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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Griechenland.

Die Schmiede lag in oder vor dem Orte und war zugleich Schenke,
in der sich, namentlich Winters, wenn die Feldarbeit ruhte, die Männer
versammelten.

Hesiod nennt sie alea leskhe, "warme Herberge" und warnt vor
ihrem Besuch 1).

Geh' an der Esse des Schmiedes vorbei, dem gefüllten Gemeinsaal
(der warmen Herberge)
Winterszeit, wenn grimmige Kälte die Menschen von Arbeit
Abhält, weil ein thätiger Mensch jetzt mehret die Wirtschaft,
Dass dich im traurigen Winter die Trägheit nimmer ergreife
Samt Armut und mit magerer Hand du den schwülstigen Fuss drückst!
Oft hat der Arbeitslose, erwartend nichtige Hoffnung,
Weil er des Brodes bedurfte zum Bösen die Seele gekehret.
Freundliche Hoffnung kann nicht dürftige Männer getrösten,
Die in dem Wirthshaus sitzen, dieweil nicht reichte die Nahrung.

Das Schwert war von Eisen, denn nur dieses ist gemeint, wenn es
heisst, Herakles hing sich um die Schultern das fluchabwehrende
Eisen 2). Natürlich musste hierfür Stahl, nicht weiches Eisen verwendet
werden. Stahl war dem Hesiod wohl bekannt, doch bezeichnet er ihn
nicht wie Homer, mit dem Ausdrucke kuanos, sondern mit adamas, das
Unbezwingliche, mit welchem Worte auch die Tragiker und Pindar
den Stahl bezeichneten. Später benannte man bekanntlich den Diamant
mit demselben Worte und unsere Bezeichnung Diamant kommt daher.
Der Stahl hat, wie das Eisen, bei Homer das Beiwort grau, polios 3).
Von solchem gräulichen Stahl fertigt Gäa die Sense oder die zahnige
Hippe, mit der Kronos seinen Vater Uranos entmannt 4). Er mähte
mit der Stahlhippe die Scham des Uranos 5). Dieses Werkzeug heisst
zuerst V. 162 mega drepanon (Sense, Hippe, krummes Schwert), dann
175 arpe karkharodous, die vielzahnige Sense. arpe heisst bekanntlich
auch das mit dem Widerhaken versehene Krummschwert des Perseus,
sowie der mit einem Widerhaken versehene Lenkstachel des Elefanten.
An der dritten Stelle heisst es bloss: "Er warf den Stahl, mit dem er
den Uranos entmannt, in die brandende Meerflut 6). Sowohl die Sichel,
wie das Sichelschwert waren von Stahl. Ferner erwähnt Hesiod des
Stahles bei der Beschreibung der herakleischen Rüstung. Der Heros
setzt sich, nachdem er das fluchabwehrende Eisen um die Schultern
gehängt, den kunstvollen, stählernen (adamantos) und wohl um die
Schläfe gefügten Helm auf 7). In gleicher Weise, wie Homer bei der
Schilderung des Schildes des Achill, bedient sich Hesiod der Worte

1) Hesiod 493 bis 502.
2) Hesiod, Schild des Herakles 128.
3) Theog. 161.
4) Theog. 175.
5) Theog. 188.
6) Theog. 188.
7) Hesiod, Schild des
Herakles 136.
Griechenland.

Die Schmiede lag in oder vor dem Orte und war zugleich Schenke,
in der sich, namentlich Winters, wenn die Feldarbeit ruhte, die Männer
versammelten.

Hesiod nennt sie ἀλέα λέσχη, „warme Herberge“ und warnt vor
ihrem Besuch 1).

Geh’ an der Esse des Schmiedes vorbei, dem gefüllten Gemeinsaal
(der warmen Herberge)
Winterszeit, wenn grimmige Kälte die Menschen von Arbeit
Abhält, weil ein thätiger Mensch jetzt mehret die Wirtschaft,
Daſs dich im traurigen Winter die Trägheit nimmer ergreife
Samt Armut und mit magerer Hand du den schwülstigen Fuſs drückst!
Oft hat der Arbeitslose, erwartend nichtige Hoffnung,
Weil er des Brodes bedurfte zum Bösen die Seele gekehret.
Freundliche Hoffnung kann nicht dürftige Männer getrösten,
Die in dem Wirthshaus sitzen, dieweil nicht reichte die Nahrung.

