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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Arier in Asien.
mehrere Minuten auf die Eisenmasse fielen, übte doch nur eine unge-
nügende Wirkung, so dass sowohl das Ausschmieden wie das Schweissen
dieser Anker oft sehr mangelhaft war und dabei mussten die Zuschläger
enge in einem Kreise zusammenstehen und so dicht bei der glühenden
Eisenmasse, als es das Ausholen zum Zuschlagen erlaubte, wodurch sie
durch die strahlende Hitze versengt wurden, so dass Arbeiter mit
zarter Haut gar nicht zu brauchen waren. Deshalb war denn auch
hier etwa die Grenze der Handschmiederei erreicht, sowohl bezüglich
des mechanischen Effektes, den der Hammer auf das Eisen ausübte, als
bezüglich des Widerstandes der Arbeiter gegen die strahlende Wärme,
die von dem glühenden Eisen ausströmte und die zu bemessen war
durch die Länge des Hammerstieles. Der Querschnitt der Verbindungs-
stelle eines solchen Hauptankers (best bower) zu der des Dhelipfeilers
verhält sich aber etwa wie 64:201, infolgedessen würden also die
erhitzten Enden der zu schweissenden Massen mehr als dreimal soviel
Hitze ausstrahlen und die zur Schweissung erforderliche mechanische
Kraft würde mehr wie dreimal so gross sein müssen, wie bei dem Anker.
Wir können deshalb behaupten, dass selbst von europäischen Arbeitern
ein Stahl von 16 Zoll Durchmesser nicht mit dem Vorschlaghammer
hätte geschweisst werden können. Diese würden nicht den genügenden
mechanischen Effekt hervorbringen, noch weniger in den Händen der
relativ schwachen Indier, und Haut und Knochen hätten die unerträg-
liche Glühhitze einer solchen, zur Schweisshitze erhitzten Masse in einem
Abstande von 5 bis 6 Fuss nicht zu ertragen vermocht. Wie konnte
also der Pfeiler von Dheli in Indien, angenommen, sie hätten die nötige
Hitze hervorzubringen verstanden, geschmiedet werden? Irgend eine
mechanische Gewalt muss in Anwendung gekommen sein, aber welche?
Menschenarbeit oder der Stiergöpel (bullock-walk), durch welche die
Wassersäcke (bheesties) aus dem Brunnen und Cisternen gezogen werden,
waren in neuerer Zeit die alleinigen Kraftmaschinen in Indien. Das
Wasserschöpfrad (noria), um Wasser mit Hilfe von tierischer Kraft in die
Höhe zu heben, ist allgemein in Anwendung, aber die Erzeugung von
Kraft durch den Niederfall des Wassers scheint niemals in Indien be-
kannt gewesen zu sein, weil auch, ausser im Berglande, derartige Gefälle
nicht existieren.

Windmühlen, die in Persien schon in sehr früher Zeit bestanden
haben sollen, sind in Indien niemals gesehen worden und dass die An-
wendung des Dampfes nicht bekannt war, bedarf kaum der Erwähnung.

Es ist einzig denkbar, dass irgend eine Art von Fallhammer, von
Menschen mittels Seilen gezogen, nach Art der alten Rammbären um

Die Arier in Asien.
mehrere Minuten auf die Eisenmasse fielen, übte doch nur eine unge-
nügende Wirkung, so daſs sowohl das Ausschmieden wie das Schweiſsen
dieser Anker oft sehr mangelhaft war und dabei muſsten die Zuschläger
enge in einem Kreise zusammenstehen und so dicht bei der glühenden
Eisenmasse, als es das Ausholen zum Zuschlagen erlaubte, wodurch sie
durch die strahlende Hitze versengt wurden, so daſs Arbeiter mit
zarter Haut gar nicht zu brauchen waren. Deshalb war denn auch
hier etwa die Grenze der Handschmiederei erreicht, sowohl bezüglich
des mechanischen Effektes, den der Hammer auf das Eisen ausübte, als
bezüglich des Widerstandes der Arbeiter gegen die strahlende Wärme,
die von dem glühenden Eisen ausströmte und die zu bemessen war
durch die Länge des Hammerstieles. Der Querschnitt der Verbindungs-
stelle eines solchen Hauptankers (best bower) zu der des Dhelipfeilers
verhält sich aber etwa wie 64:201, infolgedessen würden also die
erhitzten Enden der zu schweiſsenden Massen mehr als dreimal soviel
Hitze ausstrahlen und die zur Schweiſsung erforderliche mechanische
Kraft würde mehr wie dreimal so groſs sein müssen, wie bei dem Anker.
Wir können deshalb behaupten, daſs selbst von europäischen Arbeitern
ein Stahl von 16 Zoll Durchmesser nicht mit dem Vorschlaghammer
hätte geschweiſst werden können. Diese würden nicht den genügenden
mechanischen Effekt hervorbringen, noch weniger in den Händen der
relativ schwachen Indier, und Haut und Knochen hätten die unerträg-
liche Glühhitze einer solchen, zur Schweiſshitze erhitzten Masse in einem
Abstande von 5 bis 6 Fuſs nicht zu ertragen vermocht. Wie konnte
also der Pfeiler von Dheli in Indien, angenommen, sie hätten die nötige
Hitze hervorzubringen verstanden, geschmiedet werden? Irgend eine
mechanische Gewalt muſs in Anwendung gekommen sein, aber welche?
Menschenarbeit oder der Stiergöpel (bullock-walk), durch welche die
Wassersäcke (bheesties) aus dem Brunnen und Cisternen gezogen werden,
waren in neuerer Zeit die alleinigen Kraftmaschinen in Indien. Das
Wasserschöpfrad (noria), um Wasser mit Hilfe von tierischer Kraft in die
Höhe zu heben, ist allgemein in Anwendung, aber die Erzeugung von
Kraft durch den Niederfall des Wassers scheint niemals in Indien be-
kannt gewesen zu sein, weil auch, auſser im Berglande, derartige Gefälle
nicht existieren.

