stand gegenüber zu Tage, so dass es zur Zeit unmittelbar nach dem punischen Kriege als ein Glück betrachtet wurde, wenn "dem Bürger- und Bauernpack zur Ader gelassen wurde". Die Sklaven wurden selbst vor dem Gesetze nicht als Menschen angesehen und Juvenal lässt in einer Satire eine junge Römerin alles Ernstes fragen: "Ist denn ein Sklave ein Mensch?"
Nachdem Italien nach Verlauf von kaum 150 Jahren ruiniert war, wurde die Grundsteuer aufgehoben; eine Massregel, die Niemandem mehr wohl that, als den Grossgrundbesitzern, die das ganze Land bereits verschlungen hatten. Dafür wurden von da ab alle Staats- einkünfte aus den Provinzen gezogen und zwar durch gewinnsüchtige Steuerpächter. Wie war es möglich, dass ein solch unsittliches Ver- hältnis sich lange halten konnte?
Gegen die Gewerbe hielt sich der Staat nach wie vor indifferent. Die Industrie des Auslandes wurde ruiniert. Etablissements wurden entweder vom Staat zu Schwindelpreisen veräussert, oder ihre Ein- künfte wurden, wie die Grundsteuern, an Unternehmer verpachtet, die, indem sie sich möglichst rasch zu bereichern suchten, die Anlagen zu Grunde richteten. Glänzend blieb nur der Geldverkehr und der Han- del, der immer grössere Ausdehnung annahm und sich noch weit über die Grenzen des Reiches hinaus ausdehnte.
Bei der unumschränkten Geldherrschaft verschwand der Rechts- sinn vor der Habgier. Aus Handelsneid wurden herrliche Städte wie Karthago und Korinth in Schutthaufen verwandelt. Kein Wunder, wenn bei solcher öffentlichen Moral ruinierte reiche Leute sich an die Spitzen aufrührerischer Sklavenhorden stellten.
Deutlich zeigt sich der schlimme Einfluss der römischen Herr- schaft bei dem Bergbau. Alle Bergwerke Europas fielen nach und nach in die Hände der Römer, die sie sofort für Staatseigentum er- klärten. Die reichsten Gruben waren die Silberbergwerke Spaniens, die vordem von den Karthagern betrieben worden waren; aus ihnen zogen die Römer längere Zeit ungeheure Einnahmen. In ihrem tech- nischen Betriebe aber gingen die Gruben zurück. Es scheint nicht, dass die Römer irgend welche Verbesserungen in den spanischen Gruben eingeführt haben. Bau und Betrieb scheinen nach der Weise der alten Phönizier geführt worden zu sein; selbst die archimedische Schraube, die auf mehreren dieser Gruben zur Wasserhaltung ver- wendet wurde, war schon eine alte Erfindung der Ägypter, und bereits von den Karthagern eingeführt. Durch das Pachtsystem mussten die Gruben zu Grunde gerichtet werden. Die Zensoren überliessen sie den
Italien und die Römer.
stand gegenüber zu Tage, so daſs es zur Zeit unmittelbar nach dem punischen Kriege als ein Glück betrachtet wurde, wenn „dem Bürger- und Bauernpack zur Ader gelassen wurde“. Die Sklaven wurden selbst vor dem Gesetze nicht als Menschen angesehen und Juvenal läſst in einer Satire eine junge Römerin alles Ernstes fragen: „Ist denn ein Sklave ein Mensch?“
Nachdem Italien nach Verlauf von kaum 150 Jahren ruiniert war, wurde die Grundsteuer aufgehoben; eine Maſsregel, die Niemandem mehr wohl that, als den Groſsgrundbesitzern, die das ganze Land bereits verschlungen hatten. Dafür wurden von da ab alle Staats- einkünfte aus den Provinzen gezogen und zwar durch gewinnsüchtige Steuerpächter. Wie war es möglich, daſs ein solch unsittliches Ver- hältnis sich lange halten konnte?
Gegen die Gewerbe hielt sich der Staat nach wie vor indifferent. Die Industrie des Auslandes wurde ruiniert. Etablissements wurden entweder vom Staat zu Schwindelpreisen veräuſsert, oder ihre Ein- künfte wurden, wie die Grundsteuern, an Unternehmer verpachtet, die, indem sie sich möglichst rasch zu bereichern suchten, die Anlagen zu Grunde richteten. Glänzend blieb nur der Geldverkehr und der Han- del, der immer gröſsere Ausdehnung annahm und sich noch weit über die Grenzen des Reiches hinaus ausdehnte.
