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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Arier in Asien.
in Indien eindrangen. Versuche scheinen sie wohl gemacht zu haben.
Wenigstens dürfte die im Altertume sehr verbreitete Sage von dem
Kriegszuge der Semiramis nach Indien nicht ganz ohne eine geschicht-
liche Grundlage sein. Erschlossen wurde Indien zuerst durch einen
Kriegszug des Darius Hystaspis, der die Provinz Gedrosia dem Perser-
reiche einverleibte. Die indischen Fürsten Gedrosias mussten 21 Mil-
lionen Mark Gold jährlichen Tribut bezahlen. Wichtiger aber war der
kühne Kriegszug Alexanders von Macedonien, eine der merkwürdigsten
Unternehmungen, welche die Geschichte kennt. Hat dieser Feldzug
für die Macht der macedonischen Herrschaft auch keinen dauernden
Erfolg gehabt, so war sie von allen Unternehmungen des genialen
Alexanders für die europäische Kultur vielleicht die bedeutsamste.
Von da an datiert der regelmässige und innigere Verkehr Indiens mit
Europa, von da an haben darum auch die geschichtlichen Nachrichten
der klassischen Schriftsteller eine bestimmtere und glaubwürdigere Form.
Das erste Buch über Indien stammt allerdings noch aus einer früheren
Zeit. Es war verfasst von einem Griechen, Ktesias, der als Leibarzt in
den Diensten des persischen Königs Artaxerxes Memnon, welcher im
Jahre 404 v. Chr. die Regierung antrat, stand. Seine Erzählungen
basierten auf mündlichen Mitteilungen, die er gesammelt hatte, er
kannte Indien aus eigener Anschauung nicht, deshalb war Wahres und
Falsches bunt durcheinandergeworfen und die ganze Schilderung hatte,
wie ja auch noch so viele spätere, den Charakter des Märchenhaften.
Gerade dadurch aber trugen die Schriften des Ktesias nicht wenig dazu
bei, Alexander für seine indische Expedition zu entflammen. Auch uns
sind durch Ktesias manche dankenswerte Mitteilungen über Indien
erhalten worden. Nachdem die Römer Syrien und Ägypten besiegt
hatten, war es ihr grösstes Interesse, einen gesicherten Seehandel vom
Roten Meere aus mit Indien zu etablieren. Der Steuermann Hypalos
soll den Südwest-Monsun zuerst benutzt haben, mit Hilfe dessen es
möglich war, in kurzer Zeit quer durch das offene Meer nach Indien
zu schiffen. Für die Römer war der Seeweg nach Indien um so wich-
tiger geworden, als der Landhandel durch die feindlichen Parther
abgeschnitten war. Der römisch-indische Seehandel nahm rasch gross-
artige Dimensionen an. Der Hauptstapelplatz war die Insel Dioskorides
(Diu Sokotora). Die wichtigsten Häfen an der indischen Westküste,
welche sie besuchten, waren Muziris und besonders Barygaza am Aus-
flusse des Nerbuddah, südwestlich von Guzerat. Die römischen Handels-
schiffe dehnten ihre Fahrten bis Taprobane (Ceylon), ja, bis zur Koro-
mandelküste und Hinterindien aus. Andererseits kamen aber nach

