wurde. Dies war aber sicherlich nicht zu allen Zeiten so. Der Handels- austausch der Bewohner der britannischen Küste wie der der gallischen und germanischen andererseits war nur ein beschränkter. Die Britannier waren weder in der Schiffahrt so erfahren, noch hatten sie eine Ver- anlassung, gewagte Seereisen zu unternehmen, überhaupt scheinen sie mehr von den fremden Händlern aufgesucht worden zu sein. Darum waren für britannische Produkte, also jedenfalls auch für das Zinn die zwei natürlichsten Strassen, nämlich die der Seine und die des Rheines die ältesten. Dies stimmt auch mit den Ergebnissen der Sprachforschung. Der britannische Name für Zinn umfasst ein gewisses Gebiet, das Gallien, Germanien und Italien in sich begreift, selbst der lateinische Ausdruck stannum rührt von dem britannischen ystaen her, während anderer- seits der phönizische Name kasdir ein anderes Gebiet umfasst, nämlich das ganze semitische Gebiet, Indien, Kleinasien und Griechenland. Hieraus dürfen wir folgern, dass in den Grenzen des erstgenannten Gebietes schon ein Zinnhandel von Britannien aus bestand, ehe die Phönizier ihr Erz nach diesen Gegenden brachten, während Kleinasien, Griechenland und Indien ihr Zinn zunächst von den Semiten bezogen.
Bestand aber schon vor den Phöniziern unabhängiger Zinnhandel von Britannien aus, so ist es allerdings nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass das Zinn, schon ehe die Phönizier die Ufer des Mittelmeeres zu kolonisieren begannen, bis zum Mittelmeere besonders nach Südfrankreich und Italien gelangte. Die Phönizier tauschten das britannische Zinn von den Barbaren an den Ufern des Adriatischen und Tyrrhenischen Meeres ein. Erst nach und nach gelang es ihnen, die Herkunft dieses Zinnes auszukundschaften, und erst durch die Auf- findung und Sicherstellung des Seeweges nach den Kassiteriden konnten sie den britannischen Zinnhandel monopolisieren. Sie tauschten das Zinn mit Vorliebe ein, sie gingen seinem Ursprunge mit Eifer nach, weil sie mit der Erzfabrikation bereits vertraut waren und weil es in Asien ein seltenes, hochgeschätztes Metall war. Dass die Zinngewinnung in Spanien und Frankreich jemals eine besondere historische Bedeutung gehabt hat, dass die Phönizier das Zinn aus diesen Quellen früher be- zogen haben, als das britannische, scheint uns durchaus unwahrscheinlich. Die Zinnerzvorkommen Spaniens sind alle ziemlich unbedeutend, so dass sich auch heutzutage die Gewinnung nicht lohnt. Sie liegen alle in dem nordöstlichen Spanien, also dem, dem Mittelmeere abgewendeten Teile. Zinn kommt vor in den Pyrenäen im Thale des Cinka, an den Quellen des Duero, in Galizien und in Beira in Portugal. Es wird gegenwärtig an keinem dieser Punkte bergmännisch gewonnen. Das
Syrien.
wurde. Dies war aber sicherlich nicht zu allen Zeiten so. Der Handels- austausch der Bewohner der britannischen Küste wie der der gallischen und germanischen andererseits war nur ein beschränkter. Die Britannier waren weder in der Schiffahrt so erfahren, noch hatten sie eine Ver- anlassung, gewagte Seereisen zu unternehmen, überhaupt scheinen sie mehr von den fremden Händlern aufgesucht worden zu sein. Darum waren für britannische Produkte, also jedenfalls auch für das Zinn die zwei natürlichsten Straſsen, nämlich die der Seine und die des Rheines die ältesten. Dies stimmt auch mit den Ergebnissen der Sprachforschung. Der britannische Name für Zinn umfaſst ein gewisses Gebiet, das Gallien, Germanien und Italien in sich begreift, selbst der lateinische Ausdruck stannum rührt von dem britannischen ystaën her, während anderer- seits der phönizische Name kasdir ein anderes Gebiet umfaſst, nämlich das ganze semitische Gebiet, Indien, Kleinasien und Griechenland. Hieraus dürfen wir folgern, daſs in den Grenzen des erstgenannten Gebietes schon ein Zinnhandel von Britannien aus bestand, ehe die Phönizier ihr Erz nach diesen Gegenden brachten, während Kleinasien, Griechenland und Indien ihr Zinn zunächst von den Semiten bezogen.
