selbst zu einer solchen Höhe, dass die Schüler ihre Lehrer überflügelten. Die Griechen haben im Erzguss in technischer und künstlerischer Be- ziehung grösseres geleistet, als die Phönizier. Auch diese Fortschritte knüpfen sich zum Teil an dieselben Namen, zum Teil an Glieder der- selben Familie, an Glaukos von Chios, an Rhökos und Theodoros von Samos.
Die Kunst, das Erz zu schmieden und zu treiben, hatten die Griechen von den Phöniziern, besonders auf Lemnos, Kreta und Rhodos erlernt. Man begann dort schon sehr früh Bildwerke aus Erz und Gold darzustellen, die nicht gegossen, sondern getrieben waren. Die- selben bestanden aus einer grossen Anzahl Stücke, die mit Nägeln von Gold oder Erz zusammengefügt oder zusammengenietet waren. Das erste grosse, griechische Bildwerk dieser Art 1), von dem wir Nachricht haben, war die goldene Statue des Zeus, die Kypselos im Heratempel zu Olympia aufstellen liess um 650 v. Chr. Es war getriebene Arbeit. Die Dimensionen gingen weit über menschliche Grösse hinaus 2). Gleich- falls sehr alt, möglicherweise noch älter war das getriebene Erzbild des Zeus Hypator, das auf der Burg zu Sparta neben dem Tempel der Athene stand. Es war ein Werk des Klearch von Rhegium. Um 630 v. Chr. weihte Koläos von Samos dem Tempel der Hera ein gewaltiges, mit Greifenköpfen verziertes Becken von Erz, das von acht knieenden Erz- figuren getragen wurde und gegen 11 Fuss hoch war.
Um diese Zeit erfand, wie oben erwähnt, Glaukos von Chios statt des Zusammennietens der getriebenen Stücke die Lötung des Erzes, wie auch des Eisens (siderou kollesis 3)).
Demselben Künstler wurde später auch die Härtung des Eisens als Erfindung zugeschrieben 4), doch war diese, wie wir gesehen haben, schon dem Homer bekannt. Aus der Nachricht lässt sich jedoch schliessen, wie dies auch durch die Beschreibung des Untersatzes des grossen Beckens des Alyattes bestätigt wird, dass Glaukos nicht nur in Erz, sondern auch in Eisen zu treiben verstand. Etwas später um 600 v. Chr. soll Rhökos, des Phileas Sohn, das Formen und Giessen von Kunstwerken in Erz erfunden haben. Das Giessen des Erzes an und für sich war indes bei den Phöniziern schon viel früher bekannt. Es kann also hier nur von irgend einem Fortschritte im Kunstguss die Rede sein.
1) Vergl. hier die Beschreibung des aus Gold, Silber, Erz und Eisen zusammen- genieteten, grossen assyrischen Bildwerkes. Daniel II, 32 u. 33.
2) Pausa- nias III, 17, 6.
3) Suidae Lexicon graece et latine II, p. 743.
4) Plutarch de orac. 47.
Beck, Geschichte des Eisens. 28
Griechenland.
selbst zu einer solchen Höhe, daſs die Schüler ihre Lehrer überflügelten. Die Griechen haben im Erzguſs in technischer und künstlerischer Be- ziehung gröſseres geleistet, als die Phönizier. Auch diese Fortschritte knüpfen sich zum Teil an dieselben Namen, zum Teil an Glieder der- selben Familie, an Glaukos von Chios, an Rhökos und Theodoros von Samos.
Die Kunst, das Erz zu schmieden und zu treiben, hatten die Griechen von den Phöniziern, besonders auf Lemnos, Kreta und Rhodos erlernt. Man begann dort schon sehr früh Bildwerke aus Erz und Gold darzustellen, die nicht gegossen, sondern getrieben waren. Die- selben bestanden aus einer groſsen Anzahl Stücke, die mit Nägeln von Gold oder Erz zusammengefügt oder zusammengenietet waren. Das erste groſse, griechische Bildwerk dieser Art 1), von dem wir Nachricht haben, war die goldene Statue des Zeus, die Kypselos im Heratempel zu Olympia aufstellen lieſs um 650 v. Chr. Es war getriebene Arbeit. Die Dimensionen gingen weit über menschliche Gröſse hinaus 2). Gleich- falls sehr alt, möglicherweise noch älter war das getriebene Erzbild des Zeus Hypator, das auf der Burg zu Sparta neben dem Tempel der Athene stand. Es war ein Werk des Klearch von Rhegium. Um 630 v. Chr. weihte Koläos von Samos dem Tempel der Hera ein gewaltiges, mit Greifenköpfen verziertes Becken von Erz, das von acht knieenden Erz- figuren getragen wurde und gegen 11 Fuſs hoch war.
