nur fiel dieser neuen Kolonie allmählich der ganze Überlandhandel nach der Nord- und der Ostsee, der früher durch das Pothal gegangen war, zu, sondern Massilia wurde ein Mittelpunkt der Gesittung in jeder Hinsicht, ein Mittelpunkt politischer, geistiger und industrieller Thätig- keit. Strabo, selbst ein Grieche, erzählt, dass die vornehmen Römer ihre Söhne, wie sie dieselben in früheren Jahrhunderten nach Athen geschickt hätten, jetzt nach Massilia schickten, als dem Platze, an dem am meisten in jeder Beziehung zu lernen sei. Die im phönizischen Geiste angelegte Stadtverwaltung war so vorzüglich und hatte sich durch den Gemeinsinn der wohlhabenden Bürgerschaft so bewährt, dass sie selbst der römische Büreaukratismus nicht anzutasten wagte und Cäsar ihre Vorzüglichkeit offen anerkannte. Es ist nicht unsere Aufgabe, auf die grosse politische Bedeutung Massilias näher einzugehen, aber diese Stadt war auch ein Ausgangspunkt grosser industrieeller Thätigkeit. Wohl war sie in erster Linie ein Handelsplatz. Aber auch als Industriestadt hat sie für Gallien die grösste Bedeutung.
Massiliotische Münzen, massiliotisches Geld findet man in ganz Gallien und nicht nur da, sondern ebenso in Helvetien, Südgermanien, in Tyrol und Steyermark. Die Bildung, die von Massilia ausging, war wesentlich griechisch. Daraus erklärt es sich, dass gallische Fürsten, wie Divitiakus, sich der griechischen Sprache als Schriftsprache be- dienten, die vornehmen Gallier wurden, wie später die römischen Patri- ziersöhne, nach Massilia zur Universität geschickt. Rom war stolz dar- auf, eine solche Stadt und ein solches Gebiet zu beherrschen und legte ihm deshalb den besonderen Ehrennamen Provinzia Rhomana bei.
Der Einfluss, den Massilia in technischer Beziehung auf ganz Gallien, zunächst auf das Gebiet der Rhone und Saone, des Rhodanus und des Arar ausgeübt hat, ist ein grossartiger, zum Teil noch nicht genügend gewürdigter. Es wäre eine verlockende Aufgabe, diesen Ein- fluss näher zu verfolgen, da es uns aber von unserem eigentlichen Zweck zu weit abführen würde, so beschränken wir uns darauf, zu kon- statieren, dass die technische Bildung der Gallier wesentlich von Mas- silia und den übrigen Mittelmeerstädten seinen Ausgang genommen hat. Massilia stand in engster Beziehung zu Griechenland. Mit dem Verfalle Griechenlands tritt auch der Einfluss des Mutterlandes und der Handelsverkehr mit diesem zurück, während der Verkehr mit Italien wuchs, daher erklärt es sich, dass die archäologischen Funde aus der ältesten gallischen Zeit vorwiegend den etrurischen Charakter zeigen.
Überhaupt war es der Zusammenhang, den Massilia als phokäische Gründung mit Griechenland hatte, nicht allein, der bestimmend auf die
Das frühe Mittelalter.
nur fiel dieser neuen Kolonie allmählich der ganze Überlandhandel nach der Nord- und der Ostsee, der früher durch das Pothal gegangen war, zu, sondern Massilia wurde ein Mittelpunkt der Gesittung in jeder Hinsicht, ein Mittelpunkt politischer, geistiger und industrieller Thätig- keit. Strabo, selbst ein Grieche, erzählt, daſs die vornehmen Römer ihre Söhne, wie sie dieselben in früheren Jahrhunderten nach Athen geschickt hätten, jetzt nach Massilia schickten, als dem Platze, an dem am meisten in jeder Beziehung zu lernen sei. Die im phönizischen Geiste angelegte Stadtverwaltung war so vorzüglich und hatte sich durch den Gemeinsinn der wohlhabenden Bürgerschaft so bewährt, daſs sie selbst der römische Büreaukratismus nicht anzutasten wagte und Cäsar ihre Vorzüglichkeit offen anerkannte. Es ist nicht unsere Aufgabe, auf die groſse politische Bedeutung Massilias näher einzugehen, aber diese Stadt war auch ein Ausgangspunkt groſser industrieeller Thätigkeit. Wohl war sie in erster Linie ein Handelsplatz. Aber auch als Industriestadt hat sie für Gallien die gröſste Bedeutung.
Massiliotische Münzen, massiliotisches Geld findet man in ganz Gallien und nicht nur da, sondern ebenso in Helvetien, Südgermanien, in Tyrol und Steyermark. Die Bildung, die von Massilia ausging, war wesentlich griechisch. Daraus erklärt es sich, daſs gallische Fürsten, wie Divitiakus, sich der griechischen Sprache als Schriftsprache be- dienten, die vornehmen Gallier wurden, wie später die römischen Patri- ziersöhne, nach Massilia zur Universität geschickt. Rom war stolz dar- auf, eine solche Stadt und ein solches Gebiet zu beherrschen und legte ihm deshalb den besonderen Ehrennamen Provinzia Rhomana bei.
