War das einschneidige Hauschwert wohl die nationale Form der Hiebwaffe der Germanen, so fand doch das doppelschneidige, gestählte Langschwert, die Spatha, schon in sehr früher Zeit Eingang in Deutschland. Wohl klingt es noch im Beowulflied wie ein Ton der Befriedigung, dass des Schwertes Schneide dem kühnen Recken in dem verzweifelten Kampfe nichts nützte und dass er mit der vater- ländischen plumpen Hiebwaffe den Drachen erlegen musste. Der Dich- ter erklärt dies dadurch, dass des Helden Hand zu mächtig war für jedes Schwert, wie kunstvoll es auch gearbeitet war.
"Die Hand war zu stark, die jedes Kampfschwert, wie es kund ist männiglich, Im Streiche übernahm, wenn er zum Streit auch trug Eine wunderharte Waffe, ihm ward nicht wohler drum!"
Aber dies Lob des alten plumpen Hauschwertes lautet doch nur wie eine Erinnerung an eine langverschwundene Zeit. Viel herz licher weiss der Dichter des Beowulf den "Nägilin" zu preisen. Die Poesie des Schwertes, wo blüht sie schöner als in unserm deutschen Mittelalter? Wohl wissen die Indier Wunderbares von der Schärfe und Wirkung ihrer Schwerter zu erzählen 1), wohl rühmen die Araber die Schwerter 2) ihrer Helden und belegen sie mit ruhmvollen Namen. Wo aber erscheint das Schwert in solchem Glanz der Poesie, wo tritt es so als eine Persönlichkeit in die Handlung ein als in unseren Helden- sagen? Das Schwert ist das vererbte Kleinod des Helden, es verbindet ihn durch dessen Abstammung mit den überirdischen Wesen. Das Schwert ist der treue Freund des Helden. Die Wunder seiner Thaten wirkt nicht sein ruhmvoller Arm allein, sondern ebensoviel sein ruhmvolles Schwert. Schon in der alten Göttersage erscheint es so. Sigmunds Schwert, das Regin schuf, hatte den bezeichnenden Namen "Gram". Mit ihm schlug Sigurd Regins Amboss entzwei 3).
Welche Wunder Wielands herrliche Waffe "Mimung" wirkte, haben wir bereits vernommen 4).
Welch ein dichterischer Zauber umgiebt Beowulfs "Nägilin", Siegfrieds "Balmung" und Rolands "Durnhardt". Alle diese Waffen sind Stahlschwerter von vorzüglichster Güte.
Haben die Deutschen diese herrlichen Waffen selbst verfertigt? Geht die Herstellung dieser vorzüglichen Stahlschwerter bei den Deutschen in so ferne Zeit zurück, wie es die Sage vermuten lässt? Hierauf müssen wir mit Nein antworten. Wohl war das gewaltige
1) S. 227.
2) S. 197.
3) Edda, Sigurd harkvidha II.
4) S. 694.
Die Germanen.
War das einschneidige Hauschwert wohl die nationale Form der Hiebwaffe der Germanen, so fand doch das doppelschneidige, gestählte Langschwert, die Spatha, schon in sehr früher Zeit Eingang in Deutschland. Wohl klingt es noch im Beowulflied wie ein Ton der Befriedigung, daſs des Schwertes Schneide dem kühnen Recken in dem verzweifelten Kampfe nichts nützte und daſs er mit der vater- ländischen plumpen Hiebwaffe den Drachen erlegen muſste. Der Dich- ter erklärt dies dadurch, daſs des Helden Hand zu mächtig war für jedes Schwert, wie kunstvoll es auch gearbeitet war.
„Die Hand war zu stark, die jedes Kampfschwert, wie es kund ist männiglich, Im Streiche übernahm, wenn er zum Streit auch trug Eine wunderharte Waffe, ihm ward nicht wohler drum!“
Aber dies Lob des alten plumpen Hauschwertes lautet doch nur wie eine Erinnerung an eine langverschwundene Zeit. Viel herz licher weiſs der Dichter des Beowulf den „Nägilin“ zu preisen. Die Poesie des Schwertes, wo blüht sie schöner als in unserm deutschen Mittelalter? Wohl wissen die Indier Wunderbares von der Schärfe und Wirkung ihrer Schwerter zu erzählen 1), wohl rühmen die Araber die Schwerter 2) ihrer Helden und belegen sie mit ruhmvollen Namen. Wo aber erscheint das Schwert in solchem Glanz der Poesie, wo tritt es so als eine Persönlichkeit in die Handlung ein als in unseren Helden- sagen? Das Schwert ist das vererbte Kleinod des Helden, es verbindet ihn durch dessen Abstammung mit den überirdischen Wesen. Das Schwert ist der treue Freund des Helden. Die Wunder seiner Thaten wirkt nicht sein ruhmvoller Arm allein, sondern ebensoviel sein ruhmvolles Schwert. Schon in der alten Göttersage erscheint es so. Sigmunds Schwert, das Regin schuf, hatte den bezeichnenden Namen „Gram“. Mit ihm schlug Sigurd Regins Amboſs entzwei 3).
