und nach auf den Boden der Esse und wird zu Stahl. Man wirft dabei fortwährend Sand auf das Feuer, um die Schlacke zu vermehren und sie saurer zu machen, bis sich der Stahl gesetzt hat, so dass man ihn mit einer Zange herausnehmen kann. Dieses muss, wenn er nicht in Stücke gehen soll, sehr vorsichtig geschehen. Sobald er aus dem Feuer ist, muss er wenig und langsam geschmiedet werden, bis er eine platte Gestalt annimmt. Alsdann zerhaut man ihn mit dem Beil in kleine Stücke und schmiedet diese, wo sie undicht sind, aus. Er ist nun zu weiterer Verarbeitung fertig.
Man erhielt aus dem so eingeschmolzenen Schmiedeeisen etwa das halbe Gewicht an Stahl. Bei dieser Arbeit bedienten sich die Bauern oft der stärkeren Bälge der Blaseöfen, statt derjenigen der Schmiede- feuer.
Dieser Prozess ist höchst originell und gewiss auf rein empirischem Wege gefunden worden. Es ist überraschend, dass entkohltes Eisen, über dem Fokus eines Essenfeuers eingeschmolzen, so viel höher kohlt, dass es Stahl giebt. Jedenfalls muss dies in einem durchaus reduzieren- den Feuer geschehen. Wie alt dieses Verfahren ist, bleibt ungewiss.
Auch Agricola hat ein Verfahren der Stahlbereitung mitgeteilt, von welchem sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob es älter ist als die Darstellung des Roheisens im Hochofen oder nicht. Da indes Agricola in seiner Beschreibung nichts davon erwähnt, dass das "harte Eisen", welches bei dem Prozess in Anwendung kam, aus dem Hochofen stamme, was er wohl kaum unterlassen hätte, wenn es der Fall gewesen wäre, so scheint dieses harte Eisen eher "Graglach" von den Blauöfen oder ein stahlartiges, hartes, rohes Eisen gewesen zu sein, wie es bei den meisten alten direkten Methoden zugleich mit dem Schmiedeeisen er- halten wurde. Ich nehme darum keinen Anstand, dieses Verfahren der Stahldarstellung schon an dieser Stelle mitzuteilen.
Agricola berichtet: "Also macht die Kunst mit Hilfe von Feuer und Zuschlägen das Eisen und aus diesem macht sie den Stahl, welchen die Griechen stomoma nennen. Man wählt dazu solches Eisen, welches leicht in Fluss gerät, ausserdem hart ist, dabei aber sich leicht aus- breiten lässt 1). Denn obgleich es aus den Erzen, was ihm mit anderen Metallen gemeinschaftlich ist (-- quae ipsi cum aliis metallis com- munes sunt), dargestellt, so ist es doch entweder weich oder zerbrech- lich (molle est aut fragile).
Ein solches Eisen aber soll zuerst glühend in kleine Stückchen
1) Ferrum, quod ad liquescendum est aptum et praeterea durum, atque quod acile duci potest.
Stahlfabrikation im Mittelalter.
und nach auf den Boden der Esse und wird zu Stahl. Man wirft dabei fortwährend Sand auf das Feuer, um die Schlacke zu vermehren und sie saurer zu machen, bis sich der Stahl gesetzt hat, so daſs man ihn mit einer Zange herausnehmen kann. Dieses muſs, wenn er nicht in Stücke gehen soll, sehr vorsichtig geschehen. Sobald er aus dem Feuer ist, muſs er wenig und langsam geschmiedet werden, bis er eine platte Gestalt annimmt. Alsdann zerhaut man ihn mit dem Beil in kleine Stücke und schmiedet diese, wo sie undicht sind, aus. Er ist nun zu weiterer Verarbeitung fertig.
Man erhielt aus dem so eingeschmolzenen Schmiedeeisen etwa das halbe Gewicht an Stahl. Bei dieser Arbeit bedienten sich die Bauern oft der stärkeren Bälge der Blaseöfen, statt derjenigen der Schmiede- feuer.
Dieser Prozeſs ist höchst originell und gewiſs auf rein empirischem Wege gefunden worden. Es ist überraschend, daſs entkohltes Eisen, über dem Fokus eines Essenfeuers eingeschmolzen, so viel höher kohlt, daſs es Stahl giebt. Jedenfalls muſs dies in einem durchaus reduzieren- den Feuer geschehen. Wie alt dieses Verfahren ist, bleibt ungewiſs.
