gebraucht. Auf dem Schilde des Achill bildet Hephästos ein Reben- gefild. Der Graben, der dieses umgiebt, ist von Stahl angefertigt. Die erzbekleideten Wände im Palaste des Alkinoos haben ein Gesims von blauem Stahl 1). Nestors Tisch hat Stahlfüsse (trapexan, kalen kuanopexan 2). Häufig wird kuanos adjektivisch gebraucht, wobei es meistens die Bedeutung stahlblau, dunkel, finster hat; z. B. das dunkele Gewölk, die finsteren Brauen Kronions, das dunkele Haupthaar des Hektor, die dunkelblaue Farbe des Meeres. Poseidon heisst kuano- khaites stahlblauhaarig 3).
Fragen wir, woher bezogen die Griechen ihr Eisen? so giebt uns Homer direkt wenig Aufschluss. Den einzigen Ort, den er namhaft macht, ist die Insel Taphos. Athene, als Fürst Mentes von Taphos verkleidet, will Kupfer von Temesa eintauschen gegen blinkendes Eisen 4).
Taphos war eine kleine Insel der akarnanischen Küste gegenüber, über deren eigenen Eisenreichtum nichts bekannt ist, wohl aber wurde in Akarnanien selbst von älterer Zeit her Eisen bereitet. Jedenfalls ist hier ausgedrückt: Die Griechen verkaufen ihr heimisches Produkt Eisen gegen das fremdländische, cyprische Kupfer.
Homer legt dem Eisen niemals ein Beiwort bei wie geschätzt, wertvoll u. s. w. und wir haben schon bemerkt, dass das Eisen weit geringer geachtet war als Kupfer. Dennoch wird es in den Schatz- kammern der Heroen aufbewahrt, ganz wie wir dies bei den Assyrern und anderen westasiatischen Herrschern kennen gelernt haben. Adrast, von Menelaos mit dem Tode bedroht 5), fleht um Schonung und bietet Lösegeld.
"Viel Kleinode verwahrt der begüterte Vater im Hause. Erz und Goldes genug und schöngeschmiedetes Eisen (polukmetos sideros)."
Ganz in derselben Weise bietet Dolon, der Trojaner, dem Diomedes die Schätze seines Vaters, wenn er seines Lebens schone, an 6); doch wird auch bei diesen Aufzählungen das Eisen immer nach Gold und Kupfer, als das letzte und geringwertigste genannt. Aus allem geht hervor, dass das Eisen zu Homers Zeit bereits in allgemeiner Anwen- dung stand, das verbreitetste und das billigste Metall war.
Wir haben uns über die homerische Metallurgie etwas ausführ- licher verbreitet, einesteils, weil viele falsche Erklärungen über diesen Gegenstand noch in Gewohnheit sind, andererseits, weil uns die unbe- fangene, wahrheitsgemässe Schilderung Homers den richtigsten Mass-
1) Odyssee 7, 86.
2) Ilias 11, 629.
3) Ilias 13, 563.
4) Odyssee 1, 182.
5) Ilias 6, 48.
6) Ilias 10, 379.
Griechenland.
gebraucht. Auf dem Schilde des Achill bildet Hephästos ein Reben- gefild. Der Graben, der dieses umgiebt, ist von Stahl angefertigt. Die erzbekleideten Wände im Palaste des Alkinoos haben ein Gesims von blauem Stahl 1). Nestors Tisch hat Stahlfüſse (τράπεξαν, καλὴν κυανόπεξαν 2). Häufig wird κύανος adjektivisch gebraucht, wobei es meistens die Bedeutung stahlblau, dunkel, finster hat; z. B. das dunkele Gewölk, die finsteren Brauen Kronions, das dunkele Haupthaar des Hektor, die dunkelblaue Farbe des Meeres. Poseidon heiſst κυανο- χαίτης stahlblauhaarig 3).
Fragen wir, woher bezogen die Griechen ihr Eisen? so giebt uns Homer direkt wenig Aufschluſs. Den einzigen Ort, den er namhaft macht, ist die Insel Taphos. Athene, als Fürst Mentes von Taphos verkleidet, will Kupfer von Temesa eintauschen gegen blinkendes Eisen 4).
Taphos war eine kleine Insel der akarnanischen Küste gegenüber, über deren eigenen Eisenreichtum nichts bekannt ist, wohl aber wurde in Akarnanien selbst von älterer Zeit her Eisen bereitet. Jedenfalls ist hier ausgedrückt: Die Griechen verkaufen ihr heimisches Produkt Eisen gegen das fremdländische, cyprische Kupfer.