Welche Wunder Wielands herrliche Waffe „Mimung“ wirkte, haben wir bereits vernommen 4).
Welch ein dichterischer Zauber umgiebt Beowulfs „Nägilin“, Siegfrieds „Balmung“ und Rolands „Durnhardt“. Alle diese Waffen sind Stahlschwerter von vorzüglichster Güte.
Haben die Deutschen diese herrlichen Waffen selbst verfertigt? Geht die Herstellung dieser vorzüglichen Stahlschwerter bei den Deutschen in so ferne Zeit zurück, wie es die Sage vermuten läſst? Hierauf müssen wir mit Nein antworten. Wohl war das gewaltige
1) S. 227.
2) S. 197.
3) Edda, Sigurd harkvidha II.
4) S. 694.
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Die Germanen.
War das einschneidige Hauschwert wohl die nationale Form
der Hiebwaffe der Germanen, so fand doch das doppelschneidige,
gestählte Langschwert, die Spatha, schon in sehr früher Zeit Eingang
in Deutschland. Wohl klingt es noch im Beowulflied wie ein Ton der
Befriedigung, daſs des Schwertes Schneide dem kühnen Recken in
dem verzweifelten Kampfe nichts nützte und daſs er mit der vater-
ländischen plumpen Hiebwaffe den Drachen erlegen muſste. Der Dich-
ter erklärt dies dadurch, daſs des Helden Hand zu mächtig war für
jedes Schwert, wie kunstvoll es auch gearbeitet war.
„Die Hand war zu stark, die jedes Kampfschwert, wie es
kund ist männiglich,
Im Streiche übernahm, wenn er zum Streit auch trug
Eine wunderharte Waffe, ihm ward nicht wohler drum!“
Aber dies Lob des alten plumpen Hauschwertes lautet doch nur
wie eine Erinnerung an eine langverschwundene Zeit. Viel herz
licher weiſs der Dichter des Beowulf den „Nägilin“ zu preisen. Die
Poesie des Schwertes, wo blüht sie schöner als in unserm deutschen
Mittelalter? Wohl wissen die Indier Wunderbares von der Schärfe und
Wirkung ihrer Schwerter zu erzählen 1), wohl rühmen die Araber die
Schwerter 2) ihrer Helden und belegen sie mit ruhmvollen Namen. Wo
aber erscheint das Schwert in solchem Glanz der Poesie, wo tritt es
so als eine Persönlichkeit in die Handlung ein als in unseren Helden-
sagen? Das Schwert ist das vererbte Kleinod des Helden, es verbindet
ihn durch dessen Abstammung mit den überirdischen Wesen. Das
Schwert ist der treue Freund des Helden. Die Wunder seiner Thaten
wirkt nicht sein ruhmvoller Arm allein, sondern ebensoviel sein
ruhmvolles Schwert. Schon in der alten Göttersage erscheint es so.
Sigmunds Schwert, das Regin schuf, hatte den bezeichnenden Namen
„Gram“. Mit ihm schlug Sigurd Regins Amboſs entzwei 3).
Welche Wunder Wielands herrliche Waffe „Mimung“ wirkte, haben
wir bereits vernommen 4).
Welch ein dichterischer Zauber umgiebt Beowulfs „Nägilin“,
Siegfrieds „Balmung“ und Rolands „Durnhardt“. Alle diese Waffen
sind Stahlschwerter von vorzüglichster Güte.
Haben die Deutschen diese herrlichen Waffen selbst verfertigt?
Geht die Herstellung dieser vorzüglichen Stahlschwerter bei den
Deutschen in so ferne Zeit zurück, wie es die Sage vermuten läſst?
Hierauf müssen wir mit Nein antworten. Wohl war das gewaltige
1) S. 227.
2) S. 197.
3) Edda, Sigurd harkvidha II.
4) S. 694.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/736>, abgerufen am 22.11.2024.
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