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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Chinesen.

Eisenerz findet sich allerwärts, am meisten in den westlichen
Provinzen. Demungeachtet wird noch sehr viel Eisen importiert und
das importierte dem einheimischen, das nur in kleinen Massen und
durch mangelhafte Prozesse dargestellt wird, vorgezogen.

Die Entwickelung des gegenwärtigen Zustandes der Technik und
das Alter der Industrie verliert sich, trotz der angeblich genauen Über-
lieferungen der Chinesen, die ein Bedürfnis konkreter Darstellung und
nüchterner Zahlenangaben hatten, vollständig ins Sagenhafte. Alle
Erfindungen werden zwar gewissen Kaisern in gewissen Jahren ihrer
Regierung zugeschrieben, aber meist mit nicht mehr Grund als die
Griechen ähnliches dem Prometheus oder Dädalus zuschrieben.

Diese Tradition schreibt dem Kaiser Fo-Hi, der zur Zeit Thubal-
kains gelebt haben soll, die Erfindung des Eisens zu. Er lehrte seinem
Volke das Verschmelzen der Erze, die Bereitung des Wurfspiesses und
dessen Gebrauch zur Jagd und zum Fischfang 1). Die Zeit der hundert
Familien scheint indes noch in die Steinzeit zu fallen, indem in den
ersten 200 Hieroglyphen kein Metall vorkommt, obgleich zehn Waffen
genannt werden. Dagegen hatten die Miao-Tscheu, die uralten Be-
wohner von Thibet, um jene Zeit schon Schwerter und Beile von Eisen 2).
Von diesen erhielt der Kaiser Yu um 2000 v. Chr. Tribut von Eisen.

Als eine der ältesten Erfindungen von Schin-Nong (um 2000 v. Chr.)
wird der Pflug angesehen, der auch bei den Chinesen heilig gehalten
wird. Ist es auch unerwiesen, ob dieser Pflug bereits eine eiserne
Pflugschar gehabt hat, so verliert sich doch die Bekanntschaft mit dem
Eisen in die fernste Zeit, denn als eine gleichfalls sehr alte Erfindung
sehen die Chinesen die Benutzung der Magnetnadel an, die nicht ohne
Kenntnis des Eisens, ja nicht ohne Kenntnis des Stahls möglich war.
Es soll diese Erfindung von Tscheu-kiang und aus dem Jahre 1944 v. Chr
herrühren (du Halde), während andere sie dem Whang-ti um das Jahr
1040 v. Chr. zuschreiben. Übrigens wurde der Kompas in China zuerst
nicht für die Seefahrt, sondern für Landreisen angewendet. Wenn der
Kaiser sein Land bereiste, fuhr ein Wagen mit, auf dem eine Magnet-
nadel resp. ein Kompas sich befand, den ein Hochgelehrter beobachtete
und danach die Route angab 3). Unter der Herrschaft Tschingwangs
hiess dieser Kompaswagen Tschinan-Tsche, d. h. "der Wagen der den
Mittag anzeigt" (heute abgekürzt Tschi-nan). Der genannte Kaiser
liess fünf solcher Wagen bauen, die immer die Richtung durch das

1) P. Morya Marillac, Tradution des Annales de l'empire Chinois.
2) Lenor-
mand, Anfänge der Kultur, S. 62 etc.
3) Mailla, Histor. generale de la Chine;
Vol. XIII, p. 296 etc.
Chinesen.

Eisenerz findet sich allerwärts, am meisten in den westlichen
Provinzen. Demungeachtet wird noch sehr viel Eisen importiert und
das importierte dem einheimischen, das nur in kleinen Massen und
durch mangelhafte Prozesse dargestellt wird, vorgezogen.

Die Entwickelung des gegenwärtigen Zustandes der Technik und
das Alter der Industrie verliert sich, trotz der angeblich genauen Über-
lieferungen der Chinesen, die ein Bedürfnis konkreter Darstellung und
nüchterner Zahlenangaben hatten, vollständig ins Sagenhafte. Alle
Erfindungen werden zwar gewissen Kaisern in gewissen Jahren ihrer
Regierung zugeschrieben, aber meist mit nicht mehr Grund als die
Griechen ähnliches dem Prometheus oder Dädalus zuschrieben.

Diese Tradition schreibt dem Kaiser Fo-Hi, der zur Zeit Thubal-
kains gelebt haben soll, die Erfindung des Eisens zu. Er lehrte seinem
Volke das Verschmelzen der Erze, die Bereitung des Wurfspieſses und
dessen Gebrauch zur Jagd und zum Fischfang 1). Die Zeit der hundert
Familien scheint indes noch in die Steinzeit zu fallen, indem in den
ersten 200 Hieroglyphen kein Metall vorkommt, obgleich zehn Waffen
genannt werden. Dagegen hatten die Miao-Tscheu, die uralten Be-
wohner von Thibet, um jene Zeit schon Schwerter und Beile von Eisen 2).
Von diesen erhielt der Kaiser Yu um 2000 v. Chr. Tribut von Eisen.