Um diese Zeit erfand, wie oben erwähnt, Glaukos von Chios statt des Zusammennietens der getriebenen Stücke die Lötung des Erzes, wie auch des Eisens (σιδήρου κόλλησις 3)).
Demselben Künstler wurde später auch die Härtung des Eisens als Erfindung zugeschrieben 4), doch war diese, wie wir gesehen haben, schon dem Homer bekannt. Aus der Nachricht läſst sich jedoch schlieſsen, wie dies auch durch die Beschreibung des Untersatzes des groſsen Beckens des Alyattes bestätigt wird, daſs Glaukos nicht nur in Erz, sondern auch in Eisen zu treiben verstand. Etwas später um 600 v. Chr. soll Rhökos, des Phileas Sohn, das Formen und Gieſsen von Kunstwerken in Erz erfunden haben. Das Gieſsen des Erzes an und für sich war indes bei den Phöniziern schon viel früher bekannt. Es kann also hier nur von irgend einem Fortschritte im Kunstguſs die Rede sein.
1) Vergl. hier die Beschreibung des aus Gold, Silber, Erz und Eisen zusammen- genieteten, groſsen assyrischen Bildwerkes. Daniel II, 32 u. 33.
2) Pausa- nias III, 17, 6.
3) Suidae Lexicon graece et latine II, p. 743.
4) Plutarch de orac. 47.
Beck, Geschichte des Eisens. 28
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Griechenland.
selbst zu einer solchen Höhe, daſs die Schüler ihre Lehrer überflügelten.
Die Griechen haben im Erzguſs in technischer und künstlerischer Be-
ziehung gröſseres geleistet, als die Phönizier. Auch diese Fortschritte
knüpfen sich zum Teil an dieselben Namen, zum Teil an Glieder der-
selben Familie, an Glaukos von Chios, an Rhökos und Theodoros von
Samos.
Die Kunst, das Erz zu schmieden und zu treiben, hatten die
Griechen von den Phöniziern, besonders auf Lemnos, Kreta und Rhodos
erlernt. Man begann dort schon sehr früh Bildwerke aus Erz und
Gold darzustellen, die nicht gegossen, sondern getrieben waren. Die-
selben bestanden aus einer groſsen Anzahl Stücke, die mit Nägeln von
Gold oder Erz zusammengefügt oder zusammengenietet waren. Das
erste groſse, griechische Bildwerk dieser Art 1), von dem wir Nachricht
haben, war die goldene Statue des Zeus, die Kypselos im Heratempel
zu Olympia aufstellen lieſs um 650 v. Chr. Es war getriebene Arbeit.
Die Dimensionen gingen weit über menschliche Gröſse hinaus 2). Gleich-
falls sehr alt, möglicherweise noch älter war das getriebene Erzbild des
Zeus Hypator, das auf der Burg zu Sparta neben dem Tempel der Athene
stand. Es war ein Werk des Klearch von Rhegium. Um 630 v. Chr.
weihte Koläos von Samos dem Tempel der Hera ein gewaltiges, mit
Greifenköpfen verziertes Becken von Erz, das von acht knieenden Erz-
figuren getragen wurde und gegen 11 Fuſs hoch war.
Um diese Zeit erfand, wie oben erwähnt, Glaukos von Chios statt
des Zusammennietens der getriebenen Stücke die Lötung des Erzes,
wie auch des Eisens (σιδήρου κόλλησις 3)).
Demselben Künstler wurde später auch die Härtung des Eisens
als Erfindung zugeschrieben 4), doch war diese, wie wir gesehen haben,
schon dem Homer bekannt. Aus der Nachricht läſst sich jedoch
schlieſsen, wie dies auch durch die Beschreibung des Untersatzes des
groſsen Beckens des Alyattes bestätigt wird, daſs Glaukos nicht nur
in Erz, sondern auch in Eisen zu treiben verstand. Etwas später
um 600 v. Chr. soll Rhökos, des Phileas Sohn, das Formen und Gieſsen
von Kunstwerken in Erz erfunden haben. Das Gieſsen des Erzes an
und für sich war indes bei den Phöniziern schon viel früher bekannt.
Es kann also hier nur von irgend einem Fortschritte im Kunstguſs die
Rede sein.
1) Vergl. hier die Beschreibung des aus Gold, Silber, Erz und Eisen zusammen-
genieteten, groſsen assyrischen Bildwerkes. Daniel II, 32 u. 33.
2) Pausa-
nias III, 17, 6.
3) Suidae Lexicon graece et latine II, p. 743.
4) Plutarch de
orac. 47.
Beck, Geschichte des Eisens. 28
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/455>, abgerufen am 22.11.2024.
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