Homer legt dem Eisen niemals ein Beiwort bei wie geschätzt, wertvoll u. s. w. und wir haben schon bemerkt, daſs das Eisen weit geringer geachtet war als Kupfer. Dennoch wird es in den Schatz- kammern der Heroen aufbewahrt, ganz wie wir dies bei den Assyrern und anderen westasiatischen Herrschern kennen gelernt haben. Adrast, von Menelaos mit dem Tode bedroht 5), fleht um Schonung und bietet Lösegeld.
„Viel Kleinode verwahrt der begüterte Vater im Hause. Erz und Goldes genug und schöngeschmiedetes Eisen (πολύκμητος σίδηρος).“
Ganz in derselben Weise bietet Dolon, der Trojaner, dem Diomedes die Schätze seines Vaters, wenn er seines Lebens schone, an 6); doch wird auch bei diesen Aufzählungen das Eisen immer nach Gold und Kupfer, als das letzte und geringwertigste genannt. Aus allem geht hervor, daſs das Eisen zu Homers Zeit bereits in allgemeiner Anwen- dung stand, das verbreitetste und das billigste Metall war.
Wir haben uns über die homerische Metallurgie etwas ausführ- licher verbreitet, einesteils, weil viele falsche Erklärungen über diesen Gegenstand noch in Gewohnheit sind, andererseits, weil uns die unbe- fangene, wahrheitsgemäſse Schilderung Homers den richtigsten Maſs-
1) Odyssee 7, 86.
2) Ilias 11, 629.
3) Ilias 13, 563.
4) Odyssee 1, 182.
5) Ilias 6, 48.
6) Ilias 10, 379.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0429"n="407"/><fwplace="top"type="header">Griechenland.</fw><lb/>
gebraucht. Auf dem Schilde des Achill bildet Hephästos ein Reben-<lb/>
gefild. Der Graben, der dieses umgiebt, ist von Stahl angefertigt. Die<lb/>
erzbekleideten Wände im Palaste des Alkinoos haben ein Gesims von<lb/>
blauem Stahl <noteplace="foot"n="1)">Odyssee 7, 86.</note>. Nestors Tisch hat Stahlfüſse (τράπεξαν, καλὴν<lb/>κυανόπεξαν<noteplace="foot"n="2)">Ilias 11, 629.</note>. Häufig wird κύανος adjektivisch gebraucht, wobei es<lb/>
meistens die Bedeutung stahlblau, dunkel, finster hat; z. B. das dunkele<lb/>
Gewölk, die finsteren Brauen Kronions, das dunkele Haupthaar des<lb/>
Hektor, die dunkelblaue Farbe des Meeres. Poseidon heiſst κυανο-<lb/>χαίτης stahlblauhaarig <noteplace="foot"n="3)">Ilias 13, 563.</note>.</p><lb/><p>Fragen wir, woher bezogen die Griechen ihr Eisen? so giebt uns<lb/>
Homer direkt wenig Aufschluſs. Den einzigen Ort, den er namhaft<lb/>
macht, ist die Insel Taphos. Athene, als Fürst Mentes von Taphos<lb/>
verkleidet, will Kupfer von Temesa eintauschen gegen blinkendes Eisen <noteplace="foot"n="4)">Odyssee 1, 182.</note>.</p><lb/><p>Taphos war eine kleine Insel der akarnanischen Küste gegenüber,<lb/>
über deren eigenen Eisenreichtum nichts bekannt ist, wohl aber wurde<lb/>
in Akarnanien selbst von älterer Zeit her Eisen bereitet. Jedenfalls<lb/>
ist hier ausgedrückt: Die Griechen verkaufen ihr heimisches Produkt<lb/>
Eisen gegen das fremdländische, cyprische Kupfer.</p><lb/><p>Homer legt dem Eisen niemals ein Beiwort bei wie geschätzt,<lb/>
wertvoll u. s. w. und wir haben schon bemerkt, daſs das Eisen weit<lb/>
geringer geachtet war als Kupfer. Dennoch wird es in den Schatz-<lb/>
kammern der Heroen aufbewahrt, ganz wie wir dies bei den Assyrern<lb/>
und anderen westasiatischen Herrschern kennen gelernt haben. Adrast,<lb/>
von Menelaos mit dem Tode bedroht <noteplace="foot"n="5)">Ilias 6, 48.</note>, fleht um Schonung und bietet<lb/>
Lösegeld.</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Viel Kleinode verwahrt der begüterte Vater im Hause.</l><lb/><l>Erz und Goldes genug und schöngeschmiedetes Eisen (πολύκμητος</l><lb/><l>σίδηρος).“</l></lg><lb/><p>Ganz in derselben Weise bietet Dolon, der Trojaner, dem Diomedes<lb/>
die Schätze seines Vaters, wenn er seines Lebens schone, an <noteplace="foot"n="6)">Ilias 10, 379.</note>; doch<lb/>
wird auch bei diesen Aufzählungen das Eisen immer nach Gold und<lb/>
Kupfer, als das letzte und geringwertigste genannt. Aus allem geht<lb/>
hervor, daſs das Eisen zu Homers Zeit bereits in allgemeiner Anwen-<lb/>
dung stand, das verbreitetste und das billigste Metall war.</p><lb/><p>Wir haben uns über die homerische Metallurgie etwas ausführ-<lb/>
licher verbreitet, einesteils, weil viele falsche Erklärungen über diesen<lb/>
Gegenstand noch in Gewohnheit sind, andererseits, weil uns die unbe-<lb/>
fangene, wahrheitsgemäſse Schilderung Homers den richtigsten Maſs-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[407/0429]
Griechenland.