Als eine der ältesten Erfindungen von Schin-Nong (um 2000 v. Chr.)
wird der Pflug angesehen, der auch bei den Chinesen heilig gehalten
wird. Ist es auch unerwiesen, ob dieser Pflug bereits eine eiserne
Pflugschar gehabt hat, so verliert sich doch die Bekanntschaft mit dem
Eisen in die fernste Zeit, denn als eine gleichfalls sehr alte Erfindung
sehen die Chinesen die Benutzung der Magnetnadel an, die nicht ohne
Kenntnis des Eisens, ja nicht ohne Kenntnis des Stahls möglich war.
Es soll diese Erfindung von Tscheu-kiang und aus dem Jahre 1944 v. Chr
herrühren (du Halde), während andere sie dem Whang-ti um das Jahr
1040 v. Chr. zuschreiben. Übrigens wurde der Kompas in China zuerst
nicht für die Seefahrt, sondern für Landreisen angewendet. Wenn der
Kaiser sein Land bereiste, fuhr ein Wagen mit, auf dem eine Magnet-
nadel resp. ein Kompas sich befand, den ein Hochgelehrter beobachtete
und danach die Route angab 3). Unter der Herrschaft Tschingwangs
hieſs dieser Kompaswagen Tschinan-Tsché, d. h. „der Wagen der den
Mittag anzeigt“ (heute abgekürzt Tschi-nan). Der genannte Kaiser
lieſs fünf solcher Wagen bauen, die immer die Richtung durch das

1) P. Morya Marillac, Tradution des Annales de l’empire Chinois.
2) Lenor-
mand, Anfänge der Kultur, S. 62 etc.
3) Mailla, Histor. génerale de la Chine;
Vol. XIII, p. 296 etc.
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[293/0315] Chinesen. Eisenerz findet sich allerwärts, am meisten in den westlichen Provinzen. Demungeachtet wird noch sehr viel Eisen importiert und das importierte dem einheimischen, das nur in kleinen Massen und durch mangelhafte Prozesse dargestellt wird, vorgezogen. Die Entwickelung des gegenwärtigen Zustandes der Technik und das Alter der Industrie verliert sich, trotz der angeblich genauen Über- lieferungen der Chinesen, die ein Bedürfnis konkreter Darstellung und nüchterner Zahlenangaben hatten, vollständig ins Sagenhafte. Alle Erfindungen werden zwar gewissen Kaisern in gewissen Jahren ihrer Regierung zugeschrieben, aber meist mit nicht mehr Grund als die Griechen ähnliches dem Prometheus oder Dädalus zuschrieben. Diese Tradition schreibt dem Kaiser Fo-Hi, der zur Zeit Thubal- kains gelebt haben soll, die Erfindung des Eisens zu. Er lehrte seinem Volke das Verschmelzen der Erze, die Bereitung des Wurfspieſses und dessen Gebrauch zur Jagd und zum Fischfang 1). Die Zeit der hundert Familien scheint indes noch in die Steinzeit zu fallen, indem in den ersten 200 Hieroglyphen kein Metall vorkommt, obgleich zehn Waffen genannt werden. Dagegen hatten die Miao-Tscheu, die uralten Be- wohner von Thibet, um jene Zeit schon Schwerter und Beile von Eisen 2). Von diesen erhielt der Kaiser Yu um 2000 v. Chr. Tribut von Eisen. Als eine der ältesten Erfindungen von Schin-Nong (um 2000 v. Chr.) wird der Pflug angesehen, der auch bei den Chinesen heilig gehalten wird. Ist es auch unerwiesen, ob dieser Pflug bereits eine eiserne Pflugschar gehabt hat, so verliert sich doch die Bekanntschaft mit dem Eisen in die fernste Zeit, denn als eine gleichfalls sehr alte Erfindung sehen die Chinesen die Benutzung der Magnetnadel an, die nicht ohne Kenntnis des Eisens, ja nicht ohne Kenntnis des Stahls möglich war. Es soll diese Erfindung von Tscheu-kiang und aus dem Jahre 1944 v. Chr herrühren (du Halde), während andere sie dem Whang-ti um das Jahr 1040 v. Chr. zuschreiben. Übrigens wurde der Kompas in China zuerst nicht für die Seefahrt, sondern für Landreisen angewendet. Wenn der Kaiser sein Land bereiste, fuhr ein Wagen mit, auf dem eine Magnet- nadel resp. ein Kompas sich befand, den ein Hochgelehrter beobachtete und danach die Route angab 3). Unter der Herrschaft Tschingwangs hieſs dieser Kompaswagen Tschinan-Tsché, d. h. „der Wagen der den Mittag anzeigt“ (heute abgekürzt Tschi-nan). Der genannte Kaiser lieſs fünf solcher Wagen bauen, die immer die Richtung durch das 1) P. Morya Marillac, Tradution des Annales de l’empire Chinois. 2) Lenor- mand, Anfänge der Kultur, S. 62 etc. 3) Mailla, Histor. génerale de la Chine; Vol. XIII, p. 296 etc.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/315>, abgerufen am 10.05.2024.