deshalb war der Eisen- und Stahlhandel der Hansa von der grössten Wichtigkeit. Das Warenlager der Hansa in London, die Guildhalla Teutonicorum, nannten die Engländer den "Stahlhof" (steel-yard), jedenfalls weil der Stahl der Haupthandelsartikel der Deutschen war, wenn auch Lambecius vermutet, dass die Bezeichnung Stahlhof eigent- lich eine Korruption von Stapelhof sei. "In der That", sagt Anderson in seiner History of commerce, "scheint auch die Ableitung des Lambe- cius wahrscheinlicher als jede andere zu sein, da der Stahl, dazu auch das Eisen gehört, nur eine von den vielen Waren war, die hierher geführt wurden, obgleich sie gewiss die Vornehmste war 1)."
Dieser Stahlhof war bereits 1266 unter Eduard II. erbaut worden.
Dass die Engländer eher Mangel als Überfluss an Eisen litten, geht aus einer Verordnung vom Jahre 1354 hervor, darin verboten wird, "dass kein Eisen, so in England verarbeitet oder eingeführt worden, aus dem Reiche ausgeführt werden solle bei Strafe des Verlustes des doppelten Wertes der Ausfuhr".
Dies ist die älteste englische Gesetzesbestimmung, die des Eisen- handels gedenkt.
Erst im 15. Jahrhundert hob sich zum Teil durch die Fürsorge der Fürsten, welche die Einfuhr fremder Arbeiter begünstigte, die Eisenindustrie Englands. So erliess z. B. Heinrich VI. einen Freibrief zur Einführung von Bergleuten aus Böhmen, Ungarn, Österreich und Meissen. Es waren deutsche Arbeiter, welche die englische Industrie in Aufschwung brachten. Dafür erliess bereits König Richard III. im Jahre 1483 auf eine Petition der inländischen Gewerbtreibenden hin ein Verbot, welches die Einfuhr vieler fertigen Waren, darunter auch vieler Eisenwaren untersagte. Unter den betreffenden Petenten werden Nadler und Drahtzieher aufgeführt; unter den Waren: Nadeln, Messer, Hirschfänger, Scheren, Feuerböcke, Ofengabeln, Nägel, Schlösser, Thürangeln, Sporen, Harnische, Steigbügel, verzinnte Nägel, Blech, Eisendraht, eiserne Leuchter und Roste.
Im Jahre 1597 wurde die Hansa, die so viel zur Gründung des englischen Handels und der englischen Industrie beigetragen hatte, aus dem Lande vertrieben und der Stahlhof zerstört.
Deutschland mit Flandern und der Lombardei hat während des ganzen Mittelalters den Stahlhandel beherrscht.
Der meiste Stahl wurde im Mittelalter direkt aus Erzen, die dazu besonders geeignet waren, dargestellt, wie dies sowohl bei dem
1) Gallois, der Hansabund S. 121, will den Namen von dem Tuchstempel her- leiten, der aus Stahl gewesen sei.
Stahlfabrikation im Mittelalter.
deshalb war der Eisen- und Stahlhandel der Hansa von der gröſsten Wichtigkeit. Das Warenlager der Hansa in London, die Guildhalla Teutonicorum, nannten die Engländer den „Stahlhof“ (steel-yard), jedenfalls weil der Stahl der Haupthandelsartikel der Deutschen war, wenn auch Lambecius vermutet, daſs die Bezeichnung Stahlhof eigent- lich eine Korruption von Stapelhof sei. „In der That“, sagt Anderson in seiner History of commerce, „scheint auch die Ableitung des Lambe- cius wahrscheinlicher als jede andere zu sein, da der Stahl, dazu auch das Eisen gehört, nur eine von den vielen Waren war, die hierher geführt wurden, obgleich sie gewiſs die Vornehmste war 1).“
Dieser Stahlhof war bereits 1266 unter Eduard II. erbaut worden.
Daſs die Engländer eher Mangel als Überfluſs an Eisen litten, geht aus einer Verordnung vom Jahre 1354 hervor, darin verboten wird, „daſs kein Eisen, so in England verarbeitet oder eingeführt worden, aus dem Reiche ausgeführt werden solle bei Strafe des Verlustes des doppelten Wertes der Ausfuhr“.
Dies ist die älteste englische Gesetzesbestimmung, die des Eisen- handels gedenkt.
