Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Chinesen.
niedrige Gebüsch finden konnten. Es befand sich ein Zeiger in Form
einer Hand darin aufgehängt, der immer nach Süden zeigte, wie man
den Wagen auch wendete. "Dies war ein grosser Nutzen für die Reisen
zu Land und zu Wasser." -- Auch bauten die Chinesen sehr früh schon
eiserne Kettenbrücken.

Ein Bronzezeitalter soll angeblich unter der Dynastie Tscheu
(1123 bis 247 v. Chr.) geblüht haben, doch ist diese Annahme sehr
hypothetisch. Die Bronzemischungen der Chinesen stimmen nicht mit
den occidentalen Bronzen überein.

Die glaubhaften direkten Überlieferungen der Chinesen sind nicht
älter, wie die der Israeliten. Sie gehen nur wenig über Confucius
hinaus, der erst im Jahre 550 v. Chr. unter Wu-wangs Regierung ge-
boren ward. Dieser grosse Gesetzgeber sammelte zum erstenmal die
älteren historischen Schriften, deren zuverlässige Angaben nicht über
das Jahr 722 v. Chr. hinausreichen. Die älteren Überlieferungen des
Schu-king, der grossen Geschichtschronik der Chinesen, sind sagenhaft
und in eine moderne Staffage hineingestellt, indem Sitten und Be-
kleidung, welche darin beschrieben sind, etwa dem Jahre 600 v. Chr.
entsprechen.

Die neueren Forschungen über die ältere chinesische Geschichte
haben indes doch manchen Aufschluss über den frühen Gebrauch des
Eisens gegeben 1). Der Schu-king, dessen älteste Teile aus der Zeit
des Kaisers Yao (Yu), der 2357 v. Chr. den Thron bestiegen haben soll,
stammen, erwähnt bereits in der Abteilung Yu-kung im ersten Buche,
in dem der Tribut von Yu aufgeführt wird, Eisen und Stahl. Eisen
heisst tie, in der alten Aussprache tit, Stahl low oder lowe. Folgendes
ist die bezügliche Stelle 2).

"Die Tributartikel waren klingende Edelsteine [musical gem
stones (?)], Eisen, Silber (weisses Metall) und Stahl, Steine für Pfeil-
spitzen und tönende Steine (sounding stones), sowie Felle von Bären,
grossen Bären, Füchsen und Schakalen, Artikel gewoben aus ihrem
Haare." Hierzu bemerkt Legge, unter tie haben wir "weiches Eisen"
zu verstehen, unter "low" (lowe) hartes Eisen, d. h. Stahl. Dieser letztere
Ausdruck wird oft schlechthin gebraucht für "schneiden", eingravieren,
hergeleitet von der Härte der Werkzeuge, die für solche Zwecke not-
wendig sind. Zur Zeit der Dynastie Han wurden Hüttenmeister (iron-
masters) für verschiedene Bezirke des alten Leang-tschu zur Be-

1) Day, a. a. O. p. 179 etc.
2) Legges, Chinese classics, vol. III, pt. I, p. 121.
Trübner London 1865.

Chinesen.
niedrige Gebüsch finden konnten. Es befand sich ein Zeiger in Form
einer Hand darin aufgehängt, der immer nach Süden zeigte, wie man
den Wagen auch wendete. „Dies war ein groſser Nutzen für die Reisen
zu Land und zu Wasser.“ — Auch bauten die Chinesen sehr früh schon
eiserne Kettenbrücken.

Ein Bronzezeitalter soll angeblich unter der Dynastie Tscheu
(1123 bis 247 v. Chr.) geblüht haben, doch ist diese Annahme sehr
hypothetisch. Die Bronzemischungen der Chinesen stimmen nicht mit
den occidentalen Bronzen überein.

Die glaubhaften direkten Überlieferungen der Chinesen sind nicht
älter, wie die der Israeliten. Sie gehen nur wenig über Confucius
hinaus, der erst im Jahre 550 v. Chr. unter Wu-wangs Regierung ge-
boren ward. Dieser groſse Gesetzgeber sammelte zum erstenmal die
älteren historischen Schriften, deren zuverlässige Angaben nicht über
das Jahr 722 v. Chr. hinausreichen. Die älteren Überlieferungen des
Schu-king, der groſsen Geschichtschronik der Chinesen, sind sagenhaft
und in eine moderne Staffage hineingestellt, indem Sitten und Be-
kleidung, welche darin beschrieben sind, etwa dem Jahre 600 v. Chr.
entsprechen.

