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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Schwertschmiede.
und noch lange nach dem Mittelalter blieb der Glaube herrschend,
dass die Schmiede hexen könnten und sich auf geheime Künste ver-
stünden.

Über die Art der Fabrikation der Klingen im Mittelalter wissen
wir nicht viel. Da sich aber die Klingenfabrikation in Solingen seit
dem Mittelalter ununterbrochen erhalten hat, so wird eine kurze Be-
trachtung der dortigen Verhältnisse das richtigste Bild geben.

Die Solinger Klingen sind seit dem 14. Jahrhundert berühmt. Die
gewerbsmässige Darstellung von Schwertklingen entwickelt sich in einer
Gegend, wo schon Jahrhunderte vorher Eisenschmiede ansässig waren,
namentlich Sensenschmiede. Die Kronenberger weissen Sensen und
Futterklingen bildeten bereits 1240 einen berühmten Exportartikel
der Hansa.

Die Entstehung der Klingenschmiederei in Solingen1) ver-
liert sich in das Dunkel der Sage. Nach einigen soll Adolph IV.
vom Berge Waffenschmiede von Damaskus aus dem Kreuzzuge unter
Friedrich Barbarossa mitgebracht haben. Nach anderen sollen die
Leute des Grafen Adolph VII. (1256 bis 1296), als sie mit König
Eduard III. von England gegen Philipp von Frankreich kämpften,
diese Kunst der Stahlbearbeitung von den Engländern gelernt
haben. Dies kann sich aber kaum auf die Kunst des Klingenschmie-
dens beziehen, in der die Deutschen den Engländern überlegen
waren und in dieser Periode ja nach England Waffen ausführten.
Eher dürfte an die Kunst des Schleifens, namentlich von Werk-
zeugen, gedacht werden, in welcher allerdings die Sheffielder einen
alten Ruf hatten.

Eine dritte Überlieferung, die am meisten innere Wahrscheinlich-
keit hat, meldet, dass während der italienischen Kriege 1153 bis 1174
unter Friedrich Barbarossa Waffenschmiede aus Armata (Brescia), Ber-
gamo und Steiermark eingewandert seien und die Schwertfabrik ge-
gründet hätten; 1290 sei dann dieselbe durch eine zweite Einwanderung
aus Steiermark vergrössert worden. Mehrere Jahrhunderte später, als
Solingen durch die Spanier von den Niederlanden aus überfallen
wurde, sollen dann auch noch spanische Waffenschmiede aus Toledo
und Saragossa zurückgeblieben sein. Urkundlich steht nur fest, dass
bereits im 14. Jahrhundert Graf Adolph vom Berge den Schwertfegern
und Reidern in Solingen ein Privilegium erteilte, dessen Text aber
nicht mehr vorhanden ist.


1) Alphons Thun, Die Industrie am Niederrhein S. 8, Staats- und socialwissen-
schaftl. Forschungen von G. Schmoller II, Heft 3, 1879.

Schwertschmiede.
und noch lange nach dem Mittelalter blieb der Glaube herrschend,
daſs die Schmiede hexen könnten und sich auf geheime Künste ver-
stünden.

Über die Art der Fabrikation der Klingen im Mittelalter wissen
wir nicht viel. Da sich aber die Klingenfabrikation in Solingen seit
dem Mittelalter ununterbrochen erhalten hat, so wird eine kurze Be-
trachtung der dortigen Verhältnisse das richtigste Bild geben.

Die Solinger Klingen sind seit dem 14. Jahrhundert berühmt. Die
gewerbsmäſsige Darstellung von Schwertklingen entwickelt sich in einer
Gegend, wo schon Jahrhunderte vorher Eisenschmiede ansäſsig waren,
namentlich Sensenschmiede. Die Kronenberger weiſsen Sensen und
Futterklingen bildeten bereits 1240 einen berühmten Exportartikel
der Hansa.

Die Entstehung der Klingenschmiederei in Solingen1) ver-
liert sich in das Dunkel der Sage. Nach einigen soll Adolph IV.
vom Berge Waffenschmiede von Damaskus aus dem Kreuzzuge unter
Friedrich Barbarossa mitgebracht haben. Nach anderen sollen die
Leute des Grafen Adolph VII. (1256 bis 1296), als sie mit König
Eduard III. von England gegen Philipp von Frankreich kämpften,
diese Kunst der Stahlbearbeitung von den Engländern gelernt
haben. Dies kann sich aber kaum auf die Kunst des Klingenschmie-
dens beziehen, in der die Deutschen den Engländern überlegen
waren und in dieser Periode ja nach England Waffen ausführten.
Eher dürfte an die Kunst des Schleifens, namentlich von Werk-
zeugen, gedacht werden, in welcher allerdings die Sheffielder einen
alten Ruf hatten.

