Auch hier ist alles noch glatt geschmiedet, die Rippen des Blattwerkes sind einzig durch vertiefte Striche angedeutet.
In demselben Jahrhundert erstrebte man indes schon eine reichere Profilierung durch Aufschweissen von Verstärkungsrippen und Aufsetzen
[Abbildung]
Fig. 259.
verzierter Knöpfe statt der alten, viereckigen oder runden Nagel- köpfe. Ein Beispiel dieser Art aus dem 12. Jahrhundert zeigt der Thürbeschlag der alten Kirche zu Schlettstadt im Elsass (Fig. 260).
Die grösste Mannigfaltigkeit der Zeichnung wurde aber im 13. Jahr- hundert von den Schmieden dadurch erreicht, dass man einen ganzen Bündel Stäbe gewissermassen wie die Stiele einer Pflanze oder die Äste eines Baumes verband, sich entwickeln liess, wieder verband und zwar nicht durch Nieten und Stiften, sondern durch vollkommene Schweissung.
[Abbildung]
Fig. 260.
Das berühmteste Beispiel dieser Art von Thorbeschlägen zeigen die beiden Seiten- thüren der Westfas- sade der Notre-Dame- kirche in Paris aus dem 13. Jahrhundert. Über diese merkwürdigen Beschläge hat sich ein vollständiger Sagen- kreis gebildet. Die Arbeit daran erschien so ausserordentlich, dass schon in sehr früher Zeit die Sage ging, es sei ein Werk des Teufels. Aber auch viele Kunstkritiker haben diese schönen Beschläge vollständig falsch beurteilt, indem man sie im vorigen und noch in diesem Jahrhundert für Kunstguss erklären wollte. So sehr war bereits die hohe Schmiedekunst des Mittelalters mit dem
Schmiedekunst im Mittelalter.
Auch hier ist alles noch glatt geschmiedet, die Rippen des Blattwerkes sind einzig durch vertiefte Striche angedeutet.
In demselben Jahrhundert erstrebte man indes schon eine reichere Profilierung durch Aufschweiſsen von Verstärkungsrippen und Aufsetzen
[Abbildung]
Fig. 259.
verzierter Knöpfe statt der alten, viereckigen oder runden Nagel- köpfe. Ein Beispiel dieser Art aus dem 12. Jahrhundert zeigt der Thürbeschlag der alten Kirche zu Schlettstadt im Elsaſs (Fig. 260).
Die gröſste Mannigfaltigkeit der Zeichnung wurde aber im 13. Jahr- hundert von den Schmieden dadurch erreicht, daſs man einen ganzen Bündel Stäbe gewissermaſsen wie die Stiele einer Pflanze oder die Äste eines Baumes verband, sich entwickeln lieſs, wieder verband und zwar nicht durch Nieten und Stiften, sondern durch vollkommene Schweiſsung.
[Abbildung]
Fig. 260.
Das berühmteste Beispiel dieser Art von Thorbeschlägen zeigen die beiden Seiten- thüren der Westfas- sade der Notre-Dame- kirche in Paris aus dem 13. Jahrhundert. Über diese merkwürdigen Beschläge hat sich ein vollständiger Sagen- kreis gebildet. Die Arbeit daran erschien so auſserordentlich, daſs schon in sehr früher Zeit die Sage ging, es sei ein Werk des Teufels. Aber auch viele Kunstkritiker haben diese schönen Beschläge vollständig falsch beurteilt, indem man sie im vorigen und noch in diesem Jahrhundert für Kunstguſs erklären wollte. So sehr war bereits die hohe Schmiedekunst des Mittelalters mit dem
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[840/0862]
Schmiedekunst im Mittelalter.
Auch hier ist alles noch glatt geschmiedet, die Rippen des Blattwerkes
sind einzig durch vertiefte Striche angedeutet.
In demselben Jahrhundert erstrebte man indes schon eine reichere
Profilierung durch Aufschweiſsen von Verstärkungsrippen und Aufsetzen
[Abbildung Fig. 259.]
verzierter Knöpfe statt
der alten, viereckigen
oder runden Nagel-
köpfe. Ein Beispiel
dieser Art aus dem
12. Jahrhundert zeigt
der Thürbeschlag der
alten Kirche zu
Schlettstadt im Elsaſs
(Fig. 260).
Die gröſste Mannigfaltigkeit der Zeichnung wurde aber im 13. Jahr-
hundert von den Schmieden dadurch erreicht, daſs man einen ganzen
Bündel Stäbe gewissermaſsen wie die Stiele einer Pflanze oder die Äste
eines Baumes verband, sich entwickeln lieſs, wieder verband und zwar
nicht durch Nieten und Stiften, sondern durch vollkommene Schweiſsung.
[Abbildung Fig. 260.]
Das berühmteste
Beispiel dieser Art von
Thorbeschlägen zeigen
die beiden Seiten-
thüren der Westfas-
sade der Notre-Dame-
kirche in Paris aus dem
13. Jahrhundert. Über
diese merkwürdigen
Beschläge hat sich ein
vollständiger Sagen-
kreis gebildet. Die
Arbeit daran erschien
so auſserordentlich,
daſs schon in sehr
früher Zeit die Sage
ging, es sei ein Werk
des Teufels. Aber auch viele Kunstkritiker haben diese schönen
Beschläge vollständig falsch beurteilt, indem man sie im vorigen
und noch in diesem Jahrhundert für Kunstguſs erklären wollte. So
sehr war bereits die hohe Schmiedekunst des Mittelalters mit dem
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 840. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/862>, abgerufen am 15.05.2024.
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