Die neueren Forschungen über die ältere chinesische Geschichte
haben indes doch manchen Aufschluſs über den frühen Gebrauch des
Eisens gegeben 1). Der Schu-king, dessen älteste Teile aus der Zeit
des Kaisers Yao (Yu), der 2357 v. Chr. den Thron bestiegen haben soll,
stammen, erwähnt bereits in der Abteilung Yu-kung im ersten Buche,
in dem der Tribut von Yu aufgeführt wird, Eisen und Stahl. Eisen
heiſst tie, in der alten Aussprache tit, Stahl low oder lowe. Folgendes
ist die bezügliche Stelle 2).

„Die Tributartikel waren klingende Edelsteine [musical gem
stones (?)], Eisen, Silber (weiſses Metall) und Stahl, Steine für Pfeil-
spitzen und tönende Steine (sounding stones), sowie Felle von Bären,
groſsen Bären, Füchsen und Schakalen, Artikel gewoben aus ihrem
Haare.“ Hierzu bemerkt Legge, unter tie haben wir „weiches Eisen“
zu verstehen, unter „low“ (lowe) hartes Eisen, d. h. Stahl. Dieser letztere
Ausdruck wird oft schlechthin gebraucht für „schneiden“, eingravieren,
hergeleitet von der Härte der Werkzeuge, die für solche Zwecke not-
wendig sind. Zur Zeit der Dynastie Han wurden Hüttenmeister (iron-
masters) für verschiedene Bezirke des alten Leang-tschu zur Be-

