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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Arier in Asien.
Pfeiler einzutreiben, in Anwendung gebracht wurden, oder irgend eine
Form eines Fallbäres, der durch einen Ochsengöpel in Bewegung ge-
setzt wurde, und es ist die Aufgabe der indischen Archäologen, ob kein
Bericht oder keine Tradition einer solchen Vorrichtung existiert, ohne
welche die Methode, nach der diese kolossale Säule geschmiedet wurde,
unerklärlich bleibt. In dieser Beziehung steht diese Säule noch als ein
metallurgisches Rätsel vor uns. Wenn sie allein existierte und das
einzige grosse Schmiedestück des alten Indiens wäre, so könnten wir es
vielleicht als ein zu vereinzeltes Beispiel, um darauf Schlüsse über die
Metallurgie vergangener Zeitalter zu begründen, ansehen, aber obgleich
wenig beachtet und augenscheinlich für unsere europäischen Schrift-
steller über Eisenhüttenkunde noch ganz unbekannt, so steht überdies
dieser Pfeiler nicht für sich allein da. Wir wollen hier kein Gewicht
darauf legen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass noch andere ähnliche
eiserne Säulen in Indien existieren, wie dies dem Verfasser dieses von
einem sehr gewissenhaften indischen Offizier, der das Land genau kennt,
versichert worden ist, so sind doch die folgenden Thatsachen durch
James Fergusson, in seinen Illustrationen der alten Architektur von
Hindostan 1) bezeugt:

"In dem Tempel von Kanaruk, der ,schwarzen Pagode' in der
Präsidentschaft Madras, sind die Mauern der mantapa oder Thorhalle,
die im Inneren ungefähr 60 Fuss im Quadrat hat, etwa 10 Fuss dick,
die Tiefe des Thorweges beträgt deshalb 20 Fuss und der Thorsturz
wird unterstützt durch grosse eiserne Tragbalken von etwa einem Fuss
Querschnitt, die von einer Seite zur anderen durchgehen (Fig. 37, a. b).
Das Dach ist nach der gewöhnlichen Auskragungsmanier der Hindus, bei
der jede Lage etwas übersteht, so dass sie das Bild einer umgekehrten
Treppe darbieten, überbaut. Etwa in halber Höhe, wo sich der Unterbau
bis auf 20 Fuss verengt hatte, war ein falsches Dach darüber gelegt, dessen
eingestürzte Trümmer jetzt auf dem Boden liegen. Unter diesen er-
kennt man verschiedene Eisenträger, 21 Fuss lang und 8 Zoll Durch-
messer und viele Steinplatten, 15 und 16 Fuss lang (wahrscheinlich im
Falle zerbrochen), bei einer Breite von 6 Fuss und 2 bis 3 Fuss Dicke.
Hier finden wir also die Anwendung von schmiedeisernen Tragbalken
von 8 Zoll Quadrat und 21 Fuss Länge als Konstruktionsmaterial."
Nach Fergussons Ansicht wurde dieser Tempel vom Jahre 1236 bis 1241
erbaut. In einem anderen Tempel, der von Fergusson untersucht und
beschrieben wurde -- dem von Mahavellipore, der allein auf einem ein-

1) London 1848, S. 28, Tafel 3.

Die Arier in Asien.
Pfeiler einzutreiben, in Anwendung gebracht wurden, oder irgend eine
Form eines Fallbäres, der durch einen Ochsengöpel in Bewegung ge-
setzt wurde, und es ist die Aufgabe der indischen Archäologen, ob kein
Bericht oder keine Tradition einer solchen Vorrichtung existiert, ohne
welche die Methode, nach der diese kolossale Säule geschmiedet wurde,
unerklärlich bleibt. In dieser Beziehung steht diese Säule noch als ein
metallurgisches Rätsel vor uns. Wenn sie allein existierte und das
einzige groſse Schmiedestück des alten Indiens wäre, so könnten wir es
vielleicht als ein zu vereinzeltes Beispiel, um darauf Schlüsse über die
Metallurgie vergangener Zeitalter zu begründen, ansehen, aber obgleich
wenig beachtet und augenscheinlich für unsere europäischen Schrift-
steller über Eisenhüttenkunde noch ganz unbekannt, so steht überdies
dieser Pfeiler nicht für sich allein da. Wir wollen hier kein Gewicht
darauf legen, daſs es sehr wahrscheinlich ist, daſs noch andere ähnliche
eiserne Säulen in Indien existieren, wie dies dem Verfasser dieses von
einem sehr gewissenhaften indischen Offizier, der das Land genau kennt,
versichert worden ist, so sind doch die folgenden Thatsachen durch
James Fergusson, in seinen Illustrationen der alten Architektur von
Hindostan 1) bezeugt:

„In dem Tempel von Kanaruk, der ‚schwarzen Pagode‘ in der
Präsidentschaft Madras, sind die Mauern der mantapa oder Thorhalle,
die im Inneren ungefähr 60 Fuſs im Quadrat hat, etwa 10 Fuſs dick,
die Tiefe des Thorweges beträgt deshalb 20 Fuſs und der Thorsturz
wird unterstützt durch groſse eiserne Tragbalken von etwa einem Fuſs
Querschnitt, die von einer Seite zur anderen durchgehen (Fig. 37, a. b).
Das Dach ist nach der gewöhnlichen Auskragungsmanier der Hindus, bei
der jede Lage etwas übersteht, so daſs sie das Bild einer umgekehrten
Treppe darbieten, überbaut. Etwa in halber Höhe, wo sich der Unterbau
bis auf 20 Fuſs verengt hatte, war ein falsches Dach darüber gelegt, dessen
eingestürzte Trümmer jetzt auf dem Boden liegen. Unter diesen er-
kennt man verschiedene Eisenträger, 21 Fuſs lang und 8 Zoll Durch-
messer und viele Steinplatten, 15 und 16 Fuſs lang (wahrscheinlich im
Falle zerbrochen), bei einer Breite von 6 Fuſs und 2 bis 3 Fuſs Dicke.
Hier finden wir also die Anwendung von schmiedeisernen Tragbalken
von 8 Zoll Quadrat und 21 Fuſs Länge als Konstruktionsmaterial.“
Nach Fergussons Ansicht wurde dieser Tempel vom Jahre 1236 bis 1241
erbaut. In einem anderen Tempel, der von Fergusson untersucht und
beschrieben wurde — dem von Mahavellipore, der allein auf einem ein-

1) London 1848, S. 28, Tafel 3.
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[223/0245] Die Arier in Asien. Pfeiler einzutreiben, in Anwendung gebracht wurden, oder irgend eine Form eines Fallbäres, der durch einen Ochsengöpel in Bewegung ge- setzt wurde, und es ist die Aufgabe der indischen Archäologen, ob kein Bericht oder keine Tradition einer solchen Vorrichtung existiert, ohne welche die Methode, nach der diese kolossale Säule geschmiedet wurde, unerklärlich bleibt. In dieser Beziehung steht diese Säule noch als ein metallurgisches Rätsel vor uns. Wenn sie allein existierte und das einzige groſse Schmiedestück des alten Indiens wäre, so könnten wir es vielleicht als ein zu vereinzeltes Beispiel, um darauf Schlüsse über die Metallurgie vergangener Zeitalter zu begründen, ansehen, aber obgleich wenig beachtet und augenscheinlich für unsere europäischen Schrift- steller über Eisenhüttenkunde noch ganz unbekannt, so steht überdies dieser Pfeiler nicht für sich allein da. Wir wollen hier kein Gewicht darauf legen, daſs es sehr wahrscheinlich ist, daſs noch andere ähnliche eiserne Säulen in Indien existieren, wie dies dem Verfasser dieses von einem sehr gewissenhaften indischen Offizier, der das Land genau kennt, versichert worden ist, so sind doch die folgenden Thatsachen durch James Fergusson, in seinen Illustrationen der alten Architektur von Hindostan 1) bezeugt: „In dem Tempel von Kanaruk, der ‚schwarzen Pagode‘ in der Präsidentschaft Madras, sind die Mauern der mantapa oder Thorhalle, die im Inneren ungefähr 60 Fuſs im Quadrat hat, etwa 10 Fuſs dick, die Tiefe des Thorweges beträgt deshalb 20 Fuſs und der Thorsturz wird unterstützt durch groſse eiserne Tragbalken von etwa einem Fuſs Querschnitt, die von einer Seite zur anderen durchgehen (Fig. 37, a. b). Das Dach ist nach der gewöhnlichen Auskragungsmanier der Hindus, bei der jede Lage etwas übersteht, so daſs sie das Bild einer umgekehrten Treppe darbieten, überbaut. Etwa in halber Höhe, wo sich der Unterbau bis auf 20 Fuſs verengt hatte, war ein falsches Dach darüber gelegt, dessen eingestürzte Trümmer jetzt auf dem Boden liegen. Unter diesen er- kennt man verschiedene Eisenträger, 21 Fuſs lang und 8 Zoll Durch- messer und viele Steinplatten, 15 und 16 Fuſs lang (wahrscheinlich im Falle zerbrochen), bei einer Breite von 6 Fuſs und 2 bis 3 Fuſs Dicke. Hier finden wir also die Anwendung von schmiedeisernen Tragbalken von 8 Zoll Quadrat und 21 Fuſs Länge als Konstruktionsmaterial.“ Nach Fergussons Ansicht wurde dieser Tempel vom Jahre 1236 bis 1241 erbaut. In einem anderen Tempel, der von Fergusson untersucht und beschrieben wurde — dem von Mahavellipore, der allein auf einem ein- 1) London 1848, S. 28, Tafel 3.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/245>, abgerufen am 02.05.2024.