gebraucht. Auf dem Schilde des Achill bildet Hephästos ein Reben-
gefild. Der Graben, der dieses umgiebt, ist von Stahl angefertigt. Die
erzbekleideten Wände im Palaste des Alkinoos haben ein Gesims von
blauem Stahl 1). Nestors Tisch hat Stahlfüſse (τράπεξαν, καλὴν
κυανόπεξαν 2). Häufig wird κύανος adjektivisch gebraucht, wobei es
meistens die Bedeutung stahlblau, dunkel, finster hat; z. B. das dunkele
Gewölk, die finsteren Brauen Kronions, das dunkele Haupthaar des
Hektor, die dunkelblaue Farbe des Meeres. Poseidon heiſst κυανο-
χαίτης stahlblauhaarig 3).
Fragen wir, woher bezogen die Griechen ihr Eisen? so giebt uns
Homer direkt wenig Aufschluſs. Den einzigen Ort, den er namhaft
macht, ist die Insel Taphos. Athene, als Fürst Mentes von Taphos
verkleidet, will Kupfer von Temesa eintauschen gegen blinkendes Eisen 4).
Taphos war eine kleine Insel der akarnanischen Küste gegenüber,
über deren eigenen Eisenreichtum nichts bekannt ist, wohl aber wurde
in Akarnanien selbst von älterer Zeit her Eisen bereitet. Jedenfalls
ist hier ausgedrückt: Die Griechen verkaufen ihr heimisches Produkt
Eisen gegen das fremdländische, cyprische Kupfer.
Homer legt dem Eisen niemals ein Beiwort bei wie geschätzt,
wertvoll u. s. w. und wir haben schon bemerkt, daſs das Eisen weit
geringer geachtet war als Kupfer. Dennoch wird es in den Schatz-
kammern der Heroen aufbewahrt, ganz wie wir dies bei den Assyrern
und anderen westasiatischen Herrschern kennen gelernt haben. Adrast,
von Menelaos mit dem Tode bedroht 5), fleht um Schonung und bietet
Lösegeld.
„Viel Kleinode verwahrt der begüterte Vater im Hause.
Erz und Goldes genug und schöngeschmiedetes Eisen (πολύκμητος
σίδηρος).“
Ganz in derselben Weise bietet Dolon, der Trojaner, dem Diomedes
die Schätze seines Vaters, wenn er seines Lebens schone, an 6); doch
wird auch bei diesen Aufzählungen das Eisen immer nach Gold und
Kupfer, als das letzte und geringwertigste genannt. Aus allem geht
hervor, daſs das Eisen zu Homers Zeit bereits in allgemeiner Anwen-
dung stand, das verbreitetste und das billigste Metall war.
Wir haben uns über die homerische Metallurgie etwas ausführ-
licher verbreitet, einesteils, weil viele falsche Erklärungen über diesen
Gegenstand noch in Gewohnheit sind, andererseits, weil uns die unbe-
fangene, wahrheitsgemäſse Schilderung Homers den richtigsten Maſs-
1) Odyssee 7, 86.
2) Ilias 11, 629.
3) Ilias 13, 563.
4) Odyssee 1, 182.
5) Ilias 6, 48.
6) Ilias 10, 379.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/429>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.