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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Soziale Stellung der Arbeiter.
richteten. In Schneeberg war es die Mutter Gottes, St. Wolfgang und
Andreas, in Annaberg die heilige Anna, in Mansfeld St. Georg, in
Salzburg St. Rupert, in Leoben St. Barbara, die überhaupt als die
Heilige des Berg- und Hüttenwesens gilt. In Siegen hatten die
Hüttenleute und Schmiede einen besonderen Altar des "hiligen Kruzes".
Auch galt dort St. Nicolaus als ein Schützer des Bergbaues ebenso wie
in Goldberg, Freiberg und in anderen böhmischen Städten.

Schon in frühester Zeit arbeiteten Bergleute im Geding, welches
sich in solcher Art entwickelte, dass sie nicht selten an dem Unter-
nehmegewinne Teil nahmen. Diese Arbeit nannte man opus locatum.
Dies waren die "Eigenlöhner". Sie bildeten bereits hie und da wirk-
liche Produktivgenossenschaften.

Tritt die Selbständigkeit der Bergarbeiter dem Territorialherrn
gegenüber oft scharf hervor, so sehen wir aber auf der anderen Seite
einen opferwilligen Gemeinsinn, wie ihn kein Stand in solchem Masse
aufweist. Der edele Sozialismus, der ja stets für die arbeitende Be-
völkerung das ideale Ziel der Wünsche sein wird, zeigt sich deutlich
in den alten Bergbrüderschaften. Die Bruderlade, eine gemein-
schaftliche Kasse für Krankheits- und Unglücksfälle, ist eine sehr alte
Einrichtung der Bergleute. Dazu wurde von jeglichem am Samstag
der "Büchsenpfennig" gespendet. Aus diesen Spenden entstand ein
Kapital, was nicht bloss für die Krankheit, sondern auch bereits für
die Invalidität sorgen konnte. So ist die "Knappschaft", trotzdem
sie gegenwärtig in ihrer Verwaltung einen etwas allzu büreaukratischen
Charakter angenommen hat, noch heute das Vorbild aller der Be-
strebungen, die eine Sicherstellung der Arbeiter für den Fall von Not,
Krankheit, Verunglückung und Arbeitsunfähigkeit bezwecken.

Die alte trierische Bergordnung (aus dem 15. Jahrhundert) geht
so weit, dass sie dafür Sorge trägt, dass "armen Bergleuten entweder
zur Bekräftigung eines Häusleins oder sonsten gewissen Stückes etwas
um jährliche Verzinsung vorgesetzt werde". Dagegen bestimmt die-
selbe Ordnung, dass keinem Bergarbeiter mehr als 15 Thaler als Dar-
lehen von der Brüderschaft gegeben werden soll.

Die "Knappschaft" war aber etwas viel Höheres, viel Umfassen-
deres als eine Verbindung zur Unterstützung in der Not, wofür sie
heutzutage angesehen wird, sie umfasste alle Ehrenrechte des Standes
und dazu gehörte ganz besonders das Waffenrecht und die Verpflich-
tungen, welche dieses Ehrenrecht auferlegten.

Der Bergmann war wirklich im Sinne des Mittelalters ein
"Knappe" durchaus nicht bloss dem Namen nach. Er war seinem

Soziale Stellung der Arbeiter.
richteten. In Schneeberg war es die Mutter Gottes, St. Wolfgang und
Andreas, in Annaberg die heilige Anna, in Mansfeld St. Georg, in
Salzburg St. Rupert, in Leoben St. Barbara, die überhaupt als die
Heilige des Berg- und Hüttenwesens gilt. In Siegen hatten die
Hüttenleute und Schmiede einen besonderen Altar des „hiligen Kruzes“.
Auch galt dort St. Nicolaus als ein Schützer des Bergbaues ebenso wie
in Goldberg, Freiberg und in anderen böhmischen Städten.

Schon in frühester Zeit arbeiteten Bergleute im Geding, welches
sich in solcher Art entwickelte, daſs sie nicht selten an dem Unter-
nehmegewinne Teil nahmen. Diese Arbeit nannte man opus locatum.
Dies waren die „Eigenlöhner“. Sie bildeten bereits hie und da wirk-
liche Produktivgenossenschaften.

Tritt die Selbständigkeit der Bergarbeiter dem Territorialherrn
gegenüber oft scharf hervor, so sehen wir aber auf der anderen Seite
einen opferwilligen Gemeinsinn, wie ihn kein Stand in solchem Maſse
aufweist. Der edele Sozialismus, der ja stets für die arbeitende Be-
völkerung das ideale Ziel der Wünsche sein wird, zeigt sich deutlich
in den alten Bergbrüderschaften. Die Bruderlade, eine gemein-
schaftliche Kasse für Krankheits- und Unglücksfälle, ist eine sehr alte
Einrichtung der Bergleute. Dazu wurde von jeglichem am Samstag
der „Büchsenpfennig“ gespendet. Aus diesen Spenden entstand ein
Kapital, was nicht bloſs für die Krankheit, sondern auch bereits für
die Invalidität sorgen konnte. So ist die „Knappschaft“, trotzdem
sie gegenwärtig in ihrer Verwaltung einen etwas allzu büreaukratischen
Charakter angenommen hat, noch heute das Vorbild aller der Be-
strebungen, die eine Sicherstellung der Arbeiter für den Fall von Not,
Krankheit, Verunglückung und Arbeitsunfähigkeit bezwecken.