Bestand aber schon vor den Phöniziern unabhängiger Zinnhandel von Britannien aus, so ist es allerdings nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, daſs das Zinn, schon ehe die Phönizier die Ufer des Mittelmeeres zu kolonisieren begannen, bis zum Mittelmeere besonders nach Südfrankreich und Italien gelangte. Die Phönizier tauschten das britannische Zinn von den Barbaren an den Ufern des Adriatischen und Tyrrhenischen Meeres ein. Erst nach und nach gelang es ihnen, die Herkunft dieses Zinnes auszukundschaften, und erst durch die Auf- findung und Sicherstellung des Seeweges nach den Kassiteriden konnten sie den britannischen Zinnhandel monopolisieren. Sie tauschten das Zinn mit Vorliebe ein, sie gingen seinem Ursprunge mit Eifer nach, weil sie mit der Erzfabrikation bereits vertraut waren und weil es in Asien ein seltenes, hochgeschätztes Metall war. Daſs die Zinngewinnung in Spanien und Frankreich jemals eine besondere historische Bedeutung gehabt hat, daſs die Phönizier das Zinn aus diesen Quellen früher be- zogen haben, als das britannische, scheint uns durchaus unwahrscheinlich. Die Zinnerzvorkommen Spaniens sind alle ziemlich unbedeutend, so daſs sich auch heutzutage die Gewinnung nicht lohnt. Sie liegen alle in dem nordöstlichen Spanien, also dem, dem Mittelmeere abgewendeten Teile. Zinn kommt vor in den Pyrenäen im Thale des Cinka, an den Quellen des Duero, in Galizien und in Beira in Portugal. Es wird gegenwärtig an keinem dieser Punkte bergmännisch gewonnen. Das
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[188/0210]
Syrien.
wurde. Dies war aber sicherlich nicht zu allen Zeiten so. Der Handels-
austausch der Bewohner der britannischen Küste wie der der gallischen
und germanischen andererseits war nur ein beschränkter. Die Britannier
waren weder in der Schiffahrt so erfahren, noch hatten sie eine Ver-
anlassung, gewagte Seereisen zu unternehmen, überhaupt scheinen sie
mehr von den fremden Händlern aufgesucht worden zu sein. Darum
waren für britannische Produkte, also jedenfalls auch für das Zinn die
zwei natürlichsten Straſsen, nämlich die der Seine und die des Rheines
die ältesten. Dies stimmt auch mit den Ergebnissen der Sprachforschung.
Der britannische Name für Zinn umfaſst ein gewisses Gebiet, das Gallien,
Germanien und Italien in sich begreift, selbst der lateinische Ausdruck
stannum rührt von dem britannischen ystaën her, während anderer-
seits der phönizische Name kasdir ein anderes Gebiet umfaſst, nämlich
das ganze semitische Gebiet, Indien, Kleinasien und Griechenland.
Hieraus dürfen wir folgern, daſs in den Grenzen des erstgenannten
Gebietes schon ein Zinnhandel von Britannien aus bestand, ehe die
Phönizier ihr Erz nach diesen Gegenden brachten, während Kleinasien,
Griechenland und Indien ihr Zinn zunächst von den Semiten bezogen.
Bestand aber schon vor den Phöniziern unabhängiger Zinnhandel
von Britannien aus, so ist es allerdings nicht nur möglich, sondern
wahrscheinlich, daſs das Zinn, schon ehe die Phönizier die Ufer des
Mittelmeeres zu kolonisieren begannen, bis zum Mittelmeere besonders
nach Südfrankreich und Italien gelangte. Die Phönizier tauschten
das britannische Zinn von den Barbaren an den Ufern des Adriatischen
und Tyrrhenischen Meeres ein. Erst nach und nach gelang es ihnen,
die Herkunft dieses Zinnes auszukundschaften, und erst durch die Auf-
findung und Sicherstellung des Seeweges nach den Kassiteriden konnten
sie den britannischen Zinnhandel monopolisieren. Sie tauschten das
Zinn mit Vorliebe ein, sie gingen seinem Ursprunge mit Eifer nach,
weil sie mit der Erzfabrikation bereits vertraut waren und weil es in
Asien ein seltenes, hochgeschätztes Metall war. Daſs die Zinngewinnung
in Spanien und Frankreich jemals eine besondere historische Bedeutung
gehabt hat, daſs die Phönizier das Zinn aus diesen Quellen früher be-
zogen haben, als das britannische, scheint uns durchaus unwahrscheinlich.
Die Zinnerzvorkommen Spaniens sind alle ziemlich unbedeutend, so
daſs sich auch heutzutage die Gewinnung nicht lohnt. Sie liegen alle
in dem nordöstlichen Spanien, also dem, dem Mittelmeere abgewendeten
Teile. Zinn kommt vor in den Pyrenäen im Thale des Cinka, an den
Quellen des Duero, in Galizien und in Beira in Portugal. Es wird
gegenwärtig an keinem dieser Punkte bergmännisch gewonnen. Das
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/210>, abgerufen am 26.11.2024.
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