Die Arier in Asien.
in Indien eindrangen. Versuche scheinen sie wohl gemacht zu haben.
Wenigstens dürfte die im Altertume sehr verbreitete Sage von dem
Kriegszuge der Semiramis nach Indien nicht ganz ohne eine geschicht-
liche Grundlage sein. Erschlossen wurde Indien zuerst durch einen
Kriegszug des Darius Hystaspis, der die Provinz Gedrosia dem Perser-
reiche einverleibte. Die indischen Fürsten Gedrosias muſsten 21 Mil-
lionen Mark Gold jährlichen Tribut bezahlen. Wichtiger aber war der
kühne Kriegszug Alexanders von Macedonien, eine der merkwürdigsten
Unternehmungen, welche die Geschichte kennt. Hat dieser Feldzug
für die Macht der macedonischen Herrschaft auch keinen dauernden
Erfolg gehabt, so war sie von allen Unternehmungen des genialen
Alexanders für die europäische Kultur vielleicht die bedeutsamste.
Von da an datiert der regelmäſsige und innigere Verkehr Indiens mit
Europa, von da an haben darum auch die geschichtlichen Nachrichten
der klassischen Schriftsteller eine bestimmtere und glaubwürdigere Form.
Das erste Buch über Indien stammt allerdings noch aus einer früheren
Zeit. Es war verfaſst von einem Griechen, Ktesias, der als Leibarzt in
den Diensten des persischen Königs Artaxerxes Memnon, welcher im
Jahre 404 v. Chr. die Regierung antrat, stand. Seine Erzählungen
basierten auf mündlichen Mitteilungen, die er gesammelt hatte, er
kannte Indien aus eigener Anschauung nicht, deshalb war Wahres und
Falsches bunt durcheinandergeworfen und die ganze Schilderung hatte,
wie ja auch noch so viele spätere, den Charakter des Märchenhaften.
Gerade dadurch aber trugen die Schriften des Ktesias nicht wenig dazu
bei, Alexander für seine indische Expedition zu entflammen. Auch uns
sind durch Ktesias manche dankenswerte Mitteilungen über Indien
erhalten worden. Nachdem die Römer Syrien und Ägypten besiegt
hatten, war es ihr gröſstes Interesse, einen gesicherten Seehandel vom
Roten Meere aus mit Indien zu etablieren. Der Steuermann Hypalos
soll den Südwest-Monsun zuerst benutzt haben, mit Hilfe dessen es
möglich war, in kurzer Zeit quer durch das offene Meer nach Indien
zu schiffen. Für die Römer war der Seeweg nach Indien um so wich-
tiger geworden, als der Landhandel durch die feindlichen Parther
abgeschnitten war. Der römisch-indische Seehandel nahm rasch groſs-
artige Dimensionen an. Der Hauptstapelplatz war die Insel Dioskorides
(Diu Sokotora). Die wichtigsten Häfen an der indischen Westküste,
welche sie besuchten, waren Muziris und besonders Barygaza am Aus-
fluſse des Nerbuddah, südwestlich von Guzerat. Die römischen Handels-
schiffe dehnten ihre Fahrten bis Taprobane (Ceylon), ja, bis zur Koro-
mandelküste und Hinterindien aus. Andererseits kamen aber nach

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[214/0236] Die Arier in Asien. in Indien eindrangen. Versuche scheinen sie wohl gemacht zu haben. Wenigstens dürfte die im Altertume sehr verbreitete Sage von dem Kriegszuge der Semiramis nach Indien nicht ganz ohne eine geschicht- liche Grundlage sein. Erschlossen wurde Indien zuerst durch einen Kriegszug des Darius Hystaspis, der die Provinz Gedrosia dem Perser- reiche einverleibte. Die indischen Fürsten Gedrosias muſsten 21 Mil- lionen Mark Gold jährlichen Tribut bezahlen. Wichtiger aber war der kühne Kriegszug Alexanders von Macedonien, eine der merkwürdigsten Unternehmungen, welche die Geschichte kennt. Hat dieser Feldzug für die Macht der macedonischen Herrschaft auch keinen dauernden Erfolg gehabt, so war sie von allen Unternehmungen des genialen Alexanders für die europäische Kultur vielleicht die bedeutsamste. Von da an datiert der regelmäſsige und innigere Verkehr Indiens mit Europa, von da an haben darum auch die geschichtlichen Nachrichten der klassischen Schriftsteller eine bestimmtere und glaubwürdigere Form. Das erste Buch über Indien stammt allerdings noch aus einer früheren Zeit. Es war verfaſst von einem Griechen, Ktesias, der als Leibarzt in den Diensten des persischen Königs Artaxerxes Memnon, welcher im Jahre 404 v. Chr. die Regierung antrat, stand. Seine Erzählungen basierten auf mündlichen Mitteilungen, die er gesammelt hatte, er kannte Indien aus eigener Anschauung nicht, deshalb war Wahres und Falsches bunt durcheinandergeworfen und die ganze Schilderung hatte, wie ja auch noch so viele spätere, den Charakter des Märchenhaften. Gerade dadurch aber trugen die Schriften des Ktesias nicht wenig dazu bei, Alexander für seine indische Expedition zu entflammen. Auch uns sind durch Ktesias manche dankenswerte Mitteilungen über Indien erhalten worden. Nachdem die Römer Syrien und Ägypten besiegt hatten, war es ihr gröſstes Interesse, einen gesicherten Seehandel vom Roten Meere aus mit Indien zu etablieren. Der Steuermann Hypalos soll den Südwest-Monsun zuerst benutzt haben, mit Hilfe dessen es möglich war, in kurzer Zeit quer durch das offene Meer nach Indien zu schiffen. Für die Römer war der Seeweg nach Indien um so wich- tiger geworden, als der Landhandel durch die feindlichen Parther abgeschnitten war. Der römisch-indische Seehandel nahm rasch groſs- artige Dimensionen an. Der Hauptstapelplatz war die Insel Dioskorides (Diu Sokotora). Die wichtigsten Häfen an der indischen Westküste, welche sie besuchten, waren Muziris und besonders Barygaza am Aus- fluſse des Nerbuddah, südwestlich von Guzerat. Die römischen Handels- schiffe dehnten ihre Fahrten bis Taprobane (Ceylon), ja, bis zur Koro- mandelküste und Hinterindien aus. Andererseits kamen aber nach

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/236>, abgerufen am 02.05.2024.