Eine dritte Überlieferung, die am meisten innere Wahrscheinlich-
keit hat, meldet, daſs während der italienischen Kriege 1153 bis 1174
unter Friedrich Barbarossa Waffenschmiede aus Armata (Brescia), Ber-
gamo und Steiermark eingewandert seien und die Schwertfabrik ge-
gründet hätten; 1290 sei dann dieselbe durch eine zweite Einwanderung
aus Steiermark vergröſsert worden. Mehrere Jahrhunderte später, als
Solingen durch die Spanier von den Niederlanden aus überfallen
wurde, sollen dann auch noch spanische Waffenschmiede aus Toledo
und Saragossa zurückgeblieben sein. Urkundlich steht nur fest, daſs
bereits im 14. Jahrhundert Graf Adolph vom Berge den Schwertfegern
und Reidern in Solingen ein Privilegium erteilte, dessen Text aber
nicht mehr vorhanden ist.


1) Alphons Thun, Die Industrie am Niederrhein S. 8, Staats- und socialwissen-
schaftl. Forschungen von G. Schmoller II, Heft 3, 1879.
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[848/0870] Schwertschmiede. und noch lange nach dem Mittelalter blieb der Glaube herrschend, daſs die Schmiede hexen könnten und sich auf geheime Künste ver- stünden. Über die Art der Fabrikation der Klingen im Mittelalter wissen wir nicht viel. Da sich aber die Klingenfabrikation in Solingen seit dem Mittelalter ununterbrochen erhalten hat, so wird eine kurze Be- trachtung der dortigen Verhältnisse das richtigste Bild geben. Die Solinger Klingen sind seit dem 14. Jahrhundert berühmt. Die gewerbsmäſsige Darstellung von Schwertklingen entwickelt sich in einer Gegend, wo schon Jahrhunderte vorher Eisenschmiede ansäſsig waren, namentlich Sensenschmiede. Die Kronenberger weiſsen Sensen und Futterklingen bildeten bereits 1240 einen berühmten Exportartikel der Hansa. Die Entstehung der Klingenschmiederei in Solingen 1) ver- liert sich in das Dunkel der Sage. Nach einigen soll Adolph IV. vom Berge Waffenschmiede von Damaskus aus dem Kreuzzuge unter Friedrich Barbarossa mitgebracht haben. Nach anderen sollen die Leute des Grafen Adolph VII. (1256 bis 1296), als sie mit König Eduard III. von England gegen Philipp von Frankreich kämpften, diese Kunst der Stahlbearbeitung von den Engländern gelernt haben. Dies kann sich aber kaum auf die Kunst des Klingenschmie- dens beziehen, in der die Deutschen den Engländern überlegen waren und in dieser Periode ja nach England Waffen ausführten. Eher dürfte an die Kunst des Schleifens, namentlich von Werk- zeugen, gedacht werden, in welcher allerdings die Sheffielder einen alten Ruf hatten. Eine dritte Überlieferung, die am meisten innere Wahrscheinlich- keit hat, meldet, daſs während der italienischen Kriege 1153 bis 1174 unter Friedrich Barbarossa Waffenschmiede aus Armata (Brescia), Ber- gamo und Steiermark eingewandert seien und die Schwertfabrik ge- gründet hätten; 1290 sei dann dieselbe durch eine zweite Einwanderung aus Steiermark vergröſsert worden. Mehrere Jahrhunderte später, als Solingen durch die Spanier von den Niederlanden aus überfallen wurde, sollen dann auch noch spanische Waffenschmiede aus Toledo und Saragossa zurückgeblieben sein. Urkundlich steht nur fest, daſs bereits im 14. Jahrhundert Graf Adolph vom Berge den Schwertfegern und Reidern in Solingen ein Privilegium erteilte, dessen Text aber nicht mehr vorhanden ist. 1) Alphons Thun, Die Industrie am Niederrhein S. 8, Staats- und socialwissen- schaftl. Forschungen von G. Schmoller II, Heft 3, 1879.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 848. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/870>, abgerufen am 15.05.2024.