Erst im 15. Jahrhundert hob sich zum Teil durch die Fürsorge der Fürsten, welche die Einfuhr fremder Arbeiter begünstigte, die Eisenindustrie Englands. So erlieſs z. B. Heinrich VI. einen Freibrief zur Einführung von Bergleuten aus Böhmen, Ungarn, Österreich und Meiſsen. Es waren deutsche Arbeiter, welche die englische Industrie in Aufschwung brachten. Dafür erlieſs bereits König Richard III. im Jahre 1483 auf eine Petition der inländischen Gewerbtreibenden hin ein Verbot, welches die Einfuhr vieler fertigen Waren, darunter auch vieler Eisenwaren untersagte. Unter den betreffenden Petenten werden Nadler und Drahtzieher aufgeführt; unter den Waren: Nadeln, Messer, Hirschfänger, Scheren, Feuerböcke, Ofengabeln, Nägel, Schlösser, Thürangeln, Sporen, Harnische, Steigbügel, verzinnte Nägel, Blech, Eisendraht, eiserne Leuchter und Roste.
Im Jahre 1597 wurde die Hansa, die so viel zur Gründung des englischen Handels und der englischen Industrie beigetragen hatte, aus dem Lande vertrieben und der Stahlhof zerstört.
Deutschland mit Flandern und der Lombardei hat während des ganzen Mittelalters den Stahlhandel beherrscht.
Der meiste Stahl wurde im Mittelalter direkt aus Erzen, die dazu besonders geeignet waren, dargestellt, wie dies sowohl bei dem
1) Gallois, der Hansabund S. 121, will den Namen von dem Tuchstempel her- leiten, der aus Stahl gewesen sei.
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Wichtigkeit. Das Warenlager der Hansa in London, die Guildhalla
Teutonicorum, nannten die Engländer den „Stahlhof“ (steel-yard),
jedenfalls weil der Stahl der Haupthandelsartikel der Deutschen war,
wenn auch Lambecius vermutet, daſs die Bezeichnung Stahlhof eigent-
lich eine Korruption von Stapelhof sei. „In der That“, sagt Anderson
in seiner History of commerce, „scheint auch die Ableitung des Lambe-
cius wahrscheinlicher als jede andere zu sein, da der Stahl, dazu
auch das Eisen gehört, nur eine von den vielen Waren war, die hierher
geführt wurden, obgleich sie gewiſs die Vornehmste war 1).“
Dieser Stahlhof war bereits 1266 unter Eduard II. erbaut worden.
Daſs die Engländer eher Mangel als Überfluſs an Eisen litten,
geht aus einer Verordnung vom Jahre 1354 hervor, darin verboten
wird, „daſs kein Eisen, so in England verarbeitet oder eingeführt worden,
aus dem Reiche ausgeführt werden solle bei Strafe des Verlustes des
doppelten Wertes der Ausfuhr“.
Dies ist die älteste englische Gesetzesbestimmung, die des Eisen-
handels gedenkt.
Erst im 15. Jahrhundert hob sich zum Teil durch die Fürsorge
der Fürsten, welche die Einfuhr fremder Arbeiter begünstigte, die
Eisenindustrie Englands. So erlieſs z. B. Heinrich VI. einen Freibrief
zur Einführung von Bergleuten aus Böhmen, Ungarn, Österreich und
Meiſsen. Es waren deutsche Arbeiter, welche die englische Industrie
in Aufschwung brachten. Dafür erlieſs bereits König Richard III. im
Jahre 1483 auf eine Petition der inländischen Gewerbtreibenden hin ein
Verbot, welches die Einfuhr vieler fertigen Waren, darunter auch
vieler Eisenwaren untersagte. Unter den betreffenden Petenten werden
Nadler und Drahtzieher aufgeführt; unter den Waren: Nadeln, Messer,
Hirschfänger, Scheren, Feuerböcke, Ofengabeln, Nägel, Schlösser,
Thürangeln, Sporen, Harnische, Steigbügel, verzinnte Nägel, Blech,
Eisendraht, eiserne Leuchter und Roste.
Im Jahre 1597 wurde die Hansa, die so viel zur Gründung des
englischen Handels und der englischen Industrie beigetragen hatte, aus
dem Lande vertrieben und der Stahlhof zerstört.
Deutschland mit Flandern und der Lombardei hat während des
ganzen Mittelalters den Stahlhandel beherrscht.
Der meiste Stahl wurde im Mittelalter direkt aus Erzen, die
dazu besonders geeignet waren, dargestellt, wie dies sowohl bei dem
1) Gallois, der Hansabund S. 121, will den Namen von dem Tuchstempel her-
leiten, der aus Stahl gewesen sei.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/854>, abgerufen am 21.11.2024.
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