steirischen, wie bei dem Siegerländer Stahl der Fall war; während bei dem schwedischen Osmundstahl schon ein modifiziertes Verfahren in Anwendung kam 1). Doch scheint es, als ob man auch schon vor Beginn des 16. Jahrhunderts es verstanden hätte, aus dem Roheisen, welches als Nebenprodukt bei dem Stuckofenbetriebe fiel, dem Grag- lach, durch Zusammenschmelzen mit weichem Eisen einen Stahl zu bereiten. Die alte Brescianschmiederei, die gewiss schon im Mittel- alter betrieben wurde, beruht hierauf. Monardus erwähnt ein solches Verfahren, welches sehr alt zu sein scheint. Er sagt: "Bei dem italienischen Stahl (der meist aus Kärnten kam) unterscheidet man verschiedene Sorten, weichen und harten. Sie machen Stahl auf folgende Weise. Von dem weichen Eisen nehmen sie eine geeignete Menge und schmieden sie zu dünnen Platten aus. Darauf zerreiben sie Marmor und Eisenschlacken zu dem zartesten Pulver. Dieses mischen sie sodann mit Holzkohlen, die eigens zu diesem Zwecke in einem Ofen hergestellt worden sind und zünden diese an (ista simul commixta cum prunis ardentibus in fornacem ejus rei causam paratam injiciunt). Oben auf legen sie das harte Eisen, welches sich nicht ver- arbeiten lässt. Durch die Hitze schmilzt alles zusammen und es wird eine Luppe erhalten, aus welcher sie jene dicke Stahlstangen machen, welche bei uns in solcher Menge eingeführt werden."
Eines andern sehr eigentümlichen Verfahrens bedienten sich die Norweger, um das Schmiedeeisen, welches sie durch Reinigung im Herd aus rohem Osmund erhalten hatten, in Stahl überzuführen. Diese Arbeit geschah nach Ole Evenstad in denselben Herden, in denen auch das Eisen gereinigt wurde. Nachdem diese schon den ganzen Tag zu dieser Arbeit gedient haben, so dass sie wohl durch- gewärmt sind, reinigt und repariert man sie wie zuvor, nur dass man sie unter der Form 2 Zoll tiefer macht, so dass der Wind den Stahl, wenn er geschmolzen ist, nicht berührt. Darauf füllt man den Herd bis hoch über den Rand mit Fichtenkohlen. Das Eisen, welches zu einer viereckigen Stange ausgereckt ist, wird auf die brennenden Kohlen gelegt und wenn diese an dem einen Ende gehörig heiss geworden ist, fasst man sie mit der Zange und hält sie dicht über den Wind vor die Form, aber doch so hoch, dass sie der Wind nicht unmittelbar trifft. Es ist eine starke und anhaltende Hitze nötig, deshalb muss das Ge- bläse immer scharf gehen. Dadurch schmilzt das Eisen, tropft nach
1) Ole Evenstad, Gekrönte Preisschrift über die Morasterze in Norwegen etc. p. 68 etc.
Beck, Geschichte des Eisens. 53
Stahlfabrikation im Mittelalter.
steirischen, wie bei dem Siegerländer Stahl der Fall war; während bei dem schwedischen Osmundstahl schon ein modifiziertes Verfahren in Anwendung kam 1). Doch scheint es, als ob man auch schon vor Beginn des 16. Jahrhunderts es verstanden hätte, aus dem Roheisen, welches als Nebenprodukt bei dem Stuckofenbetriebe fiel, dem Grag- lach, durch Zusammenschmelzen mit weichem Eisen einen Stahl zu bereiten. Die alte Brescianschmiederei, die gewiſs schon im Mittel- alter betrieben wurde, beruht hierauf. Monardus erwähnt ein solches Verfahren, welches sehr alt zu sein scheint. Er sagt: „Bei dem italienischen Stahl (der meist aus Kärnten kam) unterscheidet man verschiedene Sorten, weichen und harten. Sie machen Stahl auf folgende Weise. Von dem weichen Eisen nehmen sie eine geeignete Menge und schmieden sie zu dünnen Platten aus. Darauf zerreiben sie Marmor und Eisenschlacken zu dem zartesten Pulver. Dieses mischen sie sodann mit Holzkohlen, die eigens zu diesem Zwecke in einem Ofen hergestellt worden sind und zünden diese an (ista simul commixta cum prunis ardentibus in fornacem ejus rei causam paratam injiciunt). Oben auf legen sie das harte Eisen, welches sich nicht ver- arbeiten läſst. Durch die Hitze schmilzt alles zusammen und es wird eine Luppe erhalten, aus welcher sie jene dicke Stahlstangen machen, welche bei uns in solcher Menge eingeführt werden.“