Windmühlen, die in Persien schon in sehr früher Zeit bestanden
haben sollen, sind in Indien niemals gesehen worden und daſs die An-
wendung des Dampfes nicht bekannt war, bedarf kaum der Erwähnung.

Es ist einzig denkbar, daſs irgend eine Art von Fallhammer, von
Menschen mittels Seilen gezogen, nach Art der alten Rammbären um

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[222/0244] Die Arier in Asien. mehrere Minuten auf die Eisenmasse fielen, übte doch nur eine unge- nügende Wirkung, so daſs sowohl das Ausschmieden wie das Schweiſsen dieser Anker oft sehr mangelhaft war und dabei muſsten die Zuschläger enge in einem Kreise zusammenstehen und so dicht bei der glühenden Eisenmasse, als es das Ausholen zum Zuschlagen erlaubte, wodurch sie durch die strahlende Hitze versengt wurden, so daſs Arbeiter mit zarter Haut gar nicht zu brauchen waren. Deshalb war denn auch hier etwa die Grenze der Handschmiederei erreicht, sowohl bezüglich des mechanischen Effektes, den der Hammer auf das Eisen ausübte, als bezüglich des Widerstandes der Arbeiter gegen die strahlende Wärme, die von dem glühenden Eisen ausströmte und die zu bemessen war durch die Länge des Hammerstieles. Der Querschnitt der Verbindungs- stelle eines solchen Hauptankers (best bower) zu der des Dhelipfeilers verhält sich aber etwa wie 64:201, infolgedessen würden also die erhitzten Enden der zu schweiſsenden Massen mehr als dreimal soviel Hitze ausstrahlen und die zur Schweiſsung erforderliche mechanische Kraft würde mehr wie dreimal so groſs sein müssen, wie bei dem Anker. Wir können deshalb behaupten, daſs selbst von europäischen Arbeitern ein Stahl von 16 Zoll Durchmesser nicht mit dem Vorschlaghammer hätte geschweiſst werden können. Diese würden nicht den genügenden mechanischen Effekt hervorbringen, noch weniger in den Händen der relativ schwachen Indier, und Haut und Knochen hätten die unerträg- liche Glühhitze einer solchen, zur Schweiſshitze erhitzten Masse in einem Abstande von 5 bis 6 Fuſs nicht zu ertragen vermocht. Wie konnte also der Pfeiler von Dheli in Indien, angenommen, sie hätten die nötige Hitze hervorzubringen verstanden, geschmiedet werden? Irgend eine mechanische Gewalt muſs in Anwendung gekommen sein, aber welche? Menschenarbeit oder der Stiergöpel (bullock-walk), durch welche die Wassersäcke (bheesties) aus dem Brunnen und Cisternen gezogen werden, waren in neuerer Zeit die alleinigen Kraftmaschinen in Indien. Das Wasserschöpfrad (noria), um Wasser mit Hilfe von tierischer Kraft in die Höhe zu heben, ist allgemein in Anwendung, aber die Erzeugung von Kraft durch den Niederfall des Wassers scheint niemals in Indien be- kannt gewesen zu sein, weil auch, auſser im Berglande, derartige Gefälle nicht existieren. Windmühlen, die in Persien schon in sehr früher Zeit bestanden haben sollen, sind in Indien niemals gesehen worden und daſs die An- wendung des Dampfes nicht bekannt war, bedarf kaum der Erwähnung. Es ist einzig denkbar, daſs irgend eine Art von Fallhammer, von Menschen mittels Seilen gezogen, nach Art der alten Rammbären um

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/244>, abgerufen am 23.11.2024.