fanden. Die Mauern der Schmelzöfen waren mit Wurzeln alter Fichten- bäume durchwachsen. An demselben Platze ward auch Gold aus der Ochererde gewonnen. Als Pallas diese Gegend bereiste, wurde eine sehr alte, eiserne Pflugschar ausgegraben. In den Vorbergen des Altai fand Sievers 1) ein altes Grab aus grossen Granitblöcken, in dem er neben dem Skelett kalmückischer Bildung mit flach zurückfallendem Stirnbeine und fast verwachsener Stirnnaht den verrosteten Rest eines anderthalb Ellen langen, zweischneidigen, zollbreiten, geraden Schwertes von Eisen fand.
Östlich oder südöstlich von dem Erzrevier des kleinen Altai sassen die Hakas, vielleicht die heutigen Ostkirgisen. Sie bedienten sich der Runen, d. h. Kerbhölzer, auf welche symbolische Zeichen eingeschnitten wurden. Auf diese Weise schickten die Häuptlinge ihre Befehle herum, ganz wie dies bei den Samojeden und Lappen noch heute ist und wie es bei den Finnen und den nordischen Germanen vordem Ge- brauch war. Die alten Hakas verbrannten ihre Toten und begruben ihre Gebeine. Sie hatten Eisen, Gold und Zinn. Schon alte, chine- sische Annalisten erzählen von ihnen, dass zur Regenzeit das Wasser in ihrem Lande eine Art Eisen, dass sie Kia-cha nennen, losspüle, aus dem sie ein Eisen schmiedeten, welches durch die Haut des Rhinozeros hindurchgehe 2). Mit diesem zahlten sie ihren Tribut an die Thiu-ku.
Die alten tschudischen Bewohner zwischen Jenisei und Irtisch sollen durch die Tataren verdrängt worden sein, welche zur Zeit ihres Ein- falls ebenfalls schon mit der Eisengewinnung bekannt waren, die sie bis heute selbständig fortbetreiben. Die Russen nannten sie deshalb bereits bei ihrer ersten Begegnung Kusnetzki-Tatari, d. h. Schmiede- tataren. An Erzen fehlt es ihnen nicht. Die Gebirge des Jenisei sind reich daran. Auch die berühmte Pallassche Meteoreisenmasse wurde in jener Gegend, bei Krasnojarsk, westlich von Abalansk aufgefunden und es sollen nach alten, orientalischen Berichten in jenem Gebiete, dem Stammsitz der Turk, viele solche Eisenmassen aus der Luft gefallen sein, die sicherlich nicht unberührt blieben, sondern zum Teil wenig- stens zu Waffen verarbeitet worden sind.
Ein in seinen Sitten den jeniseischen Tschuden ähnliches Volk bewohnte die daurischen Alpen, das reichste Erzland der alten Welt. Auch diese bedienten sich des Kupfers, daneben aber auch des Eisens. Ihre Goldgewinnung war bedeutend und es war wohl dieses das Volk, zu dem die Karawanen der Chinesen und Indier zogen um Gold zu
1) Sibirische Briefe 196 bis 199.
2) Also lebte damals das Rhinozeros noch in jenen Gegenden.
Turanier und Mongolen.
fanden. Die Mauern der Schmelzöfen waren mit Wurzeln alter Fichten- bäume durchwachsen. An demselben Platze ward auch Gold aus der Ochererde gewonnen. Als Pallas diese Gegend bereiste, wurde eine sehr alte, eiserne Pflugschar ausgegraben. In den Vorbergen des Altai fand Sievers 1) ein altes Grab aus groſsen Granitblöcken, in dem er neben dem Skelett kalmückischer Bildung mit flach zurückfallendem Stirnbeine und fast verwachsener Stirnnaht den verrosteten Rest eines anderthalb Ellen langen, zweischneidigen, zollbreiten, geraden Schwertes von Eisen fand.
Östlich oder südöstlich von dem Erzrevier des kleinen Altai saſsen die Hakas, vielleicht die heutigen Ostkirgisen. Sie bedienten sich der Runen, d. h. Kerbhölzer, auf welche symbolische Zeichen eingeschnitten wurden. Auf diese Weise schickten die Häuptlinge ihre Befehle herum, ganz wie dies bei den Samojeden und Lappen noch heute ist und wie es bei den Finnen und den nordischen Germanen vordem Ge- brauch war. Die alten Hakas verbrannten ihre Toten und begruben ihre Gebeine. Sie hatten Eisen, Gold und Zinn. Schon alte, chine- sische Annalisten erzählen von ihnen, daſs zur Regenzeit das Wasser in ihrem Lande eine Art Eisen, daſs sie Kia-cha nennen, losspüle, aus dem sie ein Eisen schmiedeten, welches durch die Haut des Rhinozeros hindurchgehe 2). Mit diesem zahlten sie ihren Tribut an die Thiu-ku.
