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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Syrien.
wegen ihres Handels, ihres Reichtums und ihrer Pferde. Der Einfall
der Kimmerier in Kleinasien, welcher fast zu derselben Zeit wie der
Einfall der Skythen in Assyrien und Medien statt hatte, scheint
in die Zeit der Letzten der Herakliden zu fallen. Lydien litt schwer
durch diese Invasion, setzte ihr aber auch den energischsten Widerstand
entgegen. Allyates, dem vierten Könige der Mermiaden gelang es, die
Kimmerier gänzlich aus seinem Gebiete zu verdrängen und seine Herr-
schaft bis zum Halys auszudehnen. Es geschah dies um die Zeit, als
sich die Herrschaft der Assyrier bis nach Kleinasien hin ausgebreitet
hatte. Lydien trat nun in ein Bundesverhältnis mit Assyrien und der
Halys wurde zur gegenseitigen Grenze erklärt. Unter Allyates' beinahe
fünfzigjähriger Regierung, 612 bis 562 v. Chr., gelangte das lydische
Reich zu hoher Blüte. Krösus, der Sohn des Allyates, wurde der Erbe
dieses Reichtums, der ja sprichwörtlich geworden ist, aber ebenso be-
kannt ist sein Fall und der Zusammenbruch der lydischen Herrschaft
durch den Perserkönig Cyrus. Wir wissen von der lydischen Technik
nicht viel. Der Reichtum und Glanz, die Üppigkeit und Pracht ihrer
Hauptstadt Sardes waren indes bei den Griechen in der Zeit ihres
Emporstrebens fast sprichwörtlich. Man nannte es "das goldene Sardes".
Die ganze Kultur in der lydischen Hauptstadt hatte einen durchaus
orientalischen Anstrich. Der Reichtum an Gold und Silber, an Sklaven
und Buhlerinnen, die Üppigkeit des Lebens machte einen tiefen Ein-
druck auf die Griechen. Dabei waren die Könige der letzten Dynastie
keine Wüstlinge, sondern kriegerisch und hochgebildet. Sie waren
politisch klug genug, nicht durch Gewalt, sondern durch Geschenke
die Griechen sich wohlgesinnt zu machen. Aus diesen Geschenken, die
noch lange nach dem Sturze der lydischen Herrschaft die Prachtstücke
berühmter griechischer Tempel, namentlich auch des Heiligtumes zu
Delphi bildeten, wissen wir fast allein etwas von der Kunsttechnik der
Lydier. Schon Gyges widmete dem Orakel zu Delphi, durch dessen
Spruch er in seiner Herrschaft bestätigt worden war, viele und reiche
Geschenke, unter denen Herodot sechs goldene Mischgefässe, 30 Talente
schwer, hervorhebt. Zu der Zeit Allyates blühten die Goldwäschereien
am Patoklos, die Bergwerke am Imolos und Syphos. Dabei zahlten
ihm die Nachbarvölker, wie auch die reichen griechischen Städte,
z. B. Milet, Tribut. Kein Wunder, dass er den Reichtum des Krösus
zusammenbrachte. Im Lande wurde ihm ein gewaltiges Grabdenkmal
errichtet, das noch heute in seinen Trümmern sichtbar ist. Herodot
nennt es, abgesehen von den Bauten in Ägypten und Babylonien, das
grösste Bauwerk der Welt. Es war ein Unterbau von Stein, 3800 Fuss

