Kupfer zum Eisen zu Homers Zeit eingenommen hat, wollen wir kurz die Verwendung der übrigen Metalle, des Zinnes und Bleis, betrachten.
Das Blei (o molubdos) war Homer bekannt, doch wird es nur zweimal von ihm erwähnt. Das erste Mal Ilias 11, 36, wo der Dichter erzählt, wie sich die Lanzenspitze des Iphidamas auf dem silbernen Leibgurte des Agamemnon umgebogen habe "wie Blei". Das zweite Mal geschieht des Bleis ebenfalls nur bildlich Erwähnung 1). "Iris springt hinab ins Meer und wie gerundetes Blei fährt sie in die Tiefe hinunter." Weder zur Bewaffnung, noch zur Dekoration scheint das Blei in An- wendung gewesen zu sein, dagegen wegen seiner Schwere als Senkblei, Lot- und Beschwerkugeln für die Fischernetze.
Das Zinn (o kassiteros) war Homer bekannt, was bei dem intimen Verkehr mit Phönizien nicht auffallend ist. Sie gewannen es nicht im Lande, sondern ebenfalls durch ihren Handel mit den Phöniziern aus den Gegenden, woher jene es bezogen. Man hat ohne Grund bezweifelt, ob kassiteros, wirklich Zinn bedeute. Abgesehen von der schon früher erörterten Herleitung des Wortes aus dem Phönizischen genügt es, dass Plinius es ganz ausdrücklich für das plumbum candidum der Römer erklärt. Es diente als Schmuck, zur Imitation von Silber, wozu es durch seine leichte Farbe und seine übrigen Eigenschaften besonders geeignet ist und in gleicher Weise noch heute verwendet wird. Es ist sehr leichtflüssig, weich, lässt sich hämmern, pressen, biegen, kurzum, in jeder Art leicht bearbeiten, freilich ist es auf der anderen Seite wenig haltbar. Von Zinn sind die Beinschienen des Achill 2). Ebenso besteht sein Schild aus fünf Metalllagen, zwei von Kupfer, zwei von Zinn, und eine von Gold 3). Sonst dient es meist nur zur Ausschmückung. Der Harnisch des Agamemnon ist mit 20 Streifen von Zinn verziert 4). Zinn ist bei den künstlichen Bildnereien auf dem Schilde des Achill verwendet. Der Wagen des Diomedes ist mit Gold und Zinn ge- schmückt 5). Der Harnisch, den Achill dem Antilochos schenkt, ist von blinkendem Erz mit zinnerner Umrandung 6).
Von einem Zusammenschmelzen von Kupfer und Zinn ist nirgends die Rede.
Das Eisen wird bei Homer lange nicht so häufig genannt als das Kupfer. Indessen ist Homer nicht nur mit dem Schmiedeeisen, sondern auch mit dem Stahle wohlbekannt und er erwähnt des Eisens weder als etwas Seltenes noch als etwas Ungewöhnliches, vielmehr steht es im Werte hinter dem Kupfer zurück, ist das gemeinste und ver-
1) Ilias 24, 80.
2) Ilias 18, 613.
3) Ilias 11, 24.
4) Ilias 18, 564, 573.
5) Ilias 23, 503.
6) Ilias 23, 561.
Beck, Geschichte des Eisens. 26
Griechenland.
Kupfer zum Eisen zu Homers Zeit eingenommen hat, wollen wir kurz die Verwendung der übrigen Metalle, des Zinnes und Bleis, betrachten.
Das Blei (ὁ μόλυβδος) war Homer bekannt, doch wird es nur zweimal von ihm erwähnt. Das erste Mal Ilias 11, 36, wo der Dichter erzählt, wie sich die Lanzenspitze des Iphidamas auf dem silbernen Leibgurte des Agamemnon umgebogen habe „wie Blei“. Das zweite Mal geschieht des Bleis ebenfalls nur bildlich Erwähnung 1). „Iris springt hinab ins Meer und wie gerundetes Blei fährt sie in die Tiefe hinunter.“ Weder zur Bewaffnung, noch zur Dekoration scheint das Blei in An- wendung gewesen zu sein, dagegen wegen seiner Schwere als Senkblei, Lot- und Beschwerkugeln für die Fischernetze.