Die alten tschudischen Bewohner zwischen Jenisei und Irtisch sollen durch die Tataren verdrängt worden sein, welche zur Zeit ihres Ein- falls ebenfalls schon mit der Eisengewinnung bekannt waren, die sie bis heute selbständig fortbetreiben. Die Russen nannten sie deshalb bereits bei ihrer ersten Begegnung Kusnetzki-Tatari, d. h. Schmiede- tataren. An Erzen fehlt es ihnen nicht. Die Gebirge des Jenisei sind reich daran. Auch die berühmte Pallassche Meteoreisenmasse wurde in jener Gegend, bei Krasnojarsk, westlich von Abalansk aufgefunden und es sollen nach alten, orientalischen Berichten in jenem Gebiete, dem Stammsitz der Turk, viele solche Eisenmassen aus der Luft gefallen sein, die sicherlich nicht unberührt blieben, sondern zum Teil wenig- stens zu Waffen verarbeitet worden sind.
Ein in seinen Sitten den jeniseischen Tschuden ähnliches Volk bewohnte die daurischen Alpen, das reichste Erzland der alten Welt. Auch diese bedienten sich des Kupfers, daneben aber auch des Eisens. Ihre Goldgewinnung war bedeutend und es war wohl dieses das Volk, zu dem die Karawanen der Chinesen und Indier zogen um Gold zu
1) Sibirische Briefe 196 bis 199.
2) Also lebte damals das Rhinozeros noch in jenen Gegenden.
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Turanier und Mongolen.
fanden. Die Mauern der Schmelzöfen waren mit Wurzeln alter Fichten-
bäume durchwachsen. An demselben Platze ward auch Gold aus der
Ochererde gewonnen. Als Pallas diese Gegend bereiste, wurde eine
sehr alte, eiserne Pflugschar ausgegraben. In den Vorbergen des Altai
fand Sievers 1) ein altes Grab aus groſsen Granitblöcken, in dem er
neben dem Skelett kalmückischer Bildung mit flach zurückfallendem
Stirnbeine und fast verwachsener Stirnnaht den verrosteten Rest eines
anderthalb Ellen langen, zweischneidigen, zollbreiten, geraden Schwertes
von Eisen fand.
Östlich oder südöstlich von dem Erzrevier des kleinen Altai saſsen
die Hakas, vielleicht die heutigen Ostkirgisen. Sie bedienten sich der
Runen, d. h. Kerbhölzer, auf welche symbolische Zeichen eingeschnitten
wurden. Auf diese Weise schickten die Häuptlinge ihre Befehle herum,
ganz wie dies bei den Samojeden und Lappen noch heute ist und
wie es bei den Finnen und den nordischen Germanen vordem Ge-
brauch war. Die alten Hakas verbrannten ihre Toten und begruben
ihre Gebeine. Sie hatten Eisen, Gold und Zinn. Schon alte, chine-
sische Annalisten erzählen von ihnen, daſs zur Regenzeit das Wasser
in ihrem Lande eine Art Eisen, daſs sie Kia-cha nennen, losspüle, aus
dem sie ein Eisen schmiedeten, welches durch die Haut des Rhinozeros
hindurchgehe 2). Mit diesem zahlten sie ihren Tribut an die Thiu-ku.
Die alten tschudischen Bewohner zwischen Jenisei und Irtisch sollen
durch die Tataren verdrängt worden sein, welche zur Zeit ihres Ein-
falls ebenfalls schon mit der Eisengewinnung bekannt waren, die sie
bis heute selbständig fortbetreiben. Die Russen nannten sie deshalb
bereits bei ihrer ersten Begegnung Kusnetzki-Tatari, d. h. Schmiede-
tataren. An Erzen fehlt es ihnen nicht. Die Gebirge des Jenisei sind
reich daran. Auch die berühmte Pallassche Meteoreisenmasse wurde
in jener Gegend, bei Krasnojarsk, westlich von Abalansk aufgefunden
und es sollen nach alten, orientalischen Berichten in jenem Gebiete,
dem Stammsitz der Turk, viele solche Eisenmassen aus der Luft gefallen
sein, die sicherlich nicht unberührt blieben, sondern zum Teil wenig-
stens zu Waffen verarbeitet worden sind.
Ein in seinen Sitten den jeniseischen Tschuden ähnliches Volk
bewohnte die daurischen Alpen, das reichste Erzland der alten Welt.
Auch diese bedienten sich des Kupfers, daneben aber auch des Eisens.
Ihre Goldgewinnung war bedeutend und es war wohl dieses das Volk,
zu dem die Karawanen der Chinesen und Indier zogen um Gold zu
1) Sibirische Briefe 196 bis 199.
2) Also lebte damals das Rhinozeros noch
in jenen Gegenden.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/303>, abgerufen am 21.11.2024.
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