1) Day, a. a. O. p. 179 etc.
2) Legges, Chinese classics, vol. III, pt. I, p. 121.
Trübner London 1865.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0316" n="294"/><fw place="top" type="header">Chinesen.</fw><lb/>
niedrige Gebüsch finden konnten. Es befand sich ein Zeiger in Form<lb/>
einer Hand darin aufgehängt, der immer nach Süden zeigte, wie man<lb/>
den Wagen auch wendete. &#x201E;Dies war ein gro&#x017F;ser Nutzen für die Reisen<lb/>
zu Land und zu Wasser.&#x201C; &#x2014; Auch bauten die Chinesen sehr früh schon<lb/>
eiserne Kettenbrücken.</p><lb/>
          <p>Ein Bronzezeitalter <hi rendition="#g">soll angeblich</hi> unter der Dynastie Tscheu<lb/>
(1123 bis 247 v. Chr.) geblüht haben, doch ist diese Annahme sehr<lb/>
hypothetisch. Die Bronzemischungen der Chinesen stimmen nicht mit<lb/>
den occidentalen Bronzen überein.</p><lb/>
          <p>Die glaubhaften direkten Überlieferungen der Chinesen sind nicht<lb/>
älter, wie die der Israeliten. Sie gehen nur wenig über Confucius<lb/>
hinaus, der erst im Jahre 550 v. Chr. unter Wu-wangs Regierung ge-<lb/>
boren ward. Dieser gro&#x017F;se Gesetzgeber sammelte zum erstenmal die<lb/>
älteren historischen Schriften, deren zuverlässige Angaben nicht über<lb/>
das Jahr 722 v. Chr. hinausreichen. Die älteren Überlieferungen des<lb/>
Schu-king, der gro&#x017F;sen Geschichtschronik der Chinesen, sind sagenhaft<lb/>
und in eine moderne Staffage hineingestellt, indem Sitten und Be-<lb/>
kleidung, welche darin beschrieben sind, etwa dem Jahre 600 v. Chr.<lb/>
entsprechen.</p><lb/>
          <p>Die neueren Forschungen über die ältere chinesische Geschichte<lb/>
haben indes doch manchen Aufschlu&#x017F;s über den frühen Gebrauch des<lb/>
Eisens gegeben <note place="foot" n="1)">Day, a. a. O. p. 179 etc.</note>. Der Schu-king, dessen älteste Teile aus der Zeit<lb/>
des Kaisers Yao (Yu), der 2357 v. Chr. den Thron bestiegen haben soll,<lb/>
stammen, erwähnt bereits in der Abteilung Yu-kung im ersten Buche,<lb/>
in dem der Tribut von Yu aufgeführt wird, Eisen und Stahl. Eisen<lb/>
hei&#x017F;st tie, in der alten Aussprache tit, Stahl low oder lowe. Folgendes<lb/>
ist die bezügliche Stelle <note place="foot" n="2)">Legges, Chinese classics, vol. III, pt. I, p. 121.<lb/>
Trübner London 1865.</note>.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Tributartikel waren klingende Edelsteine [musical gem<lb/>
stones (?)], <hi rendition="#g">Eisen</hi>, Silber (wei&#x017F;ses Metall) und <hi rendition="#g">Stahl</hi>, Steine für Pfeil-<lb/>
spitzen und tönende Steine (sounding stones), sowie Felle von Bären,<lb/>
gro&#x017F;sen Bären, Füchsen und Schakalen, Artikel gewoben aus ihrem<lb/>
Haare.&#x201C; Hierzu bemerkt Legge, unter tie haben wir &#x201E;weiches Eisen&#x201C;<lb/>
zu verstehen, unter &#x201E;low&#x201C; (lowe) hartes Eisen, d. h. Stahl. Dieser letztere<lb/>
Ausdruck wird oft schlechthin gebraucht für &#x201E;schneiden&#x201C;, eingravieren,<lb/>
hergeleitet von der Härte der Werkzeuge, die für solche Zwecke not-<lb/>
wendig sind. Zur Zeit der Dynastie Han wurden Hüttenmeister (iron-<lb/>
masters) für verschiedene Bezirke des alten Leang-tschu zur Be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0316] Chinesen. niedrige Gebüsch finden konnten. Es befand sich ein Zeiger in Form einer Hand darin aufgehängt, der immer nach Süden zeigte, wie man den Wagen auch wendete. „Dies war ein groſser Nutzen für die Reisen zu Land und zu Wasser.“ — Auch bauten die Chinesen sehr früh schon eiserne Kettenbrücken. Ein Bronzezeitalter soll angeblich unter der Dynastie Tscheu (1123 bis 247 v. Chr.) geblüht haben, doch ist diese Annahme sehr hypothetisch. Die Bronzemischungen der Chinesen stimmen nicht mit den occidentalen Bronzen überein. Die glaubhaften direkten Überlieferungen der Chinesen sind nicht älter, wie die der Israeliten. Sie gehen nur wenig über Confucius hinaus, der erst im Jahre 550 v. Chr. unter Wu-wangs Regierung ge- boren ward. Dieser groſse Gesetzgeber sammelte zum erstenmal die älteren historischen Schriften, deren zuverlässige Angaben nicht über das Jahr 722 v. Chr. hinausreichen. Die älteren Überlieferungen des Schu-king, der groſsen Geschichtschronik der Chinesen, sind sagenhaft und in eine moderne Staffage hineingestellt, indem Sitten und Be- kleidung, welche darin beschrieben sind, etwa dem Jahre 600 v. Chr. entsprechen. Die neueren Forschungen über die ältere chinesische Geschichte haben indes doch manchen Aufschluſs über den frühen Gebrauch des Eisens gegeben 1). Der Schu-king, dessen älteste Teile aus der Zeit des Kaisers Yao (Yu), der 2357 v. Chr. den Thron bestiegen haben soll, stammen, erwähnt bereits in der Abteilung Yu-kung im ersten Buche, in dem der Tribut von Yu aufgeführt wird, Eisen und Stahl. Eisen heiſst tie, in der alten Aussprache tit, Stahl low oder lowe. Folgendes ist die bezügliche Stelle 2). „Die Tributartikel waren klingende Edelsteine [musical gem stones (?)], Eisen, Silber (weiſses Metall) und Stahl, Steine für Pfeil- spitzen und tönende Steine (sounding stones), sowie Felle von Bären, groſsen Bären, Füchsen und Schakalen, Artikel gewoben aus ihrem Haare.“ Hierzu bemerkt Legge, unter tie haben wir „weiches Eisen“ zu verstehen, unter „low“ (lowe) hartes Eisen, d. h. Stahl. Dieser letztere Ausdruck wird oft schlechthin gebraucht für „schneiden“, eingravieren, hergeleitet von der Härte der Werkzeuge, die für solche Zwecke not- wendig sind. Zur Zeit der Dynastie Han wurden Hüttenmeister (iron- masters) für verschiedene Bezirke des alten Leang-tschu zur Be- 1) Day, a. a. O. p. 179 etc. 2) Legges, Chinese classics, vol. III, pt. I, p. 121. Trübner London 1865.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/316
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/316>, abgerufen am 10.05.2024.