Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Arier in Asien.
Alexandria hervor, der, indem er von Luxus spricht, bemerkt: "Man
kann auch das Fleisch schneiden ohne indisches Eisen zu haben."

Die Indier hatten grosse Fertigkeit im Schmieden des Stahles,
obgleich sie darin später von den persischen und damascenischen
Waffenschmieden erreicht wurden. Die persischen Schmiede sollen
ihren Stahl meist von Lahore, die von Damaskus den ihren direkt aus
Kutsch bezogen haben. Galen erwähnt 1), dass sich die aus indischem
Stahl bereiteten Messer durch ihre ungemeine Härte und die Schärfe
der Schneide auszeichneten, dass sie aber wegen der grossen Sprödigkeit
des Metalles sehr zum Ausbrechen und Schartigwerden geneigt seien.
Deshalb bemerkt auch später Avicenna, dass die Schneiden aus indischem
Stahle vor dem Gebrauche in schwacher Hitze angelassen werden
müssten.

Das indische Eisen hiess bei den Alten auch ferrum candidum
wegen der ausgezeichneten Politur, die es annahm.

Mit den Stahlschwertern trieben die Indier einen förmlichen Kultus.
Aus dem Ansehen der Klinge und der Art des Damastes wurde ge-
weissagt. In dem Bhrat Sanhita beschäftigt sich ein ganzes Kapitel
mit den Glück und Unglück verheissenden Erscheinungen der Schwert-
klingen. Wir lassen dieses sonderbare Kapitel in möglichst getreuer
Übersetzung folgen 2).

The Bhrat-Sanhita,
aus dem Sanskrit von Dr. Kern, Journ. of the Asiatic Soc. p. 81, cap. L.
Die Zeichen der Schwerter.

1. Ein Schwert des längsten Masses misst 50 Finger (digits), das kürzeste ist
25 Finger lang. Ein Flecken (flaw) an solchem Ort (des Schwertes), der auf die
ungerade Zahl der Finger trifft, muss als unglückverheissend angesehen werden.

2. Jedoch Flecken gleichend der Bilva-Frucht, Vardhamana Gestalt, dem
Regenschirm, dem Zeichen des Civa, dem Ohrring, der Lotosblume, der Fahne,
dem Wappen oder dem Kreuz gelten als Glück verheissend.

3. Flecken gestaltet wie eine Eidechse, Krähe, Reiher, Aasvogel, kopfloser
Rumpf oder Skorpion und verschiedener Flecken längs der oberen Spitze sind
unglücklich.

4. Ein Schwert, welches einen Riss zeigt, zu kurz ist, stumpf, beschädigt an
der Spitze, ungefällig dem Auge und Gemüt und ohne Klang ist unglückver-
heissend. Die umgekehrten Eigenschaften weissagen günstige Erfolge.

5. Das Rasseln eines Schwertes zeigt Tod an, geht es nicht aus der Scheide,
deutet es auf Niederlage. Zwist entsteht, wenn das Schwert aus der Scheide
springt ohne Veranlassung, aber Sieg, wenn man es flammen sieht.

6. Der König sollte es nicht ohne Ursache entblössen, noch es reiben, noch
sein Gesicht darin beschauen, noch seinen Preis verkündigen. Er sollte nicht den

1) Galen, de usu partium I, II.
2) The Bhrat Sanhita aus dem Sanskrit
von Dr. Kern.
15*

Die Arier in Asien.
Alexandria hervor, der, indem er von Luxus spricht, bemerkt: „Man
kann auch das Fleisch schneiden ohne indisches Eisen zu haben.“

Die Indier hatten groſse Fertigkeit im Schmieden des Stahles,
obgleich sie darin später von den persischen und damascenischen
Waffenschmieden erreicht wurden. Die persischen Schmiede sollen
ihren Stahl meist von Lahore, die von Damaskus den ihren direkt aus
Kutsch bezogen haben. Galen erwähnt 1), daſs sich die aus indischem
Stahl bereiteten Messer durch ihre ungemeine Härte und die Schärfe
der Schneide auszeichneten, daſs sie aber wegen der groſsen Sprödigkeit
des Metalles sehr zum Ausbrechen und Schartigwerden geneigt seien.
Deshalb bemerkt auch später Avicenna, daſs die Schneiden aus indischem
Stahle vor dem Gebrauche in schwacher Hitze angelassen werden
müſsten.

Das indische Eisen hieſs bei den Alten auch ferrum candidum
wegen der ausgezeichneten Politur, die es annahm.

Mit den Stahlschwertern trieben die Indier einen förmlichen Kultus.
Aus dem Ansehen der Klinge und der Art des Damastes wurde ge-
weissagt. In dem Bhrat Sánhitâ beschäftigt sich ein ganzes Kapitel
mit den Glück und Unglück verheiſsenden Erscheinungen der Schwert-
klingen. Wir lassen dieses sonderbare Kapitel in möglichst getreuer
Übersetzung folgen 2).