Bei der unumschränkten Geldherrschaft verschwand der Rechts- sinn vor der Habgier. Aus Handelsneid wurden herrliche Städte wie Karthago und Korinth in Schutthaufen verwandelt. Kein Wunder, wenn bei solcher öffentlichen Moral ruinierte reiche Leute sich an die Spitzen aufrührerischer Sklavenhorden stellten.
Deutlich zeigt sich der schlimme Einfluſs der römischen Herr- schaft bei dem Bergbau. Alle Bergwerke Europas fielen nach und nach in die Hände der Römer, die sie sofort für Staatseigentum er- klärten. Die reichsten Gruben waren die Silberbergwerke Spaniens, die vordem von den Karthagern betrieben worden waren; aus ihnen zogen die Römer längere Zeit ungeheure Einnahmen. In ihrem tech- nischen Betriebe aber gingen die Gruben zurück. Es scheint nicht, daſs die Römer irgend welche Verbesserungen in den spanischen Gruben eingeführt haben. Bau und Betrieb scheinen nach der Weise der alten Phönizier geführt worden zu sein; selbst die archimedische Schraube, die auf mehreren dieser Gruben zur Wasserhaltung ver- wendet wurde, war schon eine alte Erfindung der Ägypter, und bereits von den Karthagern eingeführt. Durch das Pachtsystem muſsten die Gruben zu Grunde gerichtet werden. Die Zensoren überlieſsen sie den
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Italien und die Römer.
stand gegenüber zu Tage, so daſs es zur Zeit unmittelbar nach dem
punischen Kriege als ein Glück betrachtet wurde, wenn „dem Bürger-
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vor dem Gesetze nicht als Menschen angesehen und Juvenal läſst in
einer Satire eine junge Römerin alles Ernstes fragen: „Ist denn ein
Sklave ein Mensch?“
Nachdem Italien nach Verlauf von kaum 150 Jahren ruiniert war,
wurde die Grundsteuer aufgehoben; eine Maſsregel, die Niemandem
mehr wohl that, als den Groſsgrundbesitzern, die das ganze Land
bereits verschlungen hatten. Dafür wurden von da ab alle Staats-
einkünfte aus den Provinzen gezogen und zwar durch gewinnsüchtige
Steuerpächter. Wie war es möglich, daſs ein solch unsittliches Ver-
hältnis sich lange halten konnte?
Gegen die Gewerbe hielt sich der Staat nach wie vor indifferent.
Die Industrie des Auslandes wurde ruiniert. Etablissements wurden
entweder vom Staat zu Schwindelpreisen veräuſsert, oder ihre Ein-
künfte wurden, wie die Grundsteuern, an Unternehmer verpachtet, die,
indem sie sich möglichst rasch zu bereichern suchten, die Anlagen zu
Grunde richteten. Glänzend blieb nur der Geldverkehr und der Han-
del, der immer gröſsere Ausdehnung annahm und sich noch weit über
die Grenzen des Reiches hinaus ausdehnte.
Bei der unumschränkten Geldherrschaft verschwand der Rechts-
sinn vor der Habgier. Aus Handelsneid wurden herrliche Städte wie
Karthago und Korinth in Schutthaufen verwandelt. Kein Wunder,
wenn bei solcher öffentlichen Moral ruinierte reiche Leute sich an die
Spitzen aufrührerischer Sklavenhorden stellten.
Deutlich zeigt sich der schlimme Einfluſs der römischen Herr-
schaft bei dem Bergbau. Alle Bergwerke Europas fielen nach und
nach in die Hände der Römer, die sie sofort für Staatseigentum er-
klärten. Die reichsten Gruben waren die Silberbergwerke Spaniens,
die vordem von den Karthagern betrieben worden waren; aus ihnen
zogen die Römer längere Zeit ungeheure Einnahmen. In ihrem tech-
nischen Betriebe aber gingen die Gruben zurück. Es scheint nicht,
daſs die Römer irgend welche Verbesserungen in den spanischen Gruben
eingeführt haben. Bau und Betrieb scheinen nach der Weise der
alten Phönizier geführt worden zu sein; selbst die archimedische
Schraube, die auf mehreren dieser Gruben zur Wasserhaltung ver-
wendet wurde, war schon eine alte Erfindung der Ägypter, und bereits
von den Karthagern eingeführt. Durch das Pachtsystem muſsten die
Gruben zu Grunde gerichtet werden. Die Zensoren überlieſsen sie den
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/512>, abgerufen am 22.11.2024.
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