Auch Agricola hat ein Verfahren der Stahlbereitung mitgeteilt, von welchem sich nicht mit Sicherheit sagen läſst, ob es älter ist als die Darstellung des Roheisens im Hochofen oder nicht. Da indes Agricola in seiner Beschreibung nichts davon erwähnt, daſs das „harte Eisen“, welches bei dem Prozeſs in Anwendung kam, aus dem Hochofen stamme, was er wohl kaum unterlassen hätte, wenn es der Fall gewesen wäre, so scheint dieses harte Eisen eher „Graglach“ von den Blauöfen oder ein stahlartiges, hartes, rohes Eisen gewesen zu sein, wie es bei den meisten alten direkten Methoden zugleich mit dem Schmiedeeisen er- halten wurde. Ich nehme darum keinen Anstand, dieses Verfahren der Stahldarstellung schon an dieser Stelle mitzuteilen.
Agricola berichtet: „Also macht die Kunst mit Hilfe von Feuer und Zuschlägen das Eisen und aus diesem macht sie den Stahl, welchen die Griechen στόμωμα nennen. Man wählt dazu solches Eisen, welches leicht in Fluſs gerät, auſserdem hart ist, dabei aber sich leicht aus- breiten läſst 1). Denn obgleich es aus den Erzen, was ihm mit anderen Metallen gemeinschaftlich ist (— quae ipsi cum aliis metallis com- munes sunt), dargestellt, so ist es doch entweder weich oder zerbrech- lich (molle est aut fragile).
Ein solches Eisen aber soll zuerst glühend in kleine Stückchen
1) Ferrum, quod ad liquescendum est aptum et praeterea durum, atque quod acile duci potest.
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Stahlfabrikation im Mittelalter.
und nach auf den Boden der Esse und wird zu Stahl. Man wirft dabei
fortwährend Sand auf das Feuer, um die Schlacke zu vermehren und
sie saurer zu machen, bis sich der Stahl gesetzt hat, so daſs man ihn
mit einer Zange herausnehmen kann. Dieses muſs, wenn er nicht in
Stücke gehen soll, sehr vorsichtig geschehen. Sobald er aus dem Feuer
ist, muſs er wenig und langsam geschmiedet werden, bis er eine platte
Gestalt annimmt. Alsdann zerhaut man ihn mit dem Beil in kleine
Stücke und schmiedet diese, wo sie undicht sind, aus. Er ist nun zu
weiterer Verarbeitung fertig.
Man erhielt aus dem so eingeschmolzenen Schmiedeeisen etwa das
halbe Gewicht an Stahl. Bei dieser Arbeit bedienten sich die Bauern
oft der stärkeren Bälge der Blaseöfen, statt derjenigen der Schmiede-
feuer.
Dieser Prozeſs ist höchst originell und gewiſs auf rein empirischem
Wege gefunden worden. Es ist überraschend, daſs entkohltes Eisen,
über dem Fokus eines Essenfeuers eingeschmolzen, so viel höher kohlt,
daſs es Stahl giebt. Jedenfalls muſs dies in einem durchaus reduzieren-
den Feuer geschehen. Wie alt dieses Verfahren ist, bleibt ungewiſs.
Auch Agricola hat ein Verfahren der Stahlbereitung mitgeteilt,
von welchem sich nicht mit Sicherheit sagen läſst, ob es älter ist als die
Darstellung des Roheisens im Hochofen oder nicht. Da indes Agricola
in seiner Beschreibung nichts davon erwähnt, daſs das „harte Eisen“,
welches bei dem Prozeſs in Anwendung kam, aus dem Hochofen stamme,
was er wohl kaum unterlassen hätte, wenn es der Fall gewesen wäre,
so scheint dieses harte Eisen eher „Graglach“ von den Blauöfen oder
ein stahlartiges, hartes, rohes Eisen gewesen zu sein, wie es bei den
meisten alten direkten Methoden zugleich mit dem Schmiedeeisen er-
halten wurde. Ich nehme darum keinen Anstand, dieses Verfahren
der Stahldarstellung schon an dieser Stelle mitzuteilen.
Agricola berichtet: „Also macht die Kunst mit Hilfe von Feuer
und Zuschlägen das Eisen und aus diesem macht sie den Stahl, welchen
die Griechen στόμωμα nennen. Man wählt dazu solches Eisen, welches
leicht in Fluſs gerät, auſserdem hart ist, dabei aber sich leicht aus-
breiten läſst 1). Denn obgleich es aus den Erzen, was ihm mit anderen
Metallen gemeinschaftlich ist (— quae ipsi cum aliis metallis com-
munes sunt), dargestellt, so ist es doch entweder weich oder zerbrech-
lich (molle est aut fragile).
Ein solches Eisen aber soll zuerst glühend in kleine Stückchen
1) Ferrum, quod ad liquescendum est aptum et praeterea durum, atque quod
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 834. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/856>, abgerufen am 24.11.2024.
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