The Bhrat-Sánhitâ,
aus dem Sanskrit von Dr. Kern, Journ. of the Asiatic Soc. p. 81, cap. L.
Die Zeichen der Schwerter.

1. Ein Schwert des längsten Maſses miſst 50 Finger (digits), das kürzeste ist
25 Finger lang. Ein Flecken (flaw) an solchem Ort (des Schwertes), der auf die
ungerade Zahl der Finger trifft, muſs als unglückverheiſsend angesehen werden.

2. Jedoch Flecken gleichend der Bilva-Frucht, Vardhamâna Gestalt, dem
Regenschirm, dem Zeichen des Çiva, dem Ohrring, der Lotosblume, der Fahne,
dem Wappen oder dem Kreuz gelten als Glück verheiſsend.

3. Flecken gestaltet wie eine Eidechse, Krähe, Reiher, Aasvogel, kopfloser
Rumpf oder Skorpion und verschiedener Flecken längs der oberen Spitze sind
unglücklich.

4. Ein Schwert, welches einen Riſs zeigt, zu kurz ist, stumpf, beschädigt an
der Spitze, ungefällig dem Auge und Gemüt und ohne Klang ist unglückver-
heiſsend. Die umgekehrten Eigenschaften weissagen günstige Erfolge.

5. Das Rasseln eines Schwertes zeigt Tod an, geht es nicht aus der Scheide,
deutet es auf Niederlage. Zwist entsteht, wenn das Schwert aus der Scheide
springt ohne Veranlassung, aber Sieg, wenn man es flammen sieht.

6. Der König sollte es nicht ohne Ursache entblöſsen, noch es reiben, noch
sein Gesicht darin beschauen, noch seinen Preis verkündigen. Er sollte nicht den

