Kohlen, so nimmt es Kohlenstoff auf und durchläuft, wenn die Tempe- ratur hoch genug ist, nach und nach alle Zustände der Kohlung von Schmiedeisen bis zu dem Roheisen, indem, je höher die Temperatur ist, um so mehr das Eisen das Bestreben zeigt, die grösstmögliche Menge Kohlenstoff aufzunehmen und die leichtschmelzbarste Verbindung zu bilden. Soll aber Roheisen entstehen, so muss die Hitze mindestens der Schmelztemperatur des weissen Eisens entsprechen; ist dies nicht der Fall, oder ist die Berührung mit den kohlenden Gasen unvollständig, von zu kurzer Dauer oder wirken auf das gekohlte Eisen nachträglich wieder oxydierende Gase ein, so entsteht kein Roheisen, sondern eine geringer gekohlte Verbindung, die, da sie schweissbar ist, sich zu einem Klumpen vereinigt, und meist dem Schmiedeisen, seltener dem Stahl entspricht. Da die Betriebsmittel, welche die Alten bei ihrer Eisenbereitung anwendeten, so unvollkommen waren, dass dadurch die vollständige Kohlung nicht erreicht werden konnte, so erhielten sie nicht geflossenes Roheisen, sondern zusammengebackenes Schmied- eisen. Ihre Schmelzapparate waren Herde oder niedrige Öfen 1), welche keine genügend lange Einwirkung der kohlenden Gase gestatteten; ihre Gebläsevorrichtungen waren so mangelhaft, dass sie damit keine hohe Temperatur erzeugen konnten und endlich leiteten sie den Wind meistens in der Weise in den Ofen, dass er das Metall traf und eine nachträgliche Entkohlung bewirken musste. Aus allen diesen Ursachen blieb den Alten das geflossene Roheisen unbekannt, und wenn sie auch einige Kenntnis davon gehabt zu haben scheinen, dass das Eisen schmelzbar ist und sich bei ihren Prozessen je nach den Umständen zuweilen etwas geflossenes Eisen gebildet haben mag, so stellten sie doch das Roheisen niemals absichtlich dar und kannten seine Ver- wendung weder zum Zwecke des Giessens noch zur Stahl- und Schmied- eisenbereitung.
Die einfache Reduktion, durch welche man direkt Schmiedeisen erhält, die sogenannte "direkte Eisendarstellung", ist der natürlichste und leichteste Prozess der Eisenbereitung. Kein Wunder, dass die Alten zuerst darauf verfielen! Ja, es dauerte Jahrtausende, bis man allmählich durch Erfahrungen und Beobachtungen die Wichtigkeit des Roheisens erkannte; dass man es nicht nur zu vergiessen lernte, son- dern auch fand, dass sich der Stahl und das Schmiedeisen sicherer, besser und mit grösserem, ökonomischem Vorteil aus dem Roheisen als unmittelbar aus dem Erz darstellen liessen.
1) V. Mos. 4. 20.
Einleitung.
Kohlen, so nimmt es Kohlenstoff auf und durchläuft, wenn die Tempe- ratur hoch genug ist, nach und nach alle Zustände der Kohlung von Schmiedeisen bis zu dem Roheisen, indem, je höher die Temperatur ist, um so mehr das Eisen das Bestreben zeigt, die gröſstmögliche Menge Kohlenstoff aufzunehmen und die leichtschmelzbarste Verbindung zu bilden. Soll aber Roheisen entstehen, so muſs die Hitze mindestens der Schmelztemperatur des weiſsen Eisens entsprechen; ist dies nicht der Fall, oder ist die Berührung mit den kohlenden Gasen unvollständig, von zu kurzer Dauer oder wirken auf das gekohlte Eisen nachträglich wieder oxydierende Gase ein, so entsteht kein Roheisen, sondern eine geringer gekohlte Verbindung, die, da sie schweiſsbar ist, sich zu einem Klumpen vereinigt, und meist dem Schmiedeisen, seltener dem Stahl entspricht. Da die Betriebsmittel, welche die Alten bei ihrer Eisenbereitung anwendeten, so unvollkommen waren, daſs dadurch die vollständige Kohlung nicht erreicht werden konnte, so erhielten sie nicht geflossenes Roheisen, sondern zusammengebackenes Schmied- eisen. Ihre Schmelzapparate waren Herde oder niedrige Öfen 1), welche keine genügend lange Einwirkung der kohlenden Gase gestatteten; ihre Gebläsevorrichtungen waren so mangelhaft, daſs sie damit keine hohe Temperatur erzeugen konnten und endlich leiteten sie den Wind meistens in der Weise in den Ofen, daſs er das Metall traf und eine nachträgliche Entkohlung bewirken muſste. Aus allen diesen Ursachen blieb den Alten das geflossene Roheisen unbekannt, und wenn sie auch einige Kenntnis davon gehabt zu haben scheinen, daſs das Eisen schmelzbar ist und sich bei ihren Prozessen je nach den Umständen zuweilen etwas geflossenes Eisen gebildet haben mag, so stellten sie doch das Roheisen niemals absichtlich dar und kannten seine Ver- wendung weder zum Zwecke des Gieſsens noch zur Stahl- und Schmied- eisenbereitung.