Das Schwert war von Eisen, denn nur dieses ist gemeint, wenn es
heiſst, Herakles hing sich um die Schultern das fluchabwehrende
Eisen 2). Natürlich muſste hierfür Stahl, nicht weiches Eisen verwendet
werden. Stahl war dem Hesiod wohl bekannt, doch bezeichnet er ihn
nicht wie Homer, mit dem Ausdrucke κύανος, sondern mit ἄδαμας, das
Unbezwingliche, mit welchem Worte auch die Tragiker und Pindar
den Stahl bezeichneten. Später benannte man bekanntlich den Diamant
mit demselben Worte und unsere Bezeichnung Diamant kommt daher.
Der Stahl hat, wie das Eisen, bei Homer das Beiwort grau, πολιος 3).
Von solchem gräulichen Stahl fertigt Gäa die Sense oder die zahnige
Hippe, mit der Kronos seinen Vater Uranos entmannt 4). Er mähte
mit der Stahlhippe die Scham des Uranos 5). Dieses Werkzeug heiſst
zuerst V. 162 μέγα δρέπανον (Sense, Hippe, krummes Schwert), dann
175 ἅρπη καρχαρόδους, die vielzahnige Sense. ἄρπη heiſst bekanntlich
auch das mit dem Widerhaken versehene Krummschwert des Perseus,
sowie der mit einem Widerhaken versehene Lenkstachel des Elefanten.
An der dritten Stelle heiſst es bloſs: „Er warf den Stahl, mit dem er
den Uranos entmannt, in die brandende Meerflut 6). Sowohl die Sichel,
wie das Sichelschwert waren von Stahl. Ferner erwähnt Hesiod des
Stahles bei der Beschreibung der herakleischen Rüstung. Der Heros
setzt sich, nachdem er das fluchabwehrende Eisen um die Schultern
gehängt, den kunstvollen, stählernen (ἀδάμαντος) und wohl um die
Schläfe gefügten Helm auf 7). In gleicher Weise, wie Homer bei der
Schilderung des Schildes des Achill, bedient sich Hesiod der Worte

1) Hesiod 493 bis 502.
2) Hesiod, Schild des Herakles 128.
3) Theog. 161.
4) Theog. 175.
5) Theog. 188.
6) Theog. 188.
7) Hesiod, Schild des
Herakles 136.
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[416/0438] Griechenland. Die Schmiede lag in oder vor dem Orte und war zugleich Schenke, in der sich, namentlich Winters, wenn die Feldarbeit ruhte, die Männer versammelten. Hesiod nennt sie ἀλέα λέσχη, „warme Herberge“ und warnt vor ihrem Besuch 1). Geh’ an der Esse des Schmiedes vorbei, dem gefüllten Gemeinsaal (der warmen Herberge) Winterszeit, wenn grimmige Kälte die Menschen von Arbeit Abhält, weil ein thätiger Mensch jetzt mehret die Wirtschaft, Daſs dich im traurigen Winter die Trägheit nimmer ergreife Samt Armut und mit magerer Hand du den schwülstigen Fuſs drückst! Oft hat der Arbeitslose, erwartend nichtige Hoffnung, Weil er des Brodes bedurfte zum Bösen die Seele gekehret. Freundliche Hoffnung kann nicht dürftige Männer getrösten, Die in dem Wirthshaus sitzen, dieweil nicht reichte die Nahrung. Das Schwert war von Eisen, denn nur dieses ist gemeint, wenn es heiſst, Herakles hing sich um die Schultern das fluchabwehrende Eisen 2). Natürlich muſste hierfür Stahl, nicht weiches Eisen verwendet werden. Stahl war dem Hesiod wohl bekannt, doch bezeichnet er ihn nicht wie Homer, mit dem Ausdrucke κύανος, sondern mit ἄδαμας, das Unbezwingliche, mit welchem Worte auch die Tragiker und Pindar den Stahl bezeichneten. Später benannte man bekanntlich den Diamant mit demselben Worte und unsere Bezeichnung Diamant kommt daher. Der Stahl hat, wie das Eisen, bei Homer das Beiwort grau, πολιος 3). Von solchem gräulichen Stahl fertigt Gäa die Sense oder die zahnige Hippe, mit der Kronos seinen Vater Uranos entmannt 4). Er mähte mit der Stahlhippe die Scham des Uranos 5). Dieses Werkzeug heiſst zuerst V. 162 μέγα δρέπανον (Sense, Hippe, krummes Schwert), dann 175 ἅρπη καρχαρόδους, die vielzahnige Sense. ἄρπη heiſst bekanntlich auch das mit dem Widerhaken versehene Krummschwert des Perseus, sowie der mit einem Widerhaken versehene Lenkstachel des Elefanten. An der dritten Stelle heiſst es bloſs: „Er warf den Stahl, mit dem er den Uranos entmannt, in die brandende Meerflut 6). Sowohl die Sichel, wie das Sichelschwert waren von Stahl. Ferner erwähnt Hesiod des Stahles bei der Beschreibung der herakleischen Rüstung. Der Heros setzt sich, nachdem er das fluchabwehrende Eisen um die Schultern gehängt, den kunstvollen, stählernen (ἀδάμαντος) und wohl um die Schläfe gefügten Helm auf 7). In gleicher Weise, wie Homer bei der Schilderung des Schildes des Achill, bedient sich Hesiod der Worte 1) Hesiod 493 bis 502. 2) Hesiod, Schild des Herakles 128. 3) Theog. 161. 4) Theog. 175. 5) Theog. 188. 6) Theog. 188. 7) Hesiod, Schild des Herakles 136.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/438>, abgerufen am 22.11.2024.