1) Galen, de usu partium I, II.
2) The Bhrat Sánhitâ aus dem Sanskrit
von Dr. Kern.
15*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="227"/><fw place="top" type="header">Die Arier in Asien.</fw><lb/>
Alexandria hervor, der, indem er von Luxus spricht, bemerkt: &#x201E;Man<lb/>
kann auch das Fleisch schneiden ohne indisches Eisen zu haben.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Indier hatten gro&#x017F;se Fertigkeit im Schmieden des Stahles,<lb/>
obgleich sie darin später von den persischen und damascenischen<lb/>
Waffenschmieden erreicht wurden. Die persischen Schmiede sollen<lb/>
ihren Stahl meist von Lahore, die von Damaskus den ihren direkt aus<lb/>
Kutsch bezogen haben. Galen erwähnt <note place="foot" n="1)">Galen, de usu partium I, II.</note>, da&#x017F;s sich die aus indischem<lb/>
Stahl bereiteten Messer durch ihre ungemeine Härte und die Schärfe<lb/>
der Schneide auszeichneten, da&#x017F;s sie aber wegen der gro&#x017F;sen Sprödigkeit<lb/>
des Metalles sehr zum Ausbrechen und Schartigwerden geneigt seien.<lb/>
Deshalb bemerkt auch später Avicenna, da&#x017F;s die Schneiden aus indischem<lb/>
Stahle vor dem Gebrauche in schwacher Hitze angelassen werden<lb/>&#x017F;sten.</p><lb/>
          <p>Das indische Eisen hie&#x017F;s bei den Alten auch ferrum candidum<lb/>
wegen der ausgezeichneten Politur, die es annahm.</p><lb/>
          <p>Mit den Stahlschwertern trieben die Indier einen förmlichen Kultus.<lb/>
Aus dem Ansehen der Klinge und der Art des Damastes wurde ge-<lb/>
weissagt. In dem Bhrat Sánhitâ beschäftigt sich ein ganzes Kapitel<lb/>
mit den Glück und Unglück verhei&#x017F;senden Erscheinungen der Schwert-<lb/>
klingen. Wir lassen dieses sonderbare Kapitel in möglichst getreuer<lb/>
Übersetzung folgen <note place="foot" n="2)">The Bhrat Sánhitâ aus dem Sanskrit<lb/>
von Dr. Kern.</note>.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">The Bhrat-Sánhitâ</hi>,<lb/>
aus dem Sanskrit von Dr. Kern, Journ. of the Asiatic Soc. p. 81, cap. L.<lb/><hi rendition="#g">Die Zeichen der Schwerter</hi>.</hi> </p><lb/>
          <p>1. Ein Schwert des längsten Ma&#x017F;ses mi&#x017F;st 50 Finger (digits), das kürzeste ist<lb/>
25 Finger lang. Ein Flecken (flaw) an solchem Ort (des Schwertes), der auf die<lb/>
ungerade Zahl der Finger trifft, mu&#x017F;s als unglückverhei&#x017F;send angesehen werden.</p><lb/>
          <p>2. Jedoch Flecken gleichend der Bilva-Frucht, Vardhamâna Gestalt, dem<lb/>
Regenschirm, dem Zeichen des Çiva, dem Ohrring, der Lotosblume, der Fahne,<lb/>
dem Wappen oder dem Kreuz gelten als Glück verhei&#x017F;send.</p><lb/>
          <p>3. Flecken gestaltet wie eine Eidechse, Krähe, Reiher, Aasvogel, kopfloser<lb/>
Rumpf oder Skorpion und verschiedener Flecken längs der oberen Spitze sind<lb/>
unglücklich.</p><lb/>
          <p>4. Ein Schwert, welches einen Ri&#x017F;s zeigt, zu kurz ist, stumpf, beschädigt an<lb/>
der Spitze, ungefällig dem Auge und Gemüt und ohne Klang ist unglückver-<lb/>
hei&#x017F;send. Die umgekehrten Eigenschaften weissagen günstige Erfolge.</p><lb/>
          <p>5. Das Rasseln eines Schwertes zeigt Tod an, geht es nicht aus der Scheide,<lb/>
deutet es auf Niederlage. Zwist entsteht, wenn das Schwert aus der Scheide<lb/>
springt ohne Veranlassung, aber Sieg, wenn man es flammen sieht.</p><lb/>
          <p>6. Der König sollte es nicht ohne Ursache entblö&#x017F;sen, noch es reiben, noch<lb/>
sein Gesicht darin beschauen, noch seinen Preis verkündigen. Er sollte nicht den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">15*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0249] Die Arier in Asien. Alexandria hervor, der, indem er von Luxus spricht, bemerkt: „Man kann auch das Fleisch schneiden ohne indisches Eisen zu haben.“ Die Indier hatten groſse Fertigkeit im Schmieden des Stahles, obgleich sie darin später von den persischen und damascenischen Waffenschmieden erreicht wurden. Die persischen Schmiede sollen ihren Stahl meist von Lahore, die von Damaskus den ihren direkt aus Kutsch bezogen haben. Galen erwähnt 1), daſs sich die aus indischem Stahl bereiteten Messer durch ihre ungemeine Härte und die Schärfe der Schneide auszeichneten, daſs sie aber wegen der groſsen Sprödigkeit des Metalles sehr zum Ausbrechen und Schartigwerden geneigt seien. Deshalb bemerkt auch später Avicenna, daſs die Schneiden aus indischem Stahle vor dem Gebrauche in schwacher Hitze angelassen werden müſsten. Das indische Eisen hieſs bei den Alten auch ferrum candidum wegen der ausgezeichneten Politur, die es annahm. Mit den Stahlschwertern trieben die Indier einen förmlichen Kultus. Aus dem Ansehen der Klinge und der Art des Damastes wurde ge- weissagt. In dem Bhrat Sánhitâ beschäftigt sich ein ganzes Kapitel mit den Glück und Unglück verheiſsenden Erscheinungen der Schwert- klingen. Wir lassen dieses sonderbare Kapitel in möglichst getreuer Übersetzung folgen 2). The Bhrat-Sánhitâ, aus dem Sanskrit von Dr. Kern, Journ. of the Asiatic Soc. p. 81, cap. L. Die Zeichen der Schwerter. 1. Ein Schwert des längsten Maſses miſst 50 Finger (digits), das kürzeste ist 25 Finger lang. Ein Flecken (flaw) an solchem Ort (des Schwertes), der auf die ungerade Zahl der Finger trifft, muſs als unglückverheiſsend angesehen werden. 2. Jedoch Flecken gleichend der Bilva-Frucht, Vardhamâna Gestalt, dem Regenschirm, dem Zeichen des Çiva, dem Ohrring, der Lotosblume, der Fahne, dem Wappen oder dem Kreuz gelten als Glück verheiſsend. 3. Flecken gestaltet wie eine Eidechse, Krähe, Reiher, Aasvogel, kopfloser Rumpf oder Skorpion und verschiedener Flecken längs der oberen Spitze sind unglücklich. 4. Ein Schwert, welches einen Riſs zeigt, zu kurz ist, stumpf, beschädigt an der Spitze, ungefällig dem Auge und Gemüt und ohne Klang ist unglückver- heiſsend. Die umgekehrten Eigenschaften weissagen günstige Erfolge. 5. Das Rasseln eines Schwertes zeigt Tod an, geht es nicht aus der Scheide, deutet es auf Niederlage. Zwist entsteht, wenn das Schwert aus der Scheide springt ohne Veranlassung, aber Sieg, wenn man es flammen sieht. 6. Der König sollte es nicht ohne Ursache entblöſsen, noch es reiben, noch sein Gesicht darin beschauen, noch seinen Preis verkündigen. Er sollte nicht den 1) Galen, de usu partium I, II. 2) The Bhrat Sánhitâ aus dem Sanskrit von Dr. Kern. 15*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/249
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/249>, abgerufen am 02.05.2024.