Syrien.
wegen ihres Handels, ihres Reichtums und ihrer Pferde. Der Einfall
der Kimmerier in Kleinasien, welcher fast zu derselben Zeit wie der
Einfall der Skythen in Assyrien und Medien statt hatte, scheint
in die Zeit der Letzten der Herakliden zu fallen. Lydien litt schwer
durch diese Invasion, setzte ihr aber auch den energischsten Widerstand
entgegen. Allyates, dem vierten Könige der Mermiaden gelang es, die
Kimmerier gänzlich aus seinem Gebiete zu verdrängen und seine Herr-
schaft bis zum Halys auszudehnen. Es geschah dies um die Zeit, als
sich die Herrschaft der Assyrier bis nach Kleinasien hin ausgebreitet
hatte. Lydien trat nun in ein Bundesverhältnis mit Assyrien und der
Halys wurde zur gegenseitigen Grenze erklärt. Unter Allyates’ beinahe
fünfzigjähriger Regierung, 612 bis 562 v. Chr., gelangte das lydische
Reich zu hoher Blüte. Krösus, der Sohn des Allyates, wurde der Erbe
dieses Reichtums, der ja sprichwörtlich geworden ist, aber ebenso be-
kannt ist sein Fall und der Zusammenbruch der lydischen Herrschaft
durch den Perserkönig Cyrus. Wir wissen von der lydischen Technik
nicht viel. Der Reichtum und Glanz, die Üppigkeit und Pracht ihrer
Hauptstadt Sardes waren indes bei den Griechen in der Zeit ihres
Emporstrebens fast sprichwörtlich. Man nannte es „das goldene Sardes“.
Die ganze Kultur in der lydischen Hauptstadt hatte einen durchaus
orientalischen Anstrich. Der Reichtum an Gold und Silber, an Sklaven
und Buhlerinnen, die Üppigkeit des Lebens machte einen tiefen Ein-
druck auf die Griechen. Dabei waren die Könige der letzten Dynastie
keine Wüstlinge, sondern kriegerisch und hochgebildet. Sie waren
politisch klug genug, nicht durch Gewalt, sondern durch Geschenke
die Griechen sich wohlgesinnt zu machen. Aus diesen Geschenken, die
noch lange nach dem Sturze der lydischen Herrschaft die Prachtstücke
berühmter griechischer Tempel, namentlich auch des Heiligtumes zu
Delphi bildeten, wissen wir fast allein etwas von der Kunsttechnik der
Lydier. Schon Gyges widmete dem Orakel zu Delphi, durch dessen
Spruch er in seiner Herrschaft bestätigt worden war, viele und reiche
Geschenke, unter denen Herodot sechs goldene Mischgefäſse, 30 Talente
schwer, hervorhebt. Zu der Zeit Allyates blühten die Goldwäschereien
am Patoklos, die Bergwerke am Imolos und Syphos. Dabei zahlten
ihm die Nachbarvölker, wie auch die reichen griechischen Städte,
z. B. Milet, Tribut. Kein Wunder, daſs er den Reichtum des Krösus
zusammenbrachte. Im Lande wurde ihm ein gewaltiges Grabdenkmal
errichtet, das noch heute in seinen Trümmern sichtbar ist. Herodot
nennt es, abgesehen von den Bauten in Ägypten und Babylonien, das
gröſste Bauwerk der Welt. Es war ein Unterbau von Stein, 3800 Fuſs

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[200/0222] Syrien. wegen ihres Handels, ihres Reichtums und ihrer Pferde. Der Einfall der Kimmerier in Kleinasien, welcher fast zu derselben Zeit wie der Einfall der Skythen in Assyrien und Medien statt hatte, scheint in die Zeit der Letzten der Herakliden zu fallen. Lydien litt schwer durch diese Invasion, setzte ihr aber auch den energischsten Widerstand entgegen. Allyates, dem vierten Könige der Mermiaden gelang es, die Kimmerier gänzlich aus seinem Gebiete zu verdrängen und seine Herr- schaft bis zum Halys auszudehnen. Es geschah dies um die Zeit, als sich die Herrschaft der Assyrier bis nach Kleinasien hin ausgebreitet hatte. Lydien trat nun in ein Bundesverhältnis mit Assyrien und der Halys wurde zur gegenseitigen Grenze erklärt. Unter Allyates’ beinahe fünfzigjähriger Regierung, 612 bis 562 v. Chr., gelangte das lydische Reich zu hoher Blüte. Krösus, der Sohn des Allyates, wurde der Erbe dieses Reichtums, der ja sprichwörtlich geworden ist, aber ebenso be- kannt ist sein Fall und der Zusammenbruch der lydischen Herrschaft durch den Perserkönig Cyrus. Wir wissen von der lydischen Technik nicht viel. Der Reichtum und Glanz, die Üppigkeit und Pracht ihrer Hauptstadt Sardes waren indes bei den Griechen in der Zeit ihres Emporstrebens fast sprichwörtlich. Man nannte es „das goldene Sardes“. Die ganze Kultur in der lydischen Hauptstadt hatte einen durchaus orientalischen Anstrich. Der Reichtum an Gold und Silber, an Sklaven und Buhlerinnen, die Üppigkeit des Lebens machte einen tiefen Ein- druck auf die Griechen. Dabei waren die Könige der letzten Dynastie keine Wüstlinge, sondern kriegerisch und hochgebildet. Sie waren politisch klug genug, nicht durch Gewalt, sondern durch Geschenke die Griechen sich wohlgesinnt zu machen. Aus diesen Geschenken, die noch lange nach dem Sturze der lydischen Herrschaft die Prachtstücke berühmter griechischer Tempel, namentlich auch des Heiligtumes zu Delphi bildeten, wissen wir fast allein etwas von der Kunsttechnik der Lydier. Schon Gyges widmete dem Orakel zu Delphi, durch dessen Spruch er in seiner Herrschaft bestätigt worden war, viele und reiche Geschenke, unter denen Herodot sechs goldene Mischgefäſse, 30 Talente schwer, hervorhebt. Zu der Zeit Allyates blühten die Goldwäschereien am Patoklos, die Bergwerke am Imolos und Syphos. Dabei zahlten ihm die Nachbarvölker, wie auch die reichen griechischen Städte, z. B. Milet, Tribut. Kein Wunder, daſs er den Reichtum des Krösus zusammenbrachte. Im Lande wurde ihm ein gewaltiges Grabdenkmal errichtet, das noch heute in seinen Trümmern sichtbar ist. Herodot nennt es, abgesehen von den Bauten in Ägypten und Babylonien, das gröſste Bauwerk der Welt. Es war ein Unterbau von Stein, 3800 Fuſs

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/222>, abgerufen am 03.05.2024.