Die alte trierische Bergordnung (aus dem 15. Jahrhundert) geht
so weit, daſs sie dafür Sorge trägt, daſs „armen Bergleuten entweder
zur Bekräftigung eines Häusleins oder sonsten gewissen Stückes etwas
um jährliche Verzinsung vorgesetzt werde“. Dagegen bestimmt die-
selbe Ordnung, daſs keinem Bergarbeiter mehr als 15 Thaler als Dar-
lehen von der Brüderschaft gegeben werden soll.

Die „Knappschaft“ war aber etwas viel Höheres, viel Umfassen-
deres als eine Verbindung zur Unterstützung in der Not, wofür sie
heutzutage angesehen wird, sie umfaſste alle Ehrenrechte des Standes
und dazu gehörte ganz besonders das Waffenrecht und die Verpflich-
tungen, welche dieses Ehrenrecht auferlegten.

Der Bergmann war wirklich im Sinne des Mittelalters ein
„Knappe“ durchaus nicht bloſs dem Namen nach. Er war seinem

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[775/0797] Soziale Stellung der Arbeiter. richteten. In Schneeberg war es die Mutter Gottes, St. Wolfgang und Andreas, in Annaberg die heilige Anna, in Mansfeld St. Georg, in Salzburg St. Rupert, in Leoben St. Barbara, die überhaupt als die Heilige des Berg- und Hüttenwesens gilt. In Siegen hatten die Hüttenleute und Schmiede einen besonderen Altar des „hiligen Kruzes“. Auch galt dort St. Nicolaus als ein Schützer des Bergbaues ebenso wie in Goldberg, Freiberg und in anderen böhmischen Städten. Schon in frühester Zeit arbeiteten Bergleute im Geding, welches sich in solcher Art entwickelte, daſs sie nicht selten an dem Unter- nehmegewinne Teil nahmen. Diese Arbeit nannte man opus locatum. Dies waren die „Eigenlöhner“. Sie bildeten bereits hie und da wirk- liche Produktivgenossenschaften. Tritt die Selbständigkeit der Bergarbeiter dem Territorialherrn gegenüber oft scharf hervor, so sehen wir aber auf der anderen Seite einen opferwilligen Gemeinsinn, wie ihn kein Stand in solchem Maſse aufweist. Der edele Sozialismus, der ja stets für die arbeitende Be- völkerung das ideale Ziel der Wünsche sein wird, zeigt sich deutlich in den alten Bergbrüderschaften. Die Bruderlade, eine gemein- schaftliche Kasse für Krankheits- und Unglücksfälle, ist eine sehr alte Einrichtung der Bergleute. Dazu wurde von jeglichem am Samstag der „Büchsenpfennig“ gespendet. Aus diesen Spenden entstand ein Kapital, was nicht bloſs für die Krankheit, sondern auch bereits für die Invalidität sorgen konnte. So ist die „Knappschaft“, trotzdem sie gegenwärtig in ihrer Verwaltung einen etwas allzu büreaukratischen Charakter angenommen hat, noch heute das Vorbild aller der Be- strebungen, die eine Sicherstellung der Arbeiter für den Fall von Not, Krankheit, Verunglückung und Arbeitsunfähigkeit bezwecken. Die alte trierische Bergordnung (aus dem 15. Jahrhundert) geht so weit, daſs sie dafür Sorge trägt, daſs „armen Bergleuten entweder zur Bekräftigung eines Häusleins oder sonsten gewissen Stückes etwas um jährliche Verzinsung vorgesetzt werde“. Dagegen bestimmt die- selbe Ordnung, daſs keinem Bergarbeiter mehr als 15 Thaler als Dar- lehen von der Brüderschaft gegeben werden soll. Die „Knappschaft“ war aber etwas viel Höheres, viel Umfassen- deres als eine Verbindung zur Unterstützung in der Not, wofür sie heutzutage angesehen wird, sie umfaſste alle Ehrenrechte des Standes und dazu gehörte ganz besonders das Waffenrecht und die Verpflich- tungen, welche dieses Ehrenrecht auferlegten. Der Bergmann war wirklich im Sinne des Mittelalters ein „Knappe“ durchaus nicht bloſs dem Namen nach. Er war seinem

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 775. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/797>, abgerufen am 22.11.2024.