Das Zinn (ὁ κασσίτερος) war Homer bekannt, was bei dem intimen Verkehr mit Phönizien nicht auffallend ist. Sie gewannen es nicht im Lande, sondern ebenfalls durch ihren Handel mit den Phöniziern aus den Gegenden, woher jene es bezogen. Man hat ohne Grund bezweifelt, ob κασσίτερος, wirklich Zinn bedeute. Abgesehen von der schon früher erörterten Herleitung des Wortes aus dem Phönizischen genügt es, daſs Plinius es ganz ausdrücklich für das plumbum candidum der Römer erklärt. Es diente als Schmuck, zur Imitation von Silber, wozu es durch seine leichte Farbe und seine übrigen Eigenschaften besonders geeignet ist und in gleicher Weise noch heute verwendet wird. Es ist sehr leichtflüssig, weich, läſst sich hämmern, pressen, biegen, kurzum, in jeder Art leicht bearbeiten, freilich ist es auf der anderen Seite wenig haltbar. Von Zinn sind die Beinschienen des Achill 2). Ebenso besteht sein Schild aus fünf Metalllagen, zwei von Kupfer, zwei von Zinn, und eine von Gold 3). Sonst dient es meist nur zur Ausschmückung. Der Harnisch des Agamemnon ist mit 20 Streifen von Zinn verziert 4). Zinn ist bei den künstlichen Bildnereien auf dem Schilde des Achill verwendet. Der Wagen des Diomedes ist mit Gold und Zinn ge- schmückt 5). Der Harnisch, den Achill dem Antilochos schenkt, ist von blinkendem Erz mit zinnerner Umrandung 6).
Von einem Zusammenschmelzen von Kupfer und Zinn ist nirgends die Rede.
Das Eisen wird bei Homer lange nicht so häufig genannt als das Kupfer. Indessen ist Homer nicht nur mit dem Schmiedeeisen, sondern auch mit dem Stahle wohlbekannt und er erwähnt des Eisens weder als etwas Seltenes noch als etwas Ungewöhnliches, vielmehr steht es im Werte hinter dem Kupfer zurück, ist das gemeinste und ver-
1) Ilias 24, 80.
2) Ilias 18, 613.
3) Ilias 11, 24.
4) Ilias 18, 564, 573.
5) Ilias 23, 503.
6) Ilias 23, 561.
Beck, Geschichte des Eisens. 26
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Griechenland.
Kupfer zum Eisen zu Homers Zeit eingenommen hat, wollen wir kurz
die Verwendung der übrigen Metalle, des Zinnes und Bleis, betrachten.
Das Blei (ὁ μόλυβδος) war Homer bekannt, doch wird es nur zweimal
von ihm erwähnt. Das erste Mal Ilias 11, 36, wo der Dichter erzählt,
wie sich die Lanzenspitze des Iphidamas auf dem silbernen Leibgurte
des Agamemnon umgebogen habe „wie Blei“. Das zweite Mal geschieht
des Bleis ebenfalls nur bildlich Erwähnung 1). „Iris springt hinab
ins Meer und wie gerundetes Blei fährt sie in die Tiefe hinunter.“
Weder zur Bewaffnung, noch zur Dekoration scheint das Blei in An-
wendung gewesen zu sein, dagegen wegen seiner Schwere als Senkblei,
Lot- und Beschwerkugeln für die Fischernetze.
Das Zinn (ὁ κασσίτερος) war Homer bekannt, was bei dem intimen
Verkehr mit Phönizien nicht auffallend ist. Sie gewannen es nicht im
Lande, sondern ebenfalls durch ihren Handel mit den Phöniziern aus
den Gegenden, woher jene es bezogen. Man hat ohne Grund bezweifelt,
ob κασσίτερος, wirklich Zinn bedeute. Abgesehen von der schon früher
erörterten Herleitung des Wortes aus dem Phönizischen genügt es, daſs
Plinius es ganz ausdrücklich für das plumbum candidum der Römer
erklärt. Es diente als Schmuck, zur Imitation von Silber, wozu es
durch seine leichte Farbe und seine übrigen Eigenschaften besonders
geeignet ist und in gleicher Weise noch heute verwendet wird. Es ist
sehr leichtflüssig, weich, läſst sich hämmern, pressen, biegen, kurzum,
in jeder Art leicht bearbeiten, freilich ist es auf der anderen Seite
wenig haltbar. Von Zinn sind die Beinschienen des Achill 2). Ebenso
besteht sein Schild aus fünf Metalllagen, zwei von Kupfer, zwei von
Zinn, und eine von Gold 3). Sonst dient es meist nur zur Ausschmückung.
Der Harnisch des Agamemnon ist mit 20 Streifen von Zinn verziert 4).
Zinn ist bei den künstlichen Bildnereien auf dem Schilde des Achill
verwendet. Der Wagen des Diomedes ist mit Gold und Zinn ge-
schmückt 5). Der Harnisch, den Achill dem Antilochos schenkt, ist von
blinkendem Erz mit zinnerner Umrandung 6).
Von einem Zusammenschmelzen von Kupfer und Zinn ist nirgends
die Rede.
Das Eisen wird bei Homer lange nicht so häufig genannt als
das Kupfer. Indessen ist Homer nicht nur mit dem Schmiedeeisen,
sondern auch mit dem Stahle wohlbekannt und er erwähnt des Eisens
weder als etwas Seltenes noch als etwas Ungewöhnliches, vielmehr steht
es im Werte hinter dem Kupfer zurück, ist das gemeinste und ver-
1) Ilias 24, 80.
2) Ilias 18, 613.
3) Ilias 11, 24.
4) Ilias 18, 564, 573.
5) Ilias 23, 503.
6) Ilias 23, 561.
Beck, Geschichte des Eisens. 26
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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