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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Hufschmiede.
berichten Aristoteles und Plinius 1). Xenophon erwähnt einer Art
von Socken, welche asiatische Völker ihren Pferden anzogen, wenn
sie durch den Schnee laufen mussten. Auch die Römer bedienten
sich ähnlicher Mittel, teils zum Schutz, teils zum Schmuck der Hufe
der Pferde und öfter noch der Maultiere. Den Ausdrücken der klassi-
schen Schriftsteller nach war die solea, mit denen Pferde zeit-
weise bekleidet wurden, ein Schuh, der den ganzen Fuss umschloss,
an den Köthen durch Riemen befestigt und dessen Sohle mit einer
eisernen Platte verstärkt war (solea ferrea). Diese Schuhe trugen die
Tiere nicht beständig, sondern sie wurden unterwegs angezogen, wenn
die Beschaffenheit des Weges dies erheischte. Dafür sprechen die
Ausdrücke, welche sich auf die Art des Anlegens dieser Schuhe be-
ziehen, wie mulas calceare 2) und mulis soleas induere 3). Bei der zu-
nehmenden Üppigkeit und Prunksucht begnügte man sich aber nicht
mit der solea ferrea. Abgesehen dass zuweilen die Hufe der Pferde
vergoldet wurden, wie dies von Commodus berichtet wird, so ersetzte
man die eiserne Sohle oft durch eine Platte von Silber (solea argentea),
wie dies von Nero erwähnt wird 4) oder gar von Gold (solea ex auro),
womit Poppäa, die Gemahlin Neros, ihre zarteren Zugtiere bekleiden
liess 5). Die eiserne Platte ging zuweilen verloren oder blieb im Kot
stecken, wie dies aus einer Stelle des Catull hervorgeht 6).

Auch die eisernen Schuhe, die zum Schutz kranker Hufe den
Pferden von den Römern angelegt wurden, die sich mehrfach in römi-
schen Ansiedelungen gefunden haben und von denen der nebenstehend
abgebildete vom Dimeser Ort bei Mainz ein charakteristisches Bei-
spiel giebt (Fig. 279 a), waren keine Hufeisen in unserm Sinn, sondern
wurden mittels Riemen am Bein des Pferdes befestigt. Der erwähnte
Schuh hat drei stollenartige Ansätze. Auch römische Hufschneide-
messer von Eisen sind gefunden worden (Fig. 279 b).

Wann und wo sind aber die eigentlichen Hufeisen entdeckt oder
zuerst angewendet worden? Diese Frage ist noch immer eine contro-
verse. Die meisten Altertumsforscher hielten seither an der Ansicht
fest, dass die Anwendung der Hufeisen eine Erfindung des Mittelalters
sei und den Römern gänzlich unbekannt gewesen. Zwar waren auch
früher schon manche Hufeisenfunde bekannt, die man der Fundstelle
nach für römisch hätte halten müssen, wenn man sich nicht mit der

1) Aristoteles, hist. animal. II, 6 und Plinius, hist. nat. VI, p. 43.
2) Sueton
Vesp. p. 23.
3) Plinius, hist. nat. XXXIII, p. 49.
4) Sueton, Nero p. 30.
5) Plinius,
hist. nat. XXXIII, p. 49.
6) Catull p. 17, 26.

Hufschmiede.
berichten Aristoteles und Plinius 1). Xenophon erwähnt einer Art
von Socken, welche asiatische Völker ihren Pferden anzogen, wenn
sie durch den Schnee laufen muſsten. Auch die Römer bedienten
sich ähnlicher Mittel, teils zum Schutz, teils zum Schmuck der Hufe
der Pferde und öfter noch der Maultiere. Den Ausdrücken der klassi-
schen Schriftsteller nach war die solea, mit denen Pferde zeit-
weise bekleidet wurden, ein Schuh, der den ganzen Fuſs umschloſs,
an den Köthen durch Riemen befestigt und dessen Sohle mit einer
eisernen Platte verstärkt war (solea ferrea). Diese Schuhe trugen die
Tiere nicht beständig, sondern sie wurden unterwegs angezogen, wenn
die Beschaffenheit des Weges dies erheischte. Dafür sprechen die
Ausdrücke, welche sich auf die Art des Anlegens dieser Schuhe be-
ziehen, wie mulas calceare 2) und mulis soleas induere 3). Bei der zu-
nehmenden Üppigkeit und Prunksucht begnügte man sich aber nicht
mit der solea ferrea. Abgesehen daſs zuweilen die Hufe der Pferde
vergoldet wurden, wie dies von Commodus berichtet wird, so ersetzte
man die eiserne Sohle oft durch eine Platte von Silber (solea argentea),
wie dies von Nero erwähnt wird 4) oder gar von Gold (solea ex auro),
womit Poppäa, die Gemahlin Neros, ihre zarteren Zugtiere bekleiden
lieſs 5). Die eiserne Platte ging zuweilen verloren oder blieb im Kot
stecken, wie dies aus einer Stelle des Catull hervorgeht 6).

