe und Nasenringe, die Mäntel und die
Feierkleider, die Taschen und die Spiegel und die Flore und die Tur-
bane und wird Stank für Wohlgeruch sein und ein loses Band für einen
Gürtel und eine Glatze für ein gekraustes Haar und für einen weiten
Mantel ein enger Sack; solches Alles für deine Schöne!“

Die Kunstgewerbe, welchen diesem Luxus dienten, hatten ihren
Hauptsitz in Babylon, welches Jahrhunderte hindurch dem Orient
seinen Stempel aufgedrückt hat. Das Meiste, was wir noch heute als

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[120/0142] Die Semiten. Reichtum und der Prachtliebe der Babylonier wählten sie dazu die kost- barsten Stoffe und die prachtvollsten Farben. Die Pracht der assyrisch- babylonischen Gewänder bestach auch die Augen fremder Völker, und sie wurden zu einem gesuchten Handelsartikel. Infolge hiervon ent- wickelte sich in den assyrischen Städten eine höchst kunstvolle und groſsartige Industrie der Bekleidung, welche die wichtigsten Ausfuhr- artikel für den babylonischen Handel lieferte. Ezechiel, der selbst im Euphratlande gelebt hat, sagte in seiner wichtigen Schilderung des tyrischen Handels (Ezechiel, 27, 23 etc., s. Movers, die Phönizer 2, 3, S. 258): „Haran und Kanneh und Eden, die Händler Sabas, Assurs und Kilmad waren deine Handelschaft; sie handelten mit dir in Pracht- [Abbildung Fig. 27.] röcken, in Mänteln von Hyazinthpurpur und Buntwirkerei und in den kost- barsten Fäden (von Seide) in Schnüren gewunden und fest auf deinem Markt.“ Aus den Skulpturen der alten Königsstädte erkennt man gleichfalls die Pracht der Gewandung, mit der die assyrischen Reichen ihre Körper überluden (Fig. 27). — Alle semitischen Völker nahmen die assyrische Tracht und die assyrischen Moden an, selbst die einfachen Israeliten; deshalb sagt Jesais (Jesaias 3, 16) im Zorn: „Darum, daſs die Töchter Zions stolz sind und gehen mit aufgerichtetem Halse und geschminktem Angesicht, treten einher und haben köstliche Schuhe an ihren Füſsen: so wird der Herr ihre Scheitel kahl machen und an demselben Tage entrückt er den Schmuck der Fuſsspangen und die Netze und die kleinen Monde und die Ohrgehänge und die Schleier und die Kopf- binden und die Fuſsketten und die Gürtel und die Riechfläschchen und die Amulette und die Fingerringe und Nasenringe, die Mäntel und die Feierkleider, die Taschen und die Spiegel und die Flore und die Tur- bane und wird Stank für Wohlgeruch sein und ein loses Band für einen Gürtel und eine Glatze für ein gekraustes Haar und für einen weiten Mantel ein enger Sack; solches Alles für deine Schöne!“ Die Kunstgewerbe, welchen diesem Luxus dienten, hatten ihren Hauptsitz in Babylon, welches Jahrhunderte hindurch dem Orient seinen Stempel aufgedrückt hat. Das Meiste, was wir noch heute als

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/142>, abgerufen am 28.04.2024.