Gallier einwirkte, bedeutender noch dürfte die Einwirkung der Etrus- ker gewesen sein. Gallische Stämme hatten Norditalien in Besitz, als Rom anfing seine Macht über ganz Italien auszubreiten. Schon zur Zeit des Tarquinius Priscus um 600 v. Chr. kämpften gallische Senonen, Sequaner und Bojer in Italien, bedrängten die Etrusker, und setzten sich in Oberitalien fest 1). Im Jahre 390 v. Chr. kamen die Senonen in Streit mit Rom und wurden bei dieser Gelegenheit ihre überlegenen Eisenschwerter besonders gerühmt. Es ist anzunehmen, dass sie durch ihre guten Klingen schon um das Jahr 600 v. Chr. den Etruskern überlegen waren. Die berühmten Heimstätten uralter Eisen- industrie wie Comum, Bergamum, Brixia, Mediolanum waren damals gallische Städte.
Was nun die metallurgischen Kenntnisse der Gallier anlangt, so zeigt sich zunächst eine Konformität mit den Bewohnern der übrigen Mittelmeerländer, speziell Italiens und Hispaniens. Die Bronze, das Lieb- lingsmetall der Phönizier, Griechen und Etrusker, spielte relativ eine grosse Rolle. Bronzefunde sind zahlreich in Frankreich. Der Charakter derselben ist wesentlich ein etruskischer. Sie sind zum grossen Teil durch Handel in das Land gekommen. Die Eisenindustrie Galliens ist aber uralt. Dies erkennen die französischen Archäologen jetzt selbst an, während sie früher, ähnlich den skandinavischen Gelehrten, die Hypothese eines reinen Bronzezeitalters eifrig verfochten. Auch für Frankreich ist hierfür kein nachweisbarer Grund vorhanden, wie dies jetzt von den französischen Altertumsforschern auch rückhaltslos zugegeben wird. Es lässt sich nachweisen, dass die Eisenindustrie in Gallien schon in frühester Zeit sehr bedeutend war. Zunächst war Massilia schon im hohen Altertume berühmt wegen seiner Kriegsmaschinen, zu denen Eisen in ausgedehnter Weise verwendet wurde. Wir haben bereits zuvor 2) mitgeteilt, dass die Massilioten, in deren Gebiet Eisen- erze spärlich vorkamen, in Spanien Eisengruben besassen und Kolo- nieen deshalb angelegt hatten. Die Eisentechnik der alten Gallier ist, wie dies ja bei allen europäischen Staaten der Fall ist, noch nicht ge- nügend aufgeklärt. Immerhin ist auf diesem Gebiete mehr geschehen, als in manchen Nachbarländern und das verdanken wir ganz besonders dem Kaiser Napoleon III. Dieser hochbegabte Mann hatte ein hervor- ragendes Verständnis für technische Dinge, wie er dies in seiner Ge- schichte des Artilleriewesens dokumentiert hat. Später, als er sich mit der Lebensbeschreibung Cäsars beschäftigte, gab er die Anregung
1) Livius V, cap. 34.
2) S. 651.
Gallien.
Gallier einwirkte, bedeutender noch dürfte die Einwirkung der Etrus- ker gewesen sein. Gallische Stämme hatten Norditalien in Besitz, als Rom anfing seine Macht über ganz Italien auszubreiten. Schon zur Zeit des Tarquinius Priscus um 600 v. Chr. kämpften gallische Senonen, Sequaner und Bojer in Italien, bedrängten die Etrusker, und setzten sich in Oberitalien fest 1). Im Jahre 390 v. Chr. kamen die Senonen in Streit mit Rom und wurden bei dieser Gelegenheit ihre überlegenen Eisenschwerter besonders gerühmt. Es ist anzunehmen, daſs sie durch ihre guten Klingen schon um das Jahr 600 v. Chr. den Etruskern überlegen waren. Die berühmten Heimstätten uralter Eisen- industrie wie Comum, Bergamum, Brixia, Mediolanum waren damals gallische Städte.
