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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Arier in Asien.
wir über die metallurgischen Kenntnisse der Perser; derjenigen Arier,
die ausser den Hindus im Pendschab, am nächsten den Ursitzen der
arischen Familie sesshaft geblieben sind. Bei ihrem Eintritte in die
politische Geschichte, sehen wir sie in die Fusstapfen der Assyrer und
Babylonier treten, deren reiches Gebiet sie erobern und sich mit
semitischer Pracht umgeben. Auch in ihrer Kunstrichtung folgen sie
in der Hauptsache den Vorbildern der Babylonier. Insofern würden
wir einfach auf unsere Ausführungen über die alte Geschichte jener
semitischen Reiche verweisen müssen, wenn uns nicht eine grosse
und wichtige Quelle der arisch-persischen Kultur erhalten wäre, die
frei und unabhängig von der semitischen Einwirkung und darum auch
wohl älter als die Gründung des persisch-babylonischen Weltreiches
ist. Dieses ist das Zend-avesta, d. h. die Offenbarung des Wortes.
Wann diese Sammlung der heiligen Schriften der Perser, die man dem
Zoroaster zuschreibt, abgefasst wurde, ist noch nicht bestimmt fest-
gestellt. Xanthus Lydius setzt seine Abfassung um 600 Jahre vor
Xerxes, während Hermippus sogar behauptet, sie sei 5000 Jahre vor
dem trojanischen Kriege geschrieben worden. Ist dies eine masslose
Übertreibung, so ist doch andererseits die Meinung, dass die Bücher
verhältnismässig spät abgefasst sein müssten, weil darin schon des
Glases und der Glasöfen Erwähnung geschähe, wenig stichhaltig, da
wir bereits bei unserer Ausführung über Ägypten gesehen haben, wie
hohen Alters die Glasindustrie ist. Allerdings lässt sich aus dem
Texte des Vendidad, d. h. dem Gesetze Gottes, dem ersten und wichtig-
sten Buche des Zend-avest auf einen ziemlich vorgeschrittenen Kultur-
zustand zur Zeit seiner Abfassung schliessen, denn es werden darin
unter anderen bereits Paläste mit Säulen, Fenstern, Thüren, Zinnen,
Matten und Teppichen erwähnt. Ferner wird goldenes Geschmeide,
irdene, eiserne, bleierne, goldene und silberne Gefässe genannt.

Von Metallen werden am häufigsten im Vendidad Eisen und Blei
angeführt, die an einer Stelle geradezu die geringsten Metalle genannt
werden 1). Erz dagegen wird in dem ganzen Buche nur ein einzigmal
erwähnt, in der folgenden wichtigen Stelle 2):

"Wer Feuer vom Töpferofen weg, wer Feuer von einem Glasofen
weg, wer Feuer vom Erze hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Gold bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Silber bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Eisen bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo

1) Avesta übersetzt von Spiegel, I. Tl. Vendidad, Leipzig 1852, Fargand XVI.
2) Vendidad Fargand VIII.

Die Arier in Asien.
wir über die metallurgischen Kenntnisse der Perser; derjenigen Arier,
die auſser den Hindus im Pendschab, am nächsten den Ursitzen der
arischen Familie seſshaft geblieben sind. Bei ihrem Eintritte in die
politische Geschichte, sehen wir sie in die Fuſstapfen der Assyrer und
Babylonier treten, deren reiches Gebiet sie erobern und sich mit
semitischer Pracht umgeben. Auch in ihrer Kunstrichtung folgen sie
in der Hauptsache den Vorbildern der Babylonier. Insofern würden
wir einfach auf unsere Ausführungen über die alte Geschichte jener
semitischen Reiche verweisen müssen, wenn uns nicht eine groſse
und wichtige Quelle der arisch-persischen Kultur erhalten wäre, die
frei und unabhängig von der semitischen Einwirkung und darum auch
wohl älter als die Gründung des persisch-babylonischen Weltreiches
ist. Dieses ist das Zend-avesta, d. h. die Offenbarung des Wortes.
Wann diese Sammlung der heiligen Schriften der Perser, die man dem
Zoroaster zuschreibt, abgefaſst wurde, ist noch nicht bestimmt fest-
gestellt. Xanthus Lydius setzt seine Abfassung um 600 Jahre vor
Xerxes, während Hermippus sogar behauptet, sie sei 5000 Jahre vor
dem trojanischen Kriege geschrieben worden. Ist dies eine maſslose
Übertreibung, so ist doch andererseits die Meinung, daſs die Bücher
verhältnismäſsig spät abgefaſst sein müſsten, weil darin schon des
Glases und der Glasöfen Erwähnung geschähe, wenig stichhaltig, da
wir bereits bei unserer Ausführung über Ägypten gesehen haben, wie
hohen Alters die Glasindustrie ist. Allerdings läſst sich aus dem
Texte des Vendidad, d. h. dem Gesetze Gottes, dem ersten und wichtig-
sten Buche des Zend-avest auf einen ziemlich vorgeschrittenen Kultur-
zustand zur Zeit seiner Abfassung schlieſsen, denn es werden darin
unter anderen bereits Paläste mit Säulen, Fenstern, Thüren, Zinnen,
Matten und Teppichen erwähnt. Ferner wird goldenes Geschmeide,
irdene, eiserne, bleierne, goldene und silberne Gefäſse genannt.