Eines andern sehr eigentümlichen Verfahrens bedienten sich die Norweger, um das Schmiedeeisen, welches sie durch Reinigung im Herd aus rohem Osmund erhalten hatten, in Stahl überzuführen. Diese Arbeit geschah nach Ole Evenstad in denselben Herden, in denen auch das Eisen gereinigt wurde. Nachdem diese schon den ganzen Tag zu dieser Arbeit gedient haben, so daſs sie wohl durch- gewärmt sind, reinigt und repariert man sie wie zuvor, nur daſs man sie unter der Form 2 Zoll tiefer macht, so daſs der Wind den Stahl, wenn er geschmolzen ist, nicht berührt. Darauf füllt man den Herd bis hoch über den Rand mit Fichtenkohlen. Das Eisen, welches zu einer viereckigen Stange ausgereckt ist, wird auf die brennenden Kohlen gelegt und wenn diese an dem einen Ende gehörig heiſs geworden ist, faſst man sie mit der Zange und hält sie dicht über den Wind vor die Form, aber doch so hoch, daſs sie der Wind nicht unmittelbar trifft. Es ist eine starke und anhaltende Hitze nötig, deshalb muſs das Ge- bläse immer scharf gehen. Dadurch schmilzt das Eisen, tropft nach
1) Ole Evenstad, Gekrönte Preisschrift über die Morasterze in Norwegen etc. p. 68 etc.
Beck, Geschichte des Eisens. 53
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0855"n="833"/><fwplace="top"type="header">Stahlfabrikation im Mittelalter.</fw><lb/>
steirischen, wie bei dem Siegerländer Stahl der Fall war; während<lb/>
bei dem schwedischen Osmundstahl schon ein modifiziertes Verfahren<lb/>
in Anwendung kam <noteplace="foot"n="1)">Ole Evenstad, Gekrönte Preisschrift über die Morasterze in Norwegen etc.<lb/>
p. 68 etc.</note>. Doch scheint es, als ob man auch schon vor<lb/>
Beginn des 16. Jahrhunderts es verstanden hätte, aus dem Roheisen,<lb/>
welches als Nebenprodukt bei dem Stuckofenbetriebe fiel, dem Grag-<lb/>
lach, durch Zusammenschmelzen mit weichem Eisen einen Stahl zu<lb/>
bereiten. Die alte Brescianschmiederei, die gewiſs schon im Mittel-<lb/>
alter betrieben wurde, beruht hierauf. <hirendition="#g">Monardus</hi> erwähnt ein<lb/>
solches Verfahren, welches sehr alt zu sein scheint. Er sagt: „Bei dem<lb/><hirendition="#g">italienischen Stahl</hi> (der meist aus Kärnten kam) unterscheidet<lb/>
man verschiedene Sorten, weichen und harten. Sie machen Stahl auf<lb/>
folgende Weise. Von dem weichen Eisen nehmen sie eine geeignete<lb/>
Menge und schmieden sie zu dünnen Platten aus. Darauf zerreiben<lb/>
sie Marmor und Eisenschlacken zu dem zartesten Pulver. Dieses<lb/>
mischen sie sodann mit Holzkohlen, die eigens zu diesem Zwecke in<lb/>
einem Ofen hergestellt worden sind und zünden diese an (ista simul<lb/>
commixta cum prunis ardentibus in fornacem ejus rei causam paratam<lb/>
injiciunt). Oben auf legen sie das harte Eisen, welches sich nicht ver-<lb/>
arbeiten läſst. Durch die Hitze schmilzt alles zusammen und es wird<lb/>
eine Luppe erhalten, aus welcher sie jene dicke Stahlstangen machen,<lb/>
welche bei uns in solcher Menge eingeführt werden.“</p><lb/><p>Eines andern sehr eigentümlichen Verfahrens bedienten sich die<lb/><hirendition="#g">Norweger</hi>, um das <hirendition="#g">Schmiedeeisen</hi>, welches sie durch Reinigung<lb/>
im Herd aus rohem Osmund erhalten hatten, in <hirendition="#g">Stahl überzuführen</hi>.<lb/>
Diese Arbeit geschah nach Ole Evenstad in denselben Herden, in<lb/>
denen auch das Eisen gereinigt wurde. Nachdem diese schon den<lb/>
ganzen Tag zu dieser Arbeit gedient haben, so daſs sie wohl durch-<lb/>
gewärmt sind, reinigt und repariert man sie wie zuvor, nur daſs man<lb/>
sie unter der Form 2 Zoll tiefer macht, so daſs der Wind den Stahl,<lb/>
wenn er geschmolzen ist, nicht berührt. Darauf füllt man den Herd<lb/>
bis hoch über den Rand mit Fichtenkohlen. Das Eisen, welches zu<lb/>
einer viereckigen Stange ausgereckt ist, wird auf die brennenden Kohlen<lb/>
gelegt und wenn diese an dem einen Ende gehörig heiſs geworden ist,<lb/>
faſst man sie mit der Zange und hält sie dicht über den Wind vor die<lb/>
Form, aber doch so hoch, daſs sie der Wind nicht unmittelbar trifft.<lb/>
Es ist eine starke und anhaltende Hitze nötig, deshalb muſs das Ge-<lb/>
bläse immer scharf gehen. Dadurch schmilzt das Eisen, tropft nach<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Beck</hi>, Geschichte des Eisens. 53</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[833/0855]
Stahlfabrikation im Mittelalter.