Was nun die metallurgischen Kenntnisse der Gallier anlangt, so zeigt sich zunächst eine Konformität mit den Bewohnern der übrigen Mittelmeerländer, speziell Italiens und Hispaniens. Die Bronze, das Lieb- lingsmetall der Phönizier, Griechen und Etrusker, spielte relativ eine groſse Rolle. Bronzefunde sind zahlreich in Frankreich. Der Charakter derselben ist wesentlich ein etruskischer. Sie sind zum groſsen Teil durch Handel in das Land gekommen. Die Eisenindustrie Galliens ist aber uralt. Dies erkennen die französischen Archäologen jetzt selbst an, während sie früher, ähnlich den skandinavischen Gelehrten, die Hypothese eines reinen Bronzezeitalters eifrig verfochten. Auch für Frankreich ist hierfür kein nachweisbarer Grund vorhanden, wie dies jetzt von den französischen Altertumsforschern auch rückhaltslos zugegeben wird. Es läſst sich nachweisen, daſs die Eisenindustrie in Gallien schon in frühester Zeit sehr bedeutend war. Zunächst war Massilia schon im hohen Altertume berühmt wegen seiner Kriegsmaschinen, zu denen Eisen in ausgedehnter Weise verwendet wurde. Wir haben bereits zuvor 2) mitgeteilt, daſs die Massilioten, in deren Gebiet Eisen- erze spärlich vorkamen, in Spanien Eisengruben besaſsen und Kolo- nieen deshalb angelegt hatten. Die Eisentechnik der alten Gallier ist, wie dies ja bei allen europäischen Staaten der Fall ist, noch nicht ge- nügend aufgeklärt. Immerhin ist auf diesem Gebiete mehr geschehen, als in manchen Nachbarländern und das verdanken wir ganz besonders dem Kaiser Napoleon III. Dieser hochbegabte Mann hatte ein hervor- ragendes Verständnis für technische Dinge, wie er dies in seiner Ge- schichte des Artilleriewesens dokumentiert hat. Später, als er sich mit der Lebensbeschreibung Cäsars beschäftigte, gab er die Anregung
1) Livius V, cap. 34.
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Gallien.
Gallier einwirkte, bedeutender noch dürfte die Einwirkung der Etrus-
ker gewesen sein. Gallische Stämme hatten Norditalien in Besitz,
als Rom anfing seine Macht über ganz Italien auszubreiten. Schon
zur Zeit des Tarquinius Priscus um 600 v. Chr. kämpften gallische
Senonen, Sequaner und Bojer in Italien, bedrängten die Etrusker, und
setzten sich in Oberitalien fest 1). Im Jahre 390 v. Chr. kamen die
Senonen in Streit mit Rom und wurden bei dieser Gelegenheit ihre
überlegenen Eisenschwerter besonders gerühmt. Es ist anzunehmen,
daſs sie durch ihre guten Klingen schon um das Jahr 600 v. Chr. den
Etruskern überlegen waren. Die berühmten Heimstätten uralter Eisen-
industrie wie Comum, Bergamum, Brixia, Mediolanum waren damals
gallische Städte.
Was nun die metallurgischen Kenntnisse der Gallier anlangt, so
zeigt sich zunächst eine Konformität mit den Bewohnern der übrigen
Mittelmeerländer, speziell Italiens und Hispaniens. Die Bronze, das Lieb-
lingsmetall der Phönizier, Griechen und Etrusker, spielte relativ eine
groſse Rolle. Bronzefunde sind zahlreich in Frankreich. Der Charakter
derselben ist wesentlich ein etruskischer. Sie sind zum groſsen Teil
durch Handel in das Land gekommen. Die Eisenindustrie Galliens ist
aber uralt. Dies erkennen die französischen Archäologen jetzt selbst
an, während sie früher, ähnlich den skandinavischen Gelehrten, die
Hypothese eines reinen Bronzezeitalters eifrig verfochten. Auch für
Frankreich ist hierfür kein nachweisbarer Grund vorhanden, wie dies jetzt
von den französischen Altertumsforschern auch rückhaltslos zugegeben
wird. Es läſst sich nachweisen, daſs die Eisenindustrie in Gallien
schon in frühester Zeit sehr bedeutend war. Zunächst war Massilia
schon im hohen Altertume berühmt wegen seiner Kriegsmaschinen, zu
denen Eisen in ausgedehnter Weise verwendet wurde. Wir haben
bereits zuvor 2) mitgeteilt, daſs die Massilioten, in deren Gebiet Eisen-
erze spärlich vorkamen, in Spanien Eisengruben besaſsen und Kolo-
nieen deshalb angelegt hatten. Die Eisentechnik der alten Gallier ist,
wie dies ja bei allen europäischen Staaten der Fall ist, noch nicht ge-
nügend aufgeklärt. Immerhin ist auf diesem Gebiete mehr geschehen,
als in manchen Nachbarländern und das verdanken wir ganz besonders
dem Kaiser Napoleon III. Dieser hochbegabte Mann hatte ein hervor-
ragendes Verständnis für technische Dinge, wie er dies in seiner Ge-
schichte des Artilleriewesens dokumentiert hat. Später, als er sich
mit der Lebensbeschreibung Cäsars beschäftigte, gab er die Anregung
1) Livius V, cap. 34.
2) S. 651.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/677>, abgerufen am 22.11.2024.
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