Die einfache Reduktion, durch welche man direkt Schmiedeisen erhält, die sogenannte „direkte Eisendarstellung“, ist der natürlichste und leichteste Prozeſs der Eisenbereitung. Kein Wunder, daſs die Alten zuerst darauf verfielen! Ja, es dauerte Jahrtausende, bis man allmählich durch Erfahrungen und Beobachtungen die Wichtigkeit des Roheisens erkannte; daſs man es nicht nur zu vergieſsen lernte, son- dern auch fand, daſs sich der Stahl und das Schmiedeisen sicherer, besser und mit gröſserem, ökonomischem Vorteil aus dem Roheisen als unmittelbar aus dem Erz darstellen lieſsen.
1) V. Mos. 4. 20.
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[16/0038]
Einleitung.
Kohlen, so nimmt es Kohlenstoff auf und durchläuft, wenn die Tempe-
ratur hoch genug ist, nach und nach alle Zustände der Kohlung von
Schmiedeisen bis zu dem Roheisen, indem, je höher die Temperatur
ist, um so mehr das Eisen das Bestreben zeigt, die gröſstmögliche
Menge Kohlenstoff aufzunehmen und die leichtschmelzbarste Verbindung
zu bilden. Soll aber Roheisen entstehen, so muſs die Hitze mindestens
der Schmelztemperatur des weiſsen Eisens entsprechen; ist dies nicht
der Fall, oder ist die Berührung mit den kohlenden Gasen unvollständig,
von zu kurzer Dauer oder wirken auf das gekohlte Eisen nachträglich
wieder oxydierende Gase ein, so entsteht kein Roheisen, sondern eine
geringer gekohlte Verbindung, die, da sie schweiſsbar ist, sich zu
einem Klumpen vereinigt, und meist dem Schmiedeisen, seltener dem
Stahl entspricht. Da die Betriebsmittel, welche die Alten bei ihrer
Eisenbereitung anwendeten, so unvollkommen waren, daſs dadurch
die vollständige Kohlung nicht erreicht werden konnte, so erhielten
sie nicht geflossenes Roheisen, sondern zusammengebackenes Schmied-
eisen. Ihre Schmelzapparate waren Herde oder niedrige Öfen 1), welche
keine genügend lange Einwirkung der kohlenden Gase gestatteten;
ihre Gebläsevorrichtungen waren so mangelhaft, daſs sie damit keine
hohe Temperatur erzeugen konnten und endlich leiteten sie den Wind
meistens in der Weise in den Ofen, daſs er das Metall traf und eine
nachträgliche Entkohlung bewirken muſste. Aus allen diesen Ursachen
blieb den Alten das geflossene Roheisen unbekannt, und wenn sie
auch einige Kenntnis davon gehabt zu haben scheinen, daſs das Eisen
schmelzbar ist und sich bei ihren Prozessen je nach den Umständen
zuweilen etwas geflossenes Eisen gebildet haben mag, so stellten sie
doch das Roheisen niemals absichtlich dar und kannten seine Ver-
wendung weder zum Zwecke des Gieſsens noch zur Stahl- und Schmied-
eisenbereitung.
Die einfache Reduktion, durch welche man direkt Schmiedeisen
erhält, die sogenannte „direkte Eisendarstellung“, ist der natürlichste
und leichteste Prozeſs der Eisenbereitung. Kein Wunder, daſs die
Alten zuerst darauf verfielen! Ja, es dauerte Jahrtausende, bis man
allmählich durch Erfahrungen und Beobachtungen die Wichtigkeit des
Roheisens erkannte; daſs man es nicht nur zu vergieſsen lernte, son-
dern auch fand, daſs sich der Stahl und das Schmiedeisen sicherer,
besser und mit gröſserem, ökonomischem Vorteil aus dem Roheisen
als unmittelbar aus dem Erz darstellen lieſsen.
1) V. Mos. 4. 20.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/38>, abgerufen am 21.11.2024.
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