Der Einfluſs, den Massilia in technischer Beziehung auf ganz Gallien, zunächst auf das Gebiet der Rhone und Saone, des Rhodanus und des Arar ausgeübt hat, ist ein groſsartiger, zum Teil noch nicht genügend gewürdigter. Es wäre eine verlockende Aufgabe, diesen Ein- fluſs näher zu verfolgen, da es uns aber von unserem eigentlichen Zweck zu weit abführen würde, so beschränken wir uns darauf, zu kon- statieren, daſs die technische Bildung der Gallier wesentlich von Mas- silia und den übrigen Mittelmeerstädten seinen Ausgang genommen hat. Massilia stand in engster Beziehung zu Griechenland. Mit dem Verfalle Griechenlands tritt auch der Einfluſs des Mutterlandes und der Handelsverkehr mit diesem zurück, während der Verkehr mit Italien wuchs, daher erklärt es sich, daſs die archäologischen Funde aus der ältesten gallischen Zeit vorwiegend den etrurischen Charakter zeigen.
Überhaupt war es der Zusammenhang, den Massilia als phokäische Gründung mit Griechenland hatte, nicht allein, der bestimmend auf die
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[654/0676]
Das frühe Mittelalter.
nur fiel dieser neuen Kolonie allmählich der ganze Überlandhandel nach
der Nord- und der Ostsee, der früher durch das Pothal gegangen war,
zu, sondern Massilia wurde ein Mittelpunkt der Gesittung in jeder
Hinsicht, ein Mittelpunkt politischer, geistiger und industrieller Thätig-
keit. Strabo, selbst ein Grieche, erzählt, daſs die vornehmen Römer
ihre Söhne, wie sie dieselben in früheren Jahrhunderten nach Athen
geschickt hätten, jetzt nach Massilia schickten, als dem Platze, an dem
am meisten in jeder Beziehung zu lernen sei. Die im phönizischen
Geiste angelegte Stadtverwaltung war so vorzüglich und hatte sich
durch den Gemeinsinn der wohlhabenden Bürgerschaft so bewährt,
daſs sie selbst der römische Büreaukratismus nicht anzutasten wagte
und Cäsar ihre Vorzüglichkeit offen anerkannte. Es ist nicht unsere
Aufgabe, auf die groſse politische Bedeutung Massilias näher einzugehen,
aber diese Stadt war auch ein Ausgangspunkt groſser industrieeller
Thätigkeit. Wohl war sie in erster Linie ein Handelsplatz. Aber
auch als Industriestadt hat sie für Gallien die gröſste Bedeutung.
Massiliotische Münzen, massiliotisches Geld findet man in ganz
Gallien und nicht nur da, sondern ebenso in Helvetien, Südgermanien,
in Tyrol und Steyermark. Die Bildung, die von Massilia ausging, war
wesentlich griechisch. Daraus erklärt es sich, daſs gallische Fürsten,
wie Divitiakus, sich der griechischen Sprache als Schriftsprache be-
dienten, die vornehmen Gallier wurden, wie später die römischen Patri-
ziersöhne, nach Massilia zur Universität geschickt. Rom war stolz dar-
auf, eine solche Stadt und ein solches Gebiet zu beherrschen und legte
ihm deshalb den besonderen Ehrennamen Provinzia Rhomana bei.
Der Einfluſs, den Massilia in technischer Beziehung auf ganz
Gallien, zunächst auf das Gebiet der Rhone und Saone, des Rhodanus
und des Arar ausgeübt hat, ist ein groſsartiger, zum Teil noch nicht
genügend gewürdigter. Es wäre eine verlockende Aufgabe, diesen Ein-
fluſs näher zu verfolgen, da es uns aber von unserem eigentlichen
Zweck zu weit abführen würde, so beschränken wir uns darauf, zu kon-
statieren, daſs die technische Bildung der Gallier wesentlich von Mas-
silia und den übrigen Mittelmeerstädten seinen Ausgang genommen
hat. Massilia stand in engster Beziehung zu Griechenland. Mit dem
Verfalle Griechenlands tritt auch der Einfluſs des Mutterlandes und
der Handelsverkehr mit diesem zurück, während der Verkehr mit Italien
wuchs, daher erklärt es sich, daſs die archäologischen Funde aus der
ältesten gallischen Zeit vorwiegend den etrurischen Charakter zeigen.
Überhaupt war es der Zusammenhang, den Massilia als phokäische
Gründung mit Griechenland hatte, nicht allein, der bestimmend auf die
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/676>, abgerufen am 22.11.2024.
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