Von Metallen werden am häufigsten im Vendidad Eisen und Blei
angeführt, die an einer Stelle geradezu die geringsten Metalle genannt
werden 1). Erz dagegen wird in dem ganzen Buche nur ein einzigmal
erwähnt, in der folgenden wichtigen Stelle 2):

„Wer Feuer vom Töpferofen weg, wer Feuer von einem Glasofen
weg, wer Feuer vom Erze hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Gold bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Silber bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo
Eisen bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo

1) Avesta übersetzt von Spiegel, I. Tl. Vendidad, Leipzig 1852, Fargand XVI.
2) Vendidad Fargand VIII.
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[256/0278] Die Arier in Asien. wir über die metallurgischen Kenntnisse der Perser; derjenigen Arier, die auſser den Hindus im Pendschab, am nächsten den Ursitzen der arischen Familie seſshaft geblieben sind. Bei ihrem Eintritte in die politische Geschichte, sehen wir sie in die Fuſstapfen der Assyrer und Babylonier treten, deren reiches Gebiet sie erobern und sich mit semitischer Pracht umgeben. Auch in ihrer Kunstrichtung folgen sie in der Hauptsache den Vorbildern der Babylonier. Insofern würden wir einfach auf unsere Ausführungen über die alte Geschichte jener semitischen Reiche verweisen müssen, wenn uns nicht eine groſse und wichtige Quelle der arisch-persischen Kultur erhalten wäre, die frei und unabhängig von der semitischen Einwirkung und darum auch wohl älter als die Gründung des persisch-babylonischen Weltreiches ist. Dieses ist das Zend-avesta, d. h. die Offenbarung des Wortes. Wann diese Sammlung der heiligen Schriften der Perser, die man dem Zoroaster zuschreibt, abgefaſst wurde, ist noch nicht bestimmt fest- gestellt. Xanthus Lydius setzt seine Abfassung um 600 Jahre vor Xerxes, während Hermippus sogar behauptet, sie sei 5000 Jahre vor dem trojanischen Kriege geschrieben worden. Ist dies eine maſslose Übertreibung, so ist doch andererseits die Meinung, daſs die Bücher verhältnismäſsig spät abgefaſst sein müſsten, weil darin schon des Glases und der Glasöfen Erwähnung geschähe, wenig stichhaltig, da wir bereits bei unserer Ausführung über Ägypten gesehen haben, wie hohen Alters die Glasindustrie ist. Allerdings läſst sich aus dem Texte des Vendidad, d. h. dem Gesetze Gottes, dem ersten und wichtig- sten Buche des Zend-avest auf einen ziemlich vorgeschrittenen Kultur- zustand zur Zeit seiner Abfassung schlieſsen, denn es werden darin unter anderen bereits Paläste mit Säulen, Fenstern, Thüren, Zinnen, Matten und Teppichen erwähnt. Ferner wird goldenes Geschmeide, irdene, eiserne, bleierne, goldene und silberne Gefäſse genannt. Von Metallen werden am häufigsten im Vendidad Eisen und Blei angeführt, die an einer Stelle geradezu die geringsten Metalle genannt werden 1). Erz dagegen wird in dem ganzen Buche nur ein einzigmal erwähnt, in der folgenden wichtigen Stelle 2): „Wer Feuer vom Töpferofen weg, wer Feuer von einem Glasofen weg, wer Feuer vom Erze hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo Gold bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo Silber bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo Eisen bearbeitet wird, hinweg, wer Feuer von einer Werkstätte, wo 1) Avesta übersetzt von Spiegel, I. Tl. Vendidad, Leipzig 1852, Fargand XVI. 2) Vendidad Fargand VIII.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/278>, abgerufen am 21.11.2024.