Auch die eisernen Schuhe, die zum Schutz kranker Hufe den
Pferden von den Römern angelegt wurden, die sich mehrfach in römi-
schen Ansiedelungen gefunden haben und von denen der nebenstehend
abgebildete vom Dimeser Ort bei Mainz ein charakteristisches Bei-
spiel giebt (Fig. 279 a), waren keine Hufeisen in unserm Sinn, sondern
wurden mittels Riemen am Bein des Pferdes befestigt. Der erwähnte
Schuh hat drei stollenartige Ansätze. Auch römische Hufschneide-
messer von Eisen sind gefunden worden (Fig. 279 b).

Wann und wo sind aber die eigentlichen Hufeisen entdeckt oder
zuerst angewendet worden? Diese Frage ist noch immer eine contro-
verse. Die meisten Altertumsforscher hielten seither an der Ansicht
fest, daſs die Anwendung der Hufeisen eine Erfindung des Mittelalters
sei und den Römern gänzlich unbekannt gewesen. Zwar waren auch
früher schon manche Hufeisenfunde bekannt, die man der Fundstelle
nach für römisch hätte halten müssen, wenn man sich nicht mit der

1) Aristoteles, hist. animal. II, 6 und Plinius, hist. nat. VI, p. 43.
2) Sueton
Vesp. p. 23.
3) Plinius, hist. nat. XXXIII, p. 49.
4) Sueton, Nero p. 30.
5) Plinius,
hist. nat. XXXIII, p. 49.
6) Catull p. 17, 26.
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[874/0896] Hufschmiede. berichten Aristoteles und Plinius 1). Xenophon erwähnt einer Art von Socken, welche asiatische Völker ihren Pferden anzogen, wenn sie durch den Schnee laufen muſsten. Auch die Römer bedienten sich ähnlicher Mittel, teils zum Schutz, teils zum Schmuck der Hufe der Pferde und öfter noch der Maultiere. Den Ausdrücken der klassi- schen Schriftsteller nach war die solea, mit denen Pferde zeit- weise bekleidet wurden, ein Schuh, der den ganzen Fuſs umschloſs, an den Köthen durch Riemen befestigt und dessen Sohle mit einer eisernen Platte verstärkt war (solea ferrea). Diese Schuhe trugen die Tiere nicht beständig, sondern sie wurden unterwegs angezogen, wenn die Beschaffenheit des Weges dies erheischte. Dafür sprechen die Ausdrücke, welche sich auf die Art des Anlegens dieser Schuhe be- ziehen, wie mulas calceare 2) und mulis soleas induere 3). Bei der zu- nehmenden Üppigkeit und Prunksucht begnügte man sich aber nicht mit der solea ferrea. Abgesehen daſs zuweilen die Hufe der Pferde vergoldet wurden, wie dies von Commodus berichtet wird, so ersetzte man die eiserne Sohle oft durch eine Platte von Silber (solea argentea), wie dies von Nero erwähnt wird 4) oder gar von Gold (solea ex auro), womit Poppäa, die Gemahlin Neros, ihre zarteren Zugtiere bekleiden lieſs 5). Die eiserne Platte ging zuweilen verloren oder blieb im Kot stecken, wie dies aus einer Stelle des Catull hervorgeht 6). Auch die eisernen Schuhe, die zum Schutz kranker Hufe den Pferden von den Römern angelegt wurden, die sich mehrfach in römi- schen Ansiedelungen gefunden haben und von denen der nebenstehend abgebildete vom Dimeser Ort bei Mainz ein charakteristisches Bei- spiel giebt (Fig. 279 a), waren keine Hufeisen in unserm Sinn, sondern wurden mittels Riemen am Bein des Pferdes befestigt. Der erwähnte Schuh hat drei stollenartige Ansätze. Auch römische Hufschneide- messer von Eisen sind gefunden worden (Fig. 279 b). Wann und wo sind aber die eigentlichen Hufeisen entdeckt oder zuerst angewendet worden? Diese Frage ist noch immer eine contro- verse. Die meisten Altertumsforscher hielten seither an der Ansicht fest, daſs die Anwendung der Hufeisen eine Erfindung des Mittelalters sei und den Römern gänzlich unbekannt gewesen. Zwar waren auch früher schon manche Hufeisenfunde bekannt, die man der Fundstelle nach für römisch hätte halten müssen, wenn man sich nicht mit der 1) Aristoteles, hist. animal. II, 6 und Plinius, hist. nat. VI, p. 43. 2) Sueton Vesp. p. 23. 3) Plinius, hist. nat. XXXIII, p. 49. 4) Sueton, Nero p. 30. 5) Plinius, hist. nat. XXXIII, p. 49. 6) Catull p. 17, 26.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 874. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/896>, abgerufen am 15.05.2024.