steirischen, wie bei dem Siegerländer Stahl der Fall war; während
bei dem schwedischen Osmundstahl schon ein modifiziertes Verfahren
in Anwendung kam 1). Doch scheint es, als ob man auch schon vor
Beginn des 16. Jahrhunderts es verstanden hätte, aus dem Roheisen,
welches als Nebenprodukt bei dem Stuckofenbetriebe fiel, dem Grag-
lach, durch Zusammenschmelzen mit weichem Eisen einen Stahl zu
bereiten. Die alte Brescianschmiederei, die gewiſs schon im Mittel-
alter betrieben wurde, beruht hierauf. Monardus erwähnt ein
solches Verfahren, welches sehr alt zu sein scheint. Er sagt: „Bei dem
italienischen Stahl (der meist aus Kärnten kam) unterscheidet
man verschiedene Sorten, weichen und harten. Sie machen Stahl auf
folgende Weise. Von dem weichen Eisen nehmen sie eine geeignete
Menge und schmieden sie zu dünnen Platten aus. Darauf zerreiben
sie Marmor und Eisenschlacken zu dem zartesten Pulver. Dieses
mischen sie sodann mit Holzkohlen, die eigens zu diesem Zwecke in
einem Ofen hergestellt worden sind und zünden diese an (ista simul
commixta cum prunis ardentibus in fornacem ejus rei causam paratam
injiciunt). Oben auf legen sie das harte Eisen, welches sich nicht ver-
arbeiten läſst. Durch die Hitze schmilzt alles zusammen und es wird
eine Luppe erhalten, aus welcher sie jene dicke Stahlstangen machen,
welche bei uns in solcher Menge eingeführt werden.“
Eines andern sehr eigentümlichen Verfahrens bedienten sich die
Norweger, um das Schmiedeeisen, welches sie durch Reinigung
im Herd aus rohem Osmund erhalten hatten, in Stahl überzuführen.
Diese Arbeit geschah nach Ole Evenstad in denselben Herden, in
denen auch das Eisen gereinigt wurde. Nachdem diese schon den
ganzen Tag zu dieser Arbeit gedient haben, so daſs sie wohl durch-
gewärmt sind, reinigt und repariert man sie wie zuvor, nur daſs man
sie unter der Form 2 Zoll tiefer macht, so daſs der Wind den Stahl,
wenn er geschmolzen ist, nicht berührt. Darauf füllt man den Herd
bis hoch über den Rand mit Fichtenkohlen. Das Eisen, welches zu
einer viereckigen Stange ausgereckt ist, wird auf die brennenden Kohlen
gelegt und wenn diese an dem einen Ende gehörig heiſs geworden ist,
faſst man sie mit der Zange und hält sie dicht über den Wind vor die
Form, aber doch so hoch, daſs sie der Wind nicht unmittelbar trifft.
Es ist eine starke und anhaltende Hitze nötig, deshalb muſs das Ge-
bläse immer scharf gehen. Dadurch schmilzt das Eisen, tropft nach
1) Ole Evenstad, Gekrönte Preisschrift über die Morasterze in Norwegen etc.
p. 68 etc.
Beck, Geschichte des